Grüne Seele trotz Vertriebs-Incentive in Singapur? Klaus Hermann wirft Branche gefährliche Doppelmoral vor
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Klaus Hermann ist Versicherungskaufmann und meinungsstark. Quelle: VWheute.

„Das, was mich bewegt, sind die Entwicklungen meiner Branche“, sagt Klaus Hermann. Die Versicherungsindustrie sei derzeit bemüht, sich einen grünen Anstrich zu verpassen. Nachhaltigkeitsstrategien würden werbewirksam präsentiert. Doch wie ernst meint man es wirklich? Dieser Frage geht der Vertriebsexperte in seiner heutigen Kolumne nach.

Heute schreibe ich meine Kolumne unter dem Einfluss zweier besonderer Eindrücke. Zum einen befinde ich mich gerade auf einem mehrwöchigen Campingtrip im slowenisch-kroatisch-österreichischen Dreiländereck. Hier fällt ganz aktuell die Verbindung zu meinem Beruf leicht, da ich mir erst gestern beim Zurücksetzen mit dem Wohnmobil einen Reflektor am Heck zerlegt habe. Die Vollkaskoversicherung des Vermieters wird sich bedanken. Ansonsten kann ich bestens abschalten, weil mein Team sich im Büro hervorragend um das Tagesgeschäft kümmert.

Der zweite Eindruck wird durch die Bilder geprägt, die aus der Heimat kommen. Bis vor Kurzem noch unvorstellbare Zerstörungen durch Starkregen, Hochwasser und Erdrutsche, die man eher in einem neuen Roland-Emmerich-Werk als in der Tagesschau vermuten würde. Seit dem 28. Juli 2014, als eine enorme Regen- und Gewitterzelle über meiner Heimatstadt Münster einfach nicht weiterziehen wollte und die gigantische Menge von über 300 Litern Regenwasser je Quadratmeter die westfälische Metropole absaufen ließ, weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn die Keller und Häuser volllaufen und die Menschen verzweifelt vor dem Nichts stehen.

Ja, selbstverständlich kann ich hier schnell den Bezug zur Assekuranz herstellen. Wir reden schließlich von klassischen, versicherten Elementarschäden. Ich wünsche allen Geschädigten, dass ihnen durch bestehende Policen, die schnell entstandene Solidarität der Mitbürger und die Politik unbürokratisch und rasch geholfen wird.

Die Versicherer werden dieses Schadenereignis, auch wenn es in die Milliarden gehen wird, stemmen. Das System der Rückversicherungen funktioniert und verhindert das Kollabieren einzelner Gesellschaften selbst bei Katastrophen biblischen Ausmaßes. Wir werden uns zukünftig von unkalkulierbaren Risiken trennen und sie aus den Bedingungen streichen, so wie wir das schon seit 100 Jahren tun. Die Menschen werden sich bei einer inflationären Entwicklung von extremen Wetterlagen gegen das noch Mögliche absichern und somit ist die Existenz meiner Branche in beinahe jedem Klimaszenario sicher. Dann ist alles gut, oder?

Sollte das unser Anspruch sein? Wie geht es weiter? Das ist etwas, was mich wirklich sehr beschäftigt. Ich bin einer dieser privilegierten Grünen Wähler, auf die man im Moment gerne schimpft. Wirtschaftlich auf festem Boden, 3 x im Jahr in den Urlaub und gerne mit dem erhobenen Zeigefinger unterwegs. Das Kreuzchen in der Wahlurne bei „Bündnis90/Die Grünen“, scheinbar als moderne Form des Ablasshandels. Ich werde nun keine Zeilen verschwenden, um auf meine eigenen Aktivitäten hinzuweisen, die ich unternehme, um einen messbaren Teil zum Klima- und Umweltschutz beizutragen. Es geht nicht um den Einzelnen.

Das, was mich bewegt, sind die Entwicklungen meiner Branche. Die Versicherungsindustrie ist derzeit bemüht, sich einen grünen Anstrich zu verpassen. Da werden Nachhaltigkeitsstrategien auf die Beine gestellt, CO2-Kompensationen werbewirksam präsentiert und die versicherten Mehrleistungen der Hausratversicherung durch Anschaffung von Bodenbelägen aus zertifizierter, ökologischer Forstwirtschaft gefeiert.

Natürlich ist es klasse, wenn die Allianz als einer der größten Kapitalanleger der Welt eine Nachhaltigkeitsstrategie mit Zielen für das Jahr 2050 vorstellt oder man von der Zurich Versicherung liest, dass sie die erste „grüne“ Gewerbepolice plant.

Doch wie ernst meint man es wirklich? Wie konsequent ist das Handeln des Vorstandsvorsitzenden des größten deutschen Versicherers, wenn er 800 Vertriebskräfte für ein 4-tägiges Incentive der Extraklasse bis nach Singapur fliegen lässt und dort allen Ernstes auf dem abendlichen Galaball verkündet, man könne in Ruhe feiern, da der Münchener Versicherer zur Kompensation des CO2-Ausstoßes des Trips 3.000 Bäume pflanzen lassen würde. Die Belegschaft applaudiert und genießt den nächsten Gang, der gerne auch mal von einem in München ortsansässigen Caterer hinterhergeflogen wird. Nur mal so am Rande. Laut „Atmosfair.de“ würde man für diese Veranstaltung etwa 150.000 Bäumchen pflanzen müssen, um die Emissionen annähernd auszugleichen. Mal ganz abgesehen davon, dass man so eine Fortbildung mit Jakobsmuscheln auch nach einer schönen Zugfahrt in Prag, Wien oder Paris hätte stattfinden lassen können.

Das ist nur eines von vielen Beispielen, das mir zeigt, wie weit auch unsere Branche noch von einem weitsichtigen, konsequenten und vorbildlichen Handeln entfernt ist. Auch wenn es viele als unbequem, belehrend oder übertrieben ansehen. Das, was gerade weltweit passiert, ist nur der Anfang und erfordert mehr als einen grünen Pinselstrich. Es geht nicht darum, ob der durch Menschen verursachte Klimawandel kommt sondern, wie stark es uns und unsere Kinder treffen wird.

Wir sind nicht die Schweröl-Industrie, die Zementproduktion oder die Automobilhersteller, die gerade in einem atemberaubenden Tempo eine enorme Transformation in ein neues technologisches Zeitalter vollziehen müssen. Genau das ist der Grund, weshalb die Assekuranz Potenziale und Kapazitäten besitzt und nutzen kann, um größtmöglich auf das Handeln der Industrie und der Verbraucher einzuwirken. Man erinnere sich daran, wie schnell es Ende der 90er-Jahre plötzlich möglich war, dass die Automobilindustrie die Wegfahrsperren in Neuwagen installieren konnte, nachdem deutsche Versicherer eine 10%ige Selbstbeteiligung bei Diebstahl einführten, wenn keine solche Sicherung vorhanden war.

Faktoren zur Prämienermittlung wie z.B. der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs, die Energieeffizienz von Gebäuden, die Nachhaltigkeit von Unternehmen sind meiner Meinung nach keine haltlosen Benachteiligungen einzelner, sondern weitsichtige, globale Präventionsmaßnahmen, um die Versichertengemeinschaft vor den gravierenden Mehrbeiträgen zukünftiger Wetterereignisse wie in NRW und Rheinland-Pfalz zu schützen. Wenn wir Fahrsicherheitstrainings und Schulungen für Lkw-Fahrer anbieten und einfordern, um das Prämienniveau der Flottenversicherungen erträglich zu gestalten, ist jede Restriktion in Sachen Klimaschutz seitens unserer Zunft mehr als angebracht.

Will die Versicherungsbranche sich nicht irgendwann vorhalten lassen müssen, nicht alles in ihrer Macht Stehende zur Vermeidung der schlimmsten Szenarien getan zu haben, braucht auch sie mutige, entschlossene Entscheidende, die den kurzfristigen Ertrag in der Priorität des Handelns hinter den Klimaschutz einsortieren. Das Nichthandeln macht es auf Dauer mehrfach teurer und ist nichts anderes als ein egoistisches, verantwortungsloses und kurzfristiges Handeln.

Autor: Klaus Hermann ist Vermittler, Buchautor, Comedian und vieles mehr. Für VWheute schreibt er über Vertrieb, die Branche und alle weiteren Themen, die ihn bewegen.

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