Umwelt und neue Vorgaben: Wie sich der Markt für Kunstversicherungen bewegt

Zehntes Kunstversicherungsgespräch in Köln. Quelle: Veranstalter.

Nach einjähriger Covid-Pause fand am Rande der Art Cologne 2021 wieder ein Kunstversicherungsgespräch statt. Zur zehnten Wiederholung hatten der Kölner Spezialmakler Zilkens Fine Art Insurance Broker eingeladen. Der Kunstmarkt wird für viele Versicherer wieder interessanter, birgt aber etliche neue Fallstricke. Das Geschäft wächst.

Das weltweite Volumen Kunstversicherung liegt bei ca. 1,4 Mrd. Euro, während das weltweite Beitragsvolumen Non-Life bei ca. 3,5 Billiarden US-Dollar beträgt. Der deutsche Kunstversicherungsmarkt hat ein Beitragsvolumen von ca. 140 Mio. Euro. Das jährliche Marktwachstum des Kunstmarktes beträgt zwei bis drei Prozent, weswegen der Markt für viele Anbieter attraktiver wird. Der bisherige Marktführer AXA-XL ist dabei sich eine neue Struktur zu geben, frisch im Wettbewerb sind andere große Namen wie HDI und Arte Generali.

Auch sonst gibt es viel Bewegung. Infolge des Brexits findet eine Verlagerung weg von den auf Transportrisiken spezialisierten Börse Lloyd’s statt. Dieser Trend könnte sich beschleunigen, sollte EU und London weiter einen politischen Kollisionskurs steuern.

Problem Unterversicherung

Alexander Wiebe, Geschäftsführer HDI Global Specialty Underwriting Agency, warnte, dass der zusätzliche Schadenbedarf aufgrund des Klimawandels im derzeitigen Prämienniveau nicht berücksichtigt sei. Dieser bleibe unzureichend.

Immer wieder problematisch ist die Abgrenzung gedeckter von ungedeckten Schäden. Dabei geht es zunächst um den Zustand des versicherten Objekts bei Risikobeginn. Die obligaten condition-reports werden präziser, gleichzeitig wird versucht, wiederholte Inspektion überflüssig zu machen. Immer wieder gibt es Feuchtigkeitsschäden aufgrund nicht optimal funktionierender Klimatisierung. Dann ist streitig, ob der Ausschluss von Allmählichkeitsschäden zieht. Dagegen fallen Falschauslieferungen unter die All-Risk-Deckung.

Zunehmende Sorgen bereiten Kunstversicherern, insbesondere nach dem 2021er Suez Kanal-Event, hohe obligatorische Beteiligungen an den Bergungskosten von Transportmitteln, welche wertproportional von allen Frachteigentümern sowie den Eigentümern des Schiffes zu bezahlen sind.

Digitalisierung wird wichtiger

Ein neuer Trend am Kunstmarkt ist es, dass an die Stelle des physischen Werkes ein Non Fungible Token tritt, welcher via Blockchain weiter veräußert werden kann. Wobei ein einzelnes Werk ggf. auch fraktional gehandelt, also gleich durch Hunderte NFTs repräsentiert, werden kann. Vermutlich muss das zugrundeliegende physische Werk immer noch über Jahre sicher eingelagert und versichert werden. Über diese physische Ebene hinaus baut sich jedoch die zusätzliche virtuelle auf, welche den Abschluss einer Cyber-Police erfordert. Beispielsweise könnte sich das Werk spurlos im Äther auflösen oder durch einen Hacker an Dritte übertragen werden. NFT-Transaktionen finden häufig unter Einsatz von Bitcoin als Währung statt, was eine zusätzliche AML-Problematik bedeutet und den Halter eines NFTs auch noch der Volatilität der Pseudowährung aussetzt.  Zudem sind Digitale Werke nicht physisch in Museen präsentierbar. Ausstellungen und Kunstkritik spielen keine Rolle bei der sie betreffenden Meinungsbildung. Ähnliche Probleme hatte bereits die Video-Kunst der 1980er, etwa bei Werken von Nam Jun Paik.

Zehntes Kölner Kunstversicherungsgespräch. Quelle: Veranstalter.

Umwelt als Chance – oder Problem

Nicht nur die Energieintensität von produzierendem Gewerbe und Verkehr kommt derzeit unter die Lupe, auch die des Kunstbetriebs. Zu Buche schlagen etwa die Beheizung von noch kalorisch zu sanierenden Museen, der Transport von Ausstellungsgut sowie die beruflichen Reisen von Museumsgewaltigen, Kunsthändlern und Auktionatoren. Der auf den Kunstmarkt spezialisierte Publizist Stefan Kobel sprach von einer sich anbahnenden Re-Regionalisierung des Kunstmarktes, d.h. die Sammler würden künftig wohl keine interkontinentalen Flüge mehr antreten wollen, um am Kunstrummel teilzunehmen. Chinesische Milliardäre werden wohl aufgrund der jedenfalls temporären Abschottung des Landes über Jahre ausbleiben. Ein ähnlicher Trend lässt sich auch bei der gegenwärtigen Verkürzungen von Lieferketten i.S. von re-shoring feststellen.

Kunsthändler und Auktionatoren versuchen zudem nach Kräften, die bislang üblichen gedruckten Kataloge durch reine zoombare Online-Versionen zu ersetzen, was älteren Sammlern nicht immer gefällt. Kunsttransporteure versuchen möglichen hybride bzw. elektrische Fahrzeuge anzuschaffen. Zunehmend werden sie aufgefordert, Leerfahrten zu vermeiden und jeweils gleich mehrere Werke zu transportieren. Dies gilt mittlerweile auch für den Lufttransport, bei dem bislang ein maximaler Kumul je Flugzeug von 150 Mio. Euro eingehalten wurde. An dessen Stelle ist mittlerweile einer von maximal 1 Mrd. Euro getreten. Jedoch wurde etwa beim kürzlichen Transport einer Ramses II-Ausstellung nach Houston darauf geachtet, dass die betraute Airline, in diesem Fall Lufthansa, als besonders sicher gilt.

Aus Umweltgesichtspunkten soll zunehmend auch die bislang übliche  Kurier-Begleitung von Transporten entfallen, woraus eine gewisse Gefahrerhöhung resultieren dürfte. Die für jedes Werk speziell anzufertigenden Transportkisten müssen demnächst biologisch abbaubar sein, was die Kosten um 25 Prozent in die Höhe treiben dürfte. Zunehmend werden anlässlich von Ausstellungen die bislang üblicherweise von Leihgebern überlassenen delikaten Spitzenwerke durch Kopien oder digitale Abbildungen ersetzt. Gleichzeitig sollen Sonderausstellungen länger vor Ort verweilen, ihre Frequenz soll sinken. Es scheint, als müssten Museen einen Teil ihres Etats von den teuren Sonderausstellungen weg und hin zu energetischen Sanierungen lenken. Insgesamt ein Trend zu mehr Kumul, weniger Sicherheit, höheren Kosten und weniger Ausstellungs-Versicherungssumme. 

Der Staat als Umweltbüttel

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, erfreut sich in der von ihr zunehmend gegängelten Kunsthandelswelt keiner großen Beliebtheit. An ihrer statt saß der Ministerialdirektor Günter Winands auf dem Podium. Museen sollten gemäß Winands generell von der Erhebung von Eintrittsgeldern absehen, außer vielleicht für Sonderausstellungen. Sie spielten eh nur 5 Prozent der Umsätze ein. Er strich die staatliche Rolle bei der Erzwingung ökologischer Mindeststandards als Voraussetzung für staatliche Förderung heraus, was auch die Filmindustrie betrifft. Die energetische Sanierung von Museen habe Vorrang, auch wenn sie einen Eingriff in frühere Architektenleistung erfordere.  Hingegen beschwerte sich Hans-Ewald Schneider, CEO des Kunstspediteurs Hasenkamp Holding GmbH, die Politik habe in Sachen Umwelt und Kunst nichts erreicht, wohl aber die private Wirtschaft.

Ministerialdirektor Günter Winands. Quelle: Veranstalter.

Die neue primäre Staatsaufgabe Umwelt wird mit religiöser Inbrunst und ohne Rücksicht auf Kosten und Zweckmäßigkeit verfolgt. Einen ähnlichen „mission creep“ erleben Banken und Versicherer, was die Reglementierung ihrer zu begrünenden Investments sowie das faktische Verbot der Versicherung bzw. Finanzierung von gräulichen Wirtschaftstätigkeiten angeht.

Autor: Carl Phillip Thomas