Die Sicht des Aktuars: Countdown für den Beitragserhalt in der Altersvorsorge läuft

Quelle: Bild von RoboAdvisor auf Pixabay

Ende Februar hat die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) einen Ergebnisbericht einer Arbeitsgruppe zum Thema „Garantien in der bAV im Niedrigzinsumfeld“ veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe unter Leitung von Peter Bredebusch kommt zu dem Schluss, dass ein Garantieniveau von 100 Prozent bei einem Kalkulationszins von 0,5 Prozent oder weniger mit den üblichen Kostensätzen nicht mehr darstellbar ist.

Nun kommt das politische Signal aus Berlin, dass zum 1. Januar 2022 der Höchstrechnungszins auf 0,25 Prozent abgesenkt werden wird. Die BaFin besteht schon jetzt darauf, dass der jetzige Höchstrechnungszins von 0,9 Prozent besser nicht ausgeschöpft werden soll. Henriette Meissner, Mitherausgeberin des Kompass 2/2021 zum Thema „Abgesenkte Garantien, Sicherheit, Rendite, (betriebliche) Altersvorsorge und Niedrigzins“ spricht mit dem Aktuar und IVS-Sachverständigen Peter Bredebusch über den Diskussionsstand.

Henriette Meissner: Die Beitragszusage mit Mindestleistung war – wie auch Riesterprodukte mit Beitragserhalt – viele Jahre lang ein Standardprodukt der betrieblichen Altersversorgung. Warum funktioniert das nicht mehr? Liegt das an den Vertriebskosten?

Peter Bredebusch: Das Problem liegt im Zins: Bei einem zu geringen Zins kann ein Kapital in Höhe der Summe der gezahlten Beiträge nicht mehr garantiert werden. In den Untersuchungen der DAV-Arbeitsgruppe haben wir dazu schon mit niedrigen Kosten gerechnet, wie sie für Kollektivtarife üblich sind. Außerdem haben wir in einer Sensitivitätsanalyse festgestellt, dass auch bei noch niedrigeren Kosten die Beitragssumme nicht mehr erreicht wird. An den Vertriebskosten liegt es nicht, denn sogar in den Szenarien ganz ohne Abschlusskosten (also auch ohne Vertriebskosten) kann bei niedrigem Zins die Beitragssumme nicht erreicht werden.

Henriette Meissner: Eine beitragsorientierte Leistungszusage kennt arbeitsrechtlich keine Mindestanforderung an die Garantiehöhe. Doch wie sieht es da im wichtigen Bereich der Entgeltumwandlung mit der gesetzlich geforderten Wertgleichheit aus? Bedeutet das nicht eine 100Prozent-Garantie? Spielt da auch die Versicherungsmathematik eine Rolle?

Peter Bredebusch: In dem Ergebnisbericht wurde erarbeitet, dass die Wertgleichheit bei einer Entgeltumwandlung aus aktuarieller Sicht durch Einhaltung des versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzips und bei Verwendung angemessener Kalkulationsgrundlagen erfüllt ist. Die Wertgleichheit gilt bei Einhaltung des Äquivalenzprinzips auch dann, wenn das Deckungskapital bei Eintritt der Versorgungsfalls betragsmäßig unterhalb des Beitragserhalts liegen sollte.

Henriette Meissner: Welches Garantieniveau ist denn mit dem im Verordnungsentwurf geplanten  Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent sinnvoll darstellbar? Was muss ein Aktuar/Versicherer bei der Kalkulation aufsichtsrechtlich beachten?

Peter Bredebusch: Aus den Untersuchungen ergibt sich, dass bei den angenommenen Rechnungsgrundlagen und für lange Laufzeiten nur deutlich weniger als 100 Prozent der Beitragssumme erreicht werden kann. Aufsichtsrechtlich und aktuariell müssen die zugesagten Leistungen langfristig erfüllbar sein. Eine Zusage mit einem Garantieniveau, das sich kalkulatorisch aus dem Zins und den anderen Rechnungsgrundlagen ergibt, wäre zwar mathematisch darstellbar, aber für die Versorgungsberechtigten nicht sinnvoll, weil sie keinen Raum für eine stärkere Aktienanlage und somit Chancen für eine Rendite oberhalb des kalkulierten Zinses lässt. Um noch eine für die Altersversorgung angemessene Wertentwicklung zu ermöglichen, sollte das zugesagte Garantieniveau nicht höher als 80 Prozent der Beitragssumme sein.

Autor: VW-Redaktion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

vier + 15 =