Grundsatzurteil: VW muss Dieselkäufern Schadenersatz zahlen

Die Zurich will den Ausstoß von CO2 weiter verringern. Quelle: Geralt / Pixabay

Fünf Jahre ist es her, dass der Dieselskandal bei VW aufflog. 2020 streiten Diesel-Käufer immer noch für ihr Recht – und um ihr Geld. Die obersten Zivilrichter in Karlsruhe haben nun verkündet, dass VW seine Kunden mit der verbauten illegalen Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat. Auf die Musterklage der Verbraucherzentralen hat das Urteil indes keine Auswirkungen.

Im Mittelpunkt stand die Frage, ob VW mit der illegalen Abgastechnik in Millionen Diesel-Fahrzeugen die Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und ihnen Schadenersatz schuldet – und wenn ja, wie viel. (Az.: VI ZR 252/19). Bisher wurde diese Frage von verschiedenen Gerichten unterschiedlich beantwortet.  Gleichzeitig gibt es bundesweit viele Tausend ähnlich gelagerte Fälle, die noch nicht rechtskräftig entschieden sind. Auch Volkswagen bezeichnete das BGH-Urteil als „Schlusspunkt“.

Die Sprache der Richter war deutlich: Das Verhalten des Konzerns sei rechtlich „als sittenwidrig zu klassifizieren“, der Autohersteller habe mit dem Dieselbetrug „gegen die Mindestanforderung im Rechts- und Geschäftsverkehr“ verstoßen. Die Genehmigung für die Autos habe er beim Kraftfahrtbundesamt KBA „durch arglistige Täuschung“ erschlichen. Der Betrug basiere auf einer „strategischen Unternehmensentscheidung“ und allein schon deshalb müsse man davon ausgehen, dass der Vorstand von den Manipulationen gewusst habe.

Taktik von VW geht auf, aber es kommen noch weitere Verfahren

Derzeit sind nach VW-Angaben bundesweit noch rund 60.000 Dieselklagen bei Gerichten anhängig, also nicht rechtskräftig entschieden oder per Vergleich beendet. Für einen Großteil dieser Verfahren dürfte das BGH-Urteil eine wichtige Richtschnur sein.

Im konkreten Fall (Az. VI ZR 252/19) hatte der Besitzer eines gebrauchten VW Sharan aus Rheinland-Pfalz geklagt. Er sah sich von Volkswagen getäuscht und wollte den kompletten Kaufpreis von knapp 31.500 Euro wiederhaben. Zuvor hatte das Oberlandesgericht Koblenz entschieden, dass dem Kunden Schadensersatz zusteht, allerdings mit Abzug einer sogenannten Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer. Dieses Urteil bestätigte der BGH nun und verurteilte Volkswagen wegen bewusst sittenwidriger Handlung.

Der Autohersteller hat nach dem Urteil des BGH zu grundsätzlichem Schadensersatzanspruch im Dieselskandal angekündigt, viele der klagenden Kunden zu entschädigen. Man werde Einmalzahlungen als „pragmatische und einfache Lösung“ anbieten, erklärte der Konzern. „Wie hoch diese sein werden, hängt vom Einzelfall ab.“  VW dürfte das finanziell verkraften. 2019 wurde ein Gewinn von 19 Mrd. Euro erzielt. Zudem wurde über die vergangenen fünf Jahre viel Geld für Prozesskosten und Entschädigungen beiseite geschaffen.

Auf den Vergleich, den die Verbraucherzentralen im Namen von mehreren Hunderttausend Diesel-Besitzern mit VW ausgehandelt hat, haben die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs keine Auswirkungen mehr. Somit steht für diejenigen, die sich mit VW bereits geeinigt haben: Für sie wäre deutlich mehr Geld zu holen gewesen. Grundsätzlich ist damit die Taktik von VW aufgegangen. Denn durch das jahrelange Verzögern eines höchstrichterlichen Urteils waren viele Kläger entnervt und wohl finanziell am Ende, sodass sie sich auf Vergleiche eingelassen haben, bei denen VW weniger bezahlt als der BGH für angemessen hält.

Andere Fallkonstellationen wird sich der BGH in weiteren Verfahren genauer ansehen – zum Beispiel, ob VW-Kunden auch dann Schadenersatz zusteht, wenn sie ihr Auto erst nach Bekanntwerden des Dieselskandals gekauft haben. Die drei nächsten Verhandlungen zu VW-Klagen haben die Karlsruher Richter für Mitte und Ende Juli angesetzt.

Die Folgen für andere Hersteller

“Das Urteil bedeutet Rechtssicherheit für Millionen Verbraucher in Deutschland und zeigt einmal mehr, dass auch ein großer Konzern nicht über dem Gesetz steht. Heute haben wir Geschichte geschrieben”, kommentiert der Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei Goldenstein & Partner für den Fall verantwortlich ist und insgesamt rund 21.000 Mandanten im Dieselskandal vertritt. Goldenstein prognostiziert zudem: Jetzt geht der Dieselskandal erst richtig los! Das Urteil wird auch für die manipulierten PKW anderer Fahrzeughersteller eine Signalwirkung haben, denn nahezu alle Autobauer haben illegale Abschalteinrichtungen in ihren Dieselfahrzeugen integriert.“

Noch wichtiger als das BGH-Urteil dürfte für die übrigen Hersteller ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sein, dort droht ihnen eine Niederlage. Vor dem EuGH (Rechtssache C-693/18) geht es um die Frage, wann Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung zum Beispiel zum Schutz des Motors zulässig sind. Nach Ansicht der Generalanwältin ist der Einsatz der Abschaltsoftware nach EU-Recht verboten. Der Gerichtshof folgt in seinen Urteilen meist den Rechtsgutachten der Generalanwälte – und könnte so eine neue Klageflut auslösen.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Man kann wohl eher von einer Schädigung aller Menschen in D sprechen als der Fahrer der jeweiligen Fahrzeuge, daher ist der Richterspruch etwas absurd! Bisher gibt es fast keine Fahrverbote für die Diesel und es gab ja eine Nachbesserung – sehr sehr windige Begründung, sich auf die guten Sitten zu beziehen ist immer windelweiche Argumentation…

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