Fehler, die Sie bei der Beratung von technischen Versicherungen vermeiden sollten

Bei technischen Versicherungen geht es zu wie in einem Minenfeld - man muss darf nicht ins Fettnäpfchen treten. (Quelle: Free-Photos / Pixabay)

Die Beratung in den Sparten der technischen Versicherung wartet mit einigen Besonderheiten auf. Jedoch kann auch eine Sachversicherung nicht sauber beraten werden, wenn die Abgrenzungen nicht klar sind. Grund genug, die häufigsten Fehler in der Beratung näher zu betrachten. Nach Meinung der Buchautoren Stephan Schmitz und Andreas Knittel sind es derer zehn. Die Ränge sieben bis zehn im Überblick.

7. Saubere Abgrenzung in den Sparten

Oft nicht ganz klar, aber von großer Wichtigkeit: die Abgrenzung der Sparten der Technischen Versicherungen von anderen Sach- oder Transportsparten. Wer übernimmt den Schaden an der neuen Maschine, die vom Spediteur zu unsanft abgeladen wurde?

In der Versicherung von stationären Maschinen ist beispielsweise nach den Maschinenbedingungen (AMB) – anders als bei der Versicherung fahrbarer Maschinen (ABMG) – die Gefahr Feuer grundsätzlich nicht versichert. Warum ist das so? Der Grundgedanke der Versicherung von stationären Maschinen ist, dass die allgemeinen oder „benannten“ Sachgefahren wie Feuer, Blitzschlag oder Einbruchdiebstahl bereits in der Sachinhaltsversicherung, die auch die Maschinen in der Deckung umfasst, versichert gelten. Folgerichtig – um eine Doppelversicherung zu vermeiden – wurden die klassischen Sachgefahren wie Feuer oder Einbruchdiebstahl aus den Bedingungen gestrichen.

Wichtig für die Beratung ist also darauf zu achten, dass in der Inhalts-Versicherungssumme der maschinelle Anteil voll berücksichtigt wird. Sollten die Maschinenwerte nicht in der Sachdeckung enthalten sein, kann neben der Summenanpassung in der Sachversicherung auch die Gefahr Feuer in der Maschinenversicherung optional eingeschlossen werden.

Zurück zu der Eingangsfrage und hin zur Abgrenzung zur Transportversicherung: Bei der Versicherung von fahrbaren und stationären Geräten besteht Versicherungsschutz auf allen Transportwegen innerhalb des Versicherungsortes, sofern die Maschine betriebsfertig ist (oder war). Weist die Police als Versicherungsort „Deutschland“ auf, sind somit alle Transporte der fahrbaren Maschine innerhalb Deutschlands gedeckt.

Es spielt in dem Fall keine Rolle, ob die Maschinen auf eigener oder fremder Achse bewegt werden. Anders: Wird beispielsweise eine „unfertige“ Maschine vom Hersteller zu einem Händler transportiert und erst dort fertig montiert, dann ist eine spezielle Transportdeckung notwendig. Diese Deckung ist insbesondere dann wichtig, wenn beispielsweise der Händler auch die Gefahr für den Transport trägt.

Sonderfall: Seetransporte sind aufgrund besonderer seerechtlicher Bestimmungen generell nicht Gegenstand einer Maschinenversicherung. Wird beispielsweise eine Baumaschine zu einer Baustelle von Deutschland nach Schweden auf dem Seeweg transportiert, besteht hierfür über die Maschinenversicherung keine Deckung.

Bei den stationären Maschinen bleibt in der Regel der Versicherungsort auf das Versicherungsgrundstück begrenzt. Die Deckungserweiterung auf die Transportwege hilft hier jedoch nicht weiter, wenn die stationäre Maschine an einen anderen Ort zwecks Reparatur oder zum Verkauf innerhalb Deutschlands gebracht wird. Auch hier sind spezielle Transportdeckungen notwendig.

Bei Neuanschaffungen bietet die Maschinenversicherung Schutz ab Betriebsfertigkeit. Die Phasen davor werden von den jeweils zuständigen Spezialversicherungen Montageversicherung (nach Abladen bis zu Betriebsfertigkeit) bzw. Warentransportversicherung (Transportvorgang bis zur Entladung) unter Schutz gestellt.

8. Erwartungsmanagement: Zeit- und Neuwertentschädigungen in den Sparten

Der Versicherungsnehmer ist verwöhnt: für ihn ist im Schadenfall eine Neuwert-Entschädigung selbstverständlich. So kennt er es aus der Sachversicherung. In den technischen Versicherungen ist dies jedoch nicht immer der Fall. Einzig in der Elektronikversicherung wird der reine Neuwert im Totalschadenfall ersetzt. In den anderen Bestandsversicherungen, wie der Maschinenversicherung für fahrbare Geräte und stationäre Geräte erfolgt im Totalschadenfall die Entschädigung nach dem Zeitwert.

Warum ist das so? Hier ist es wichtig zu wissen, dass im Teilschadenfall die zur Wiederherstellung erforderlichen Kosten in vollem Umfang bis zur vereinbarten Versicherungssumme ersetzt werden! Wie verhält sich der Markt? In einzelnen Versicherungsprodukten sind abweichend zu der soeben umrissenen Regelung – insbesondere bei Neumaschinen – eine Neuwertentschädigung im Totalschadenfall bis zu einem bestimmten Alter anzutreffen. Hier reicht die Spanne von sechs Monaten bis zu zwei Jahren.
Sollte es in diesem Zeitraum zu einem Totalschaden an der Maschine kommen, erhält der Versicherungsnehmer den Neuwert anstelle des bedingungsgemäßen Zeitwertes.

Im temporären Geschäft, also in den Projektdeckungen wie der Bauleistungs- oder Montageversicherung wird keine Unterscheidung zwischen einem Total- oder Teilschaden vorgenommen. Ziel der Deckungen ist es, das Gewerk in den Zustand vor Schadeneintritt zurückzuversetzen. Aber: Auch hier gibt es innerhalb der einzelnen Projektdeckungen Ausnahmen. So ist beispielsweise in der Bauleistungsversicherung die Entschädigung bei Hilfsbauten- und Bauhilfsstoffen auf den Zeitwert beschränkt.

Fazit: Es empfiehlt sich, das Thema Entschädigungsleistung beim Kunden näher zu beleuchten, damit es im Schadenfall nicht zu einem „bösen“ Erwachen kommt.

9. Abgrenzung Silent Cyber / Cyber

Aktuell stellt das „Markt Spezial“ von Funk einen deutlichen Anstieg der Prämien bei gleichzeitigem Abfall der Kapazitäten in der Cyber-Versicherung fest. Liest man die Prognose für die Technischen Versicherungen, wird in der jüngst publizierten Veröffentlichung ein Cyber-Ausschluss spätestens ab 2023 in deutschen Versicherungsverträgen vorhergesehen.

Nachdem die Erpressung des amerikanischen Pipelinebetreibers Colonial Pipeline noch glänzend funktionierte, weigerte sich die gehackte Versicherung „Haftpflichtkasse“ standhaft, ein Lösegeld zu überweisen. Das Unternehmen wurde in der Folge lahmgelegt. Deckung für Fälle dieser Art bietet die Cyber-Deckung, in der Ausprägung „affirmitve“ – also explizite Deckung für Cyber-Angriffe.

Im Gegensatz hierzu sind die Cybergefahren bei „Silent Cyber“-Deckungen nicht ausdrücklich ein- oder ausgeschlossen. Alternativ sind in diesen Deckungen die Cyber-Ausschlüsse zwar vorhanden, aber unzureichend formuliert. Wie dem auch sei, eins eint diese Möglichkeiten: Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Cyberangriffe, ohne hierfür eine Prämie kalkuliert und bei Produktdesign mit Schadenszenarien dieser Art gerechnet zu haben.

Und genau in dieser – für die Versicherer unschönen – Situation befinden sich die Sparten der technischen Versicherungen. Dem Wesen nach „Allgefahrenversicherungen“, bieten die Sparten Schutz vor allem, was nicht ausgeschlossen ist. Und einen Ausschluss „Cyber“ sucht man in den Projekt- und Bestandssparten vergeblich.

Sofern es sich um einen „finalen“ Sachschaden handelt (also nicht ein reiner „Datenschaden“), muss der Versicherer leisten. Beispiel: Hacker dringen in das Produktionsnetzwerk ein, manipulieren die Steuerungssoftware und provozieren so einen Maschinenschaden. Es handelt sich um einen versicherten Maschinenversicherungs-Schaden.

Der oftmals unzureichend geschützte Maschinenpark ist bereits als lukrative Zielscheibe erkannt: Der Maschinenbau verzeichnet einen deutlichen Anstieg an Hackerangriffen. Laut VDMA ist bereits mehr als ein Drittel aller Firmen hiervon betroffen.

Ersetzt also eine „Silent Cyber“-Deckung eine Affirmative-Police? Nein, keinesfalls. In aller Regel fallen nach einem Cyberangriff Kosten an, die sich nicht im Portfolio der technischen Versicherung finden (forensische Untersuchung, Rechts- und PR-Beratung, Kosten zur Information Geschädigter, Kreditkartenüberwachung …). Und ohne Sachschaden, der auch nicht zwingende Konsequenz aus einem Online-Angriff sein muss, bleibt die TV-Sparte gänzlich unberührt.

Wie so oft ergänzen sich beide Deckungen und: Sie sind in der heutigen Zeit leider beide unverzichtbar.

10. Fehlberechnung des PML

Das PML ist von dramatischer Wichtigkeit für den Einen (Versicherer) und vermeintlich vollkommen bedeutungslos für den anderen (VN).
Verbirgt sich hinter dieser Höchstschadenkalkulation (PML: Probable Maximum Loss) doch eine rein Versicherer-interne Berechnung, wie teuer es im schlimmsten Fall wohl kommen mag. Der PML wird als absoluter Euro-Betrag ausgewiesen. Besonders wichtig ist die PML-Ermittlung bei größeren Versicherungssummen.

Für den VN ist dies vermeintlich irrelevant, da er sich darauf verlassen kann, bis zur VS eine Entschädigung zu erhalten. Fällt jedoch die Höchstschadenschätzung des VR zu hoch aus (für die Annahmerichtlinien dieses VR), betrifft das den VN dann doch, da der Versicherer seiner Wahl das Kunden-Risiko alleine nicht tragen mag. Die Lösung führt in diesem Fall regelmäßig zu einer (fakultativen) Rückversicherung oder einer Beteiligung eines oder mehrerer weiterer Versicherer.

Da die PML-Ermittlung tatsächlich für den Versicherer existenziell ist, bedeuten Fehler bei der Ermittlung schon einmal das Ende einer hoffnungsfrohen Underwriter-Karriere.

Die Spielregeln bei der Ermittlung sind bei der Feuer-Versicherung branchenweit gleich, es bestehen minimale hauseigene Interpretationen bei der Auslegung. Solch ein branchenweit standardisiertes Regelwerk gibt es bei den technischen Versicherungen leider nicht.

Allerdings ist man sich einig: Keine Rolle spielen bei der PML-Ermittlung Ereignisse wie Krieg, Terrorismus, Flugzeugabstürze oder Meteoriteneinschläge. Sofern in der TV-Sparte die Gefahr „Feuer“ als mitversichert gilt (wie regelmäßig bei ABMG oder nach Einschluss in Bauleistung) bestimmen die Überlegungen zu einem Feuerausbruch die Berechnung zum Höchstschaden: Könnten mehrere versicherte Maschinen am selben Ort stehen (z.B. in einer Halle)? Sieht der über Bauleistung versicherte Neubau die Errichtung mehrerer oder nur eines Komplexes vor? Das PML kann in diesen Fällen die Höhe der Versicherungssumme einnehmen.

Ohne die Mitversicherung von Feuer liegt das PML häufig deutlich unter der Versicherungssumme. So ist bei der AMB-Deckung das Einzelobjekt mit dem höchsten Zeitwert das Maß der Dinge, gegebenenfalls sind mögliche Kollateralschäden an benachbarten Maschinen hinzuzuaddieren.

In der Elektronikdeckung haben wir soeben eindrucksvoll bewiesen bekommen, dass Elementarereignisse wie Überschwemmungen die PML-Ermittlungen der Vergangenheit auf eine harte Realitätsprobe stellen.
Bei der Höchstschadenschätzung eines Elektronikvertrages sollte aber auch ein Überspannungsereignis durchgespielt werden. Reicht zur Risikostreuung im Falle von Überschwemmungen aus, die versicherten Sachen in verschiedenen Etagen eines Gebäudes zu betreiben, ist dies für einen elektromagnetischen Impuls nach einem Blitzeinschlag wirkungslos.

Neben diesen Überlegungen müssen zusätzlich folgende Umstände berücksichtigt werden:

  • mögliches „Klumpenrisiko“ (Wertkonzentration, wenn auch nur temporär)
  • Entschädigung auf Grundlage Zeitwert oder Neuwert
  • gibt es PML-reduzierende eingezogene Limits im Vertrag (z.B. eine Höchstentschädigung je Schadenereignis oder Kalenderjahr, häufig für Elementargefahren)
  • zusätzliche Erstrisiko-Deckungen (versicherte Kosten, Sachen im Gefahrenbereich …)
  • Vorsorge oder Nachhaftung (BU)

Die einzelfallhafte Bewertung der unterschiedlichen Vertragskonstellationen macht die PML-Bestimmung in TV besonders anspruchsvoll. Auch wenn diese in der Regel von den Underwritern vorgenommen werden, sind diese auf Informationen des Betreuers besonders angewiesen. Die Kenntnis über die PML-Regelungen im allgemeinen und die genauen Umstände beim Kunden im Speziellen können auch in der Tarifierung (durch den hierüber informierten Underwriter) den entscheidenden Ausschlag geben, einen Vertragsabschluss zu gewinnen oder eben nicht.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag sowie weitere Fehler in der Juli-Ausgabe im E-Vertriebsmagazin Der Vermittler und im ersten Teil und zweiten Teil der VWheute-Serie.

Autoren: Stephan Schmitz und Andreas Knittel, Autoren des Buches „Technische Versicherungen, Leitfaden für die Praxis.“ 2021, Verlag Versicherungswirtschaft. ISBN: 978-3-96329-274-3

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