Schareck: „Diskussion um einen möglichen Klimawandel gewinnt zunehmend an Bedeutung“

Christian Schareck, Quelle: KPMG

Sturmtief „Sabine“ hat Deutschland vor wenigen Tagen kräftig durcheinandergewirbelt. Die Versicherer gehen nach GDV-Zahlen von einer Schadenbelastung im hohen dreistelligen Millionenbereich aus. Welche Auswirkungen die heftigen Orkane der letzten Jahre und der Klimawandel auf die Risikokalkulation haben, erläutert Christian Schareck, Leiter Insurance Management Consulting bei KPMG, im Exklusiv-Interview mit VWheute.

VWheute: Sturmtief „Sabine“ hat vor wenigen Tagen fast ganz Deutschland durcheinandergewirbelt. Werden solche Sturmtiefs nun zur jährlichen Gewohnheit und was bedeutet das für die Versicherer?

Christian Schareck: Ob die Stürme zu einer jährlichen Gewohnheit werden, ist für mich als Nicht-Meteorologe schwer zu beantworten. In Zeiten der Klimawandel-Diskussion bekommen die Herbst- und Winterstürme natürlich besondere Aufmerksamkeit. Fakt ist, dass wir in der vergangenen Dekade einige heftige Orkane in Deutschland erlebt haben.

Denken Sie nur an „Christian“ 2013, „Ela“ 2014, „Elon“ und „Felix“ 2015, „Xavier“ 2017 und „Friederike“ 2018. Alles schwere Stürme, die Teile oder das ganze Land betroffen und teilweise hohe Schäden verursacht haben. Es scheint, als wäre das Sturmtief „Sabine“ 2020 glimpflich verlaufen.

Insgesamt gewinnt die Diskussion um einen möglichen Klimawandel zunehmend an Bedeutung. Im Allianz Risk Barometer 2020 kommt der Klimawandel auf Rang sieben und Umweltkatastrophen (Sturm, Erdbeben etc.) auf Rang vier weltweit.

VWheute: Die Versicherungswirtschaft ist durch Starkwetterlagen in der Risikokalkulation und Schadensbehebung direkt betroffen. Inwieweit spielen solche Ereignisse bei der Schaden- und Risikokalkulation eine Rolle?

Christian Schareck: Grundsätzlich sind Versicherungen ja genau dafür da, dass solche Risiken vernünftig abgedeckt werden können. Sturmschäden gab es auch schon in der Vergangenheit. Heute kommen aber noch verstärkende Elemente wie etwa neue und anfälligere Infrastrukturen hinzu.

Wenn man jetzt davon ausgeht, dass sich die Risikolage durch den Klimawandel verändert, werden Versicherer nicht nur auf der Basis vergangenheitsbezogener Daten kalkulieren können. Hier spielen Predictive Modeling und Data Analytics zunehmend eine wichtige Rolle.

VWheute: Wie können sich Versicherer vor den wirtschaftlichen Gefahren des Klimawandels schützen?

Christian Schareck: Wichtig für Versicherer ist es, die notwendigen Informationen und Prognosemodelle für eine sinnvolle Kalkulation zu haben. Regionale Tarifierungen etc. reichen bei solch globalen Wirkungsweisen und Zusammenhängen allein nicht mehr aus. Zukünftig ist zu überlegen, wie Versicherer von diesen Informationsquellen partizipieren können.

VWheute: Welche Rolle sollte der Klimaschutz auf der Agenda der Versicherer spielen?

Christian Schareck: Das Thema Nachhaltigkeit (Sustainability) zieht sich bereits bei vielen Versicherern durch alle erfolgskritischen Bereiche. Große Hebel lassen sich dabei in den Investments sowie im Rahmen der eigenen Prozesse definieren. So achten Versicherer z.B. bereits heute verstärkt auf nachhaltige Investmentstrukturen.  

VWheute: Welche Präventionsmaßnahmen sollten Versicherer und Gesetzgeber schon heute gemeinsam zum Schutz vor Klimagefahren auf den Weg bringen?

Christian Schareck: Versicherer sollten sich durchaus für nachhaltige Themen einsetzen – sei es im Vertrieb, bei Kooperationen, im eigenen Energieeinsatz oder -verbrauch etc. Vor allem sollten sich Versicherer aber auch mit ihrem Risiko-Know-how in die öffentliche Diskussion einbringen. Der Gesetzgeber wiederum könnte durch Anreizmodelle, z.B. durch Steuervergünstigungen im Hinblick auf „grüne Tarife“ o.ä., nachhaltiges Handeln fördern.

VWheute: GDV-Präsident Wolfgang Weiler sagte jüngst der „Kampf gegen Klimawandel ist die Herausforderung unseres Jahrhunderts“. Haben die Versicherer diese Herausforderung angenommen?

Christian Schareck: Ich würde sagen, dass Versicherer sich schon sehr ernsthaft mit den Themen und den Einschätzungen dazu auseinandersetzen. Wie alle, stehen aber auch sie noch am Anfang der Entwicklung.

Wir bei KPMG unterstützen zahlreiche Initiativen und neue Ansätze zur Etablierung der Nachhaltigkeit. Hierzu wurde eigens eine Task Force Sustainability gebildet, die zusammen mit unseren Kunden nachhaltige Lösungen erarbeitet und bei der täglichen Umsetzung behilflich ist.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Tobias Daniel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

20 + zwei =