Schildknecht: „Wir erreichen mehr Nachhaltigkeit nicht durch ein Mehr an Verboten“

Carsten Schildknecht, CEO Zurich Deutschland, Quelle: Zurich

Viele Versicherer nehmen beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle ein, so wie Zurich Deutschland. CEO Carsten Schildknecht stört aber die kopflose Panik und die inhaltsleere Rhetorik bei den Debatten um Nachhaltigkeit. Ein Gastbeitrag über grüne Investitionen, Elementarschutz und ESG-Fondspolicen.

Das Jahr 2021 war vor allem durch drei Themen geprägt: Die anhaltende Corona-Pandemie, der Klimawandel und die daraus resultierenden Unwetterereignisse sowie natürlich auch die Entwicklungen auf der bundespolitischen Ebene mit den entsprechenden Verschiebungen der Mehrheitsverhältnisse in Berlin. Alle drei Themenbereiche werden auch in das Jahr 2022 hineinwirken und auch die Versicherungswirtschaft maßgeblich prägen.

Die Corona-Lage hat sich zum Ende des Jahres 2021 anders entwickelt als erwartet – und erhofft. Die Gemengelage aus noch immer unzureichender Impfquote, ansteigender Inzidenz und den Nachrichten über eine zunehmende Zahl von Impfdurchbrüchen ernüchtert. Die Hoffnung, dass man trotz der Fortschritte im medizinischen Bereich schnell zu einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen „Normalzustand“ zurückkehren kann, werden leider eingebremst. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage im Jahr 2022 entwickeln wird. Die Erfolge im Umgang mit dem Virus, die größtenteils auch aus einem achtsamen Umgang miteinander resultieren, dürfen nun keinesfalls riskiert werden. Die Kollateralschäden, die auf Leichtsinnigkeit beruhen, müssten in jeglicher Hinsicht teuer bezahlt werden.

Wie ernst meinen es die Unternehmen mit dem Klimaschutz?

Gleiches gilt für den Umgang mit dem Klimawandel. Der menschengemachte Klimawandel zeigt sich weltweit und auch in Deutschland unter anderem in der deutlichen Zunahme von Frequenz und Intensität von Wetterextremen. Der Klimawandel ist kein abstraktes Phänomen, er ist wissenschaftlich belegt und hat schon jetzt Auswirkungen auf unsere Lebensqualität, auf die Existenzgrundlage vieler Menschen, auf die Geschäftsmodelle zahlreicher Unternehmen und auf die Lebensräume künftiger Generationen. Doch die Sorge um den Klimawandel darf sich weder in kopfloser Panik noch in inhaltsleerer Rhetorik erschöpfen. Trotz der Dringlichkeit, auf diese Entwicklungen zu reagieren, halte ich es zweifellos für wirkungsvoller, sich im aktiven Handeln gegen den Klimawandel zu überbieten, als im Formulieren von Weltuntergangsszenarien. Wir haben ein klares Ziel definiert, das wir auch mit konkreten, transparenten und messbaren Maßnahmen untermauert haben: Zurich will eines der nachhaltigsten und verantwortungsvollsten Unternehmen weltweit werden. Wir haben uns als erster Versicherer weltweit zur Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles verpflichtet und haben unsere geschäftliche Strategie konsequent auf das Thema Nachhaltigkeit ausgerichtet. Diesen Weg werden wir auch im Jahr 2022 fokussiert und mit aller Verantwortung in unseren verschiedenen Rollen verfolgen.

Dabei wird sich in 2022 auch zeigen müssen, wie ernst es die Unternehmen mit dieser Herausforderung meinen. Natürlich besteht mittlerweile ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass wir in Sachen Klimaschutz handeln müssen. Wir müssen aber auch handlungsfähig sein. Oft wird zu lang und zu ideologisch über das ‚wie‘ diskutiert. Auch auf politischer Ebene. Da entsteht dann in Teilen der Politik oft der Wunsch, dass die Diskussionen sowohl inhaltlich als auch zeitlich dadurch verkürzt werden, indem man an die Wirkung dirigistischer Eingriffe, Verbote und Auflagen glaubt. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass wir Menschen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit nicht durch ein Mehr an Verboten und Regularien mitnehmen werden, sondern durch ein Mehr an Geschwindigkeit, Chancen und Möglichkeiten. Mit der neuen Ampelkoalition muss 2022 deutlich werden, dass ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Umfeld gefördert wird, das technologieoffen denkt und Anreize für nachhaltige Investitionen in die Zukunft schafft – keines, das die Bürger in ihrer Individualität und Kreativität einengt und in ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung entmündigt. Nur so werden wir das Rennen um den Klimawandel nachhaltig gewinnen. Ich bin davon überzeugt, dass im Jahr 2022 viele Wettbewerber ähnlich ambitioniert wie wir an das Thema Nachhaltigkeit herangehen werden und dass wir in unserer Vorreiterrolle – nicht nur innerhalb der Assekuranz – viele Nachahmer und Wettbewerber finden werden. Dem Ziel des bestmöglichen Klimaschutzes kann das nur dienlich sein.

Opt-Out-Regelung bei Elementarschäden stärkt die Eigenverantwortung

In einem Atemzug mit dem Themenfeld Nachhaltigkeit wird 2022 auch die künftige Absicherung bei Elementarschäden genannt werden. Das Positionspapier, das wir gemeinsam mit dem GDV entwickelt haben, sieht im Kern vor, dass es künftig nur noch Wohngebäudeversicherungen geben soll, die auch sogenannte Elementargefahren wie Hochwasser und Starkregen abdecken. Die Versicherungskunden sollen aber bei Vertragsabschluss bzw. -umstellung auch künftig die Möglichkeit haben, sich gegen den Elementarschutz zu entscheiden. Diese „Opt-Out-Regelung“ stärkt die Eigenverantwortung und trägt dazu bei, dass der wichtige Elementarschutz nur noch in Ausnahmefällen abgewählt wird.

Entscheidend wird im nächsten Jahr aber sein, ob der Gesetzgeber die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen setzt, damit eine solche Regelung greifen kann. Eigenverantwortung wird im Jahr 2022 auch entscheidend beim Thema Altersvorsorge sein. Die Ampelkoalition hatte bereits in den Sondierungsgesprächen deutlich gemacht, dass neben der gesetzlichen Rente die betriebliche wie private Altersvorsorge wichtig für die Absicherung im Alter bleiben werden. Als einer der führenden Anbieter im Bereich fondsbasierter Altersvorsorge und als der mit Abstand erfolgreichste Spieler im rasant wachsenden Geschäft mit ESG-Fondspolicen sehen wir, dass genau dies die Angebote sind, die den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger bei der finanziellen Absicherung ihres Lebensabends entsprechen. Die Politik wird 2022 gefordert sein, die entsprechenden Weichen zu stellen.

Autor: Carsten Schildknecht, CEO Zurich Gruppe Deutschland

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