Munich Re-Vorstand Stefan Golling: „Unser Cyberportfolio war in den vergangenen Jahren profitabel“
Die Cyberversicherung gehört gemessen an den Zahlen des GDV nicht zu den lukrativen Sparten für die Branche. Bei der Munich Re scheint dies allerdings anders zu sein: „Uns beunruhigen die steigenden Exponierungen nicht“, konstatiert Stefan Golling, Vorstand des Rückversicherers Munich Re.
„Wir wissen, wie wir zu reagieren haben – insbesondere mit intensiver Unterstützung der Kunden bei der Prävention, aber auch mit Ratenerhöhungen, Limit-Management und Risikoselektion“, betont der Versicherungsmanager gegenüber der Börsen-Zeitung. „Unser Cyberportfolio war in den vergangenen Jahren profitabel, und wir hatten im Schnitt auch niedrigere Combined Ratios, als unser Gesamtportfolio hatte“, ergänzt Golling. Dies sei „wichtig, weil wir für mögliche Kumulschäden über die Zeit auch Vorsorge treffen müssen. Die Schaden-Kosten-Quote liegt in der Regel um die 85 Prozent, aber nur durch sehr selektives Underwriting. Damit setzen wir uns vom Markt ab.“
Zudem sei die Munich Re ein „absolut aktiver Befürworter der Idee, systemische Risiken in Private Public Partnerships zu poolen. Dafür gibt es auch schon gut funktionierende Beispiele wie Nuklearpools. Wir unterstützen das auch für Cyber, allerdings muss man sagen, dass der Fortschritt hier sehr langsam ist. Das hat man auch bei der Pandemieversicherung gesehen, die vor zwei Jahren noch relativ aktiv diskutiert wurde, aber inzwischen wieder eingeschlafen ist.“
Dabei seien neben den Konditionen „auch angemessen hohe Cybersicherheitsstandards ein Anliegen. Sie sind eine Voraussetzung für den Zugang zum Versicherungsmarkt und tragen dazu bei, digitale Geschäftsmodelle abzusichern. Mit Prävention lässt sich bereits vieles verhindern und Konditionen verträglicher gestalten. Davon profitieren beide Seiten.“ Zudem bestreite kaum mehr jemand, „dass Cyberrisiken versicherbar sind und Deckungen benötigt werden.“
„Das heißt, wir sind bereit, in dem wachsenden Markt unser Cybergeschäft weiter auszubauen und damit unseren aktuellen Marktanteil, der derzeit rund 14 Prozent beträgt, zu halten. Bei den Kapazitäten muss man unterscheiden zwischen dem Kumulgedanken, also Kapazitäten für den gesamten Markt, und Einzelrisikokapazitäten. Bei den Einzelrisiken gibt es eventuell einen Engpass. Da ist die Kapazität eher unverändert, also im unteren einstelligen Milliardenbereich als Gesamtkapazität für große Konzerne. Industrieunternehmen würden teilweise höhere Deckungen bevorzugen. Das ist aber auch nicht unser Fokus, wir wollen uns mehr auf den Mittelstand konzentrieren“, erläutert der Munich Re-Vorstand.
Bereits im März 2022 hatte Konzernchef Joachim Wenning angekündigt, Großkonzernen keine Cyberversicherung mehr anbieten zu wollen. Der Versicherungsmanager sagte, kleinere Unternehmen ließen sich dagegen durchaus noch versichern. Versicherbar sei bei Schäden durch Cyberattacken eine Größenordnung in der Regel von maximal 100 Millionen Euro: „Bei größeren Unternehmen wird die Hebelwirkung der Schäden zu groß, die durch Cyberangriffe entstehen können.“
Unversicherbar sind aus Wennings Sicht vor allem auch Attacken auf öffentliche Infrastrukturen. „Ein flächendeckender Stromausfall – ein sogenannter Blackout – könnte nach heute gängigen Schätzungen in einem westlichen Industrieland Schäden zwischen einer und sechs Billionen Dollar nach sich ziehen. Genauer lässt sich das bislang nicht eingrenzen, weil der Präzedenzfall dafür zum Glück noch nicht eingetreten ist.“
Laut einer aktuellen Analyse des GDV sind die Anbieter im Geschäftsjahr 2021 mit einer Schaden-Kostenquote von 123,7 Prozent (2020: 64,7 Prozent) erstmals in die Verlustzone gerutscht. Zudem registrierten die Unternehmen nach Angaben des Branchenverbandes im letzten Jahr knapp 3.700 Schäden durch Hackerangriffe, was einem satten Plus von 56 Prozent entspricht. Dafür leisteten sie rund 137 Mio. Euro (2020: 27 Mio. Euro). Dies ist fast dreimal so viel wie 2020. Dazu kamen Schäden aus den Vorjahren, für die zusätzliche Rückstellungen gebildet werden mussten, sowie Abschluss- und Verwaltungskosten, heißt es beim GDV weiter. Allerdings haben die Unternehmen auch bei den Beitragseinnahmen deutlich um 49,2 Prozent auf rund 178 Mio. Euro zugelegt.
Autor: VW-Redaktion