Ifo-Präsident befürwortet Versicherungspflicht für Elementarschäden nur bei bezahlbaren Prämien

Ifo-Präsident Clemens Fuest. Quelle: Ifo-Institut

Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat die Debatte um eine Versicherungspflicht für Elementarschäden neu entfacht. „Mit einer umfassenden Versicherungspflicht entstünde jedoch ein großer Markt in Deutschland, den private Versicherungen erschließen könnten“, glauben Ifo-Präsident Clemens Fuest und Marcel Thumm, Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, in einem neuen Ifo-Standpunkt.

„Das wichtigste Argument für eine Pflichtversicherung ist das Samariterdilemma des Staates. Ist ein Elementarschaden wie bei der aktuellen Flutkatastrophe eingetreten und sind die betroffenen Gebäude nicht versichert, bleibt dem Staat kaum etwas anderes übrig, als die helfende Hand auszustrecken. Die Unterstützung durch die Solidargemeinschaft in der Not ist lobenswert, sie zu verweigern, würde auf Unverständnis stoßen“, konstatieren die Experten.

Allerdings habe diese Unterstützung auch „Rückwirkungen auf die Bereitschaft der Bürger, sich überhaupt zu versichern. In der Abwägung zwischen teurer Elementarschadenversicherung und dem Risiko, unversichert einen Schaden zu erleiden, fällt die Entscheidung oft gegen eine Versicherung aus, und das umso eher, je größer die staatliche Hilfe ist, die man erwarten kann, wenn es doch schiefgeht“.

„Gegen eine Versicherungspflicht könnte man ferner einwenden, sie würde Eigentümer bereits bestehender Häuser, die sie womöglich erst kürzlich zu hohen Preisen gekauft haben, unzumutbar belasten. Ihre Immobilien könnten noch mehr an Wert verlieren, als dies durch die wachsenden Flutrisiken ohnehin schon der Fall ist. Um auf diese Gruppe Rücksicht zu nehmen, könnte die Politik die Pflichtversicherung auf neu errichtete Häuser beschränken“, erläutern Fuest und Thumm.

Dennoch könne eine Versicherungspflicht „sinnvoll sein, um den Staat aus dem Samariterdilemma zu befreien und die Resilienz gegenüber Naturkatastrophen zu erhöhen“. Allerdings müsse „die Versicherung jedoch richtig konstruiert sein. Benötigt wird eine Versicherungspflicht mit sehr unterschiedlichen Prämien, deren Höhe vom Standort abhängt. Die Versicherungsprämien für einzelne Gebäude muss sich am jeweiligen individuellen Überflutungsrisiko orientieren. Außerdem sollte sie eine Selbstbeteiligung beinhalten, um Anreize zu wahren, bauliche Konstruktionen zu wählen, die Flutschäden möglichst gering halten“, heißt es im Ifo-Positionspapier.

Allerdings könne „die Versicherungspflicht zum ökonomischen Bumerang werden, wenn essenzielle Bestandteile einer solchen Versicherungslösung, vor allem die risikoabhängigen Prämien, im politischen Prozess verwässert werden. Die Debatten zur Versicherungspflicht in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Politik häufig Einheitsprämien favorisiert. Würde die Versicherungspflicht jedoch mit Einheitsprämien gekoppelt, wäre das Ergebnis noch schlechter als ohne Versicherung“, warnen Fuest und Thumm.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • In Baden-Württemberg gab es bis 1994 eine Pflichtversicherung für jeden Hausbesitzer, die auch Elementarschäden deckte. Sie wurde dem „freien Markt“ geopfert. Mit der Folge, dass dann eben die Rosinenpickerei begann – das Auswahlrisiko lässt die Prämien heftig steigen. Eine Pflichtversicherung für ALLE unter Einbeziehung der derzeitigen Risikoklassen und der angebotenen Selbstbehalte wäre wohl für jeden Hausbesitzer tragbar. Und es wäre wohl auch einfach, einen „Kostendeckel“ für Zuschläge in (Hoch)Risikogebieten einzuführen, indem der Staat die Mehrkosten ab einem bestimmten Prozentsatz übernimmt. Damit könnte man auch eigentlich nicht versicherbare Gebäude einfangen.
    Das wäre sicherlich billiger als die Kostenübernahme aller nicht versicherten Schäden durch den Staat, zumal dann die Rückversicherungskette in Gang käme. Klingt das zu einfach?

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