Branchenpuls: Lebensversicherung, Künstliche Intelligenz, Gastgewerbe

Was lässt den Puls der Branche höher schlagen? Quelle: OpenClipart-Vectors auf Pixabay.

Gute Fachkräfte sind auch in der Versicherungsbranche gern gesehen. Da bleibt es natürlich nicht aus, dass manch Unternehmen auch bei der Konkurrenz wildert. Allerdings stoßen manche Methoden dabei nicht immer nur auf Zustimmung.

Was bisher geschah …

Jüngstes Beispiel ist der juristisch ausgefochtene Disput zwischen den Brokern Aon und Marsh. Der Broker Aon ist wenig angetan, dass Marsh 44 frühere Angestellte auf einmal abgeworben hat. Das Unternehmen strebt daher eine „restraining order“ an, eine einstweilige Verfügung.  Marsh habe die Wettbewerbsregeln verletzt, indem Schlüsselkräfte mittels „verschwenderischer Versprechungen“ bezüglich Gehalt und Boni dazu gebracht wurden, eine „Massenkündigung“ zu organisieren. Das geschah, obwohl „angemessene restriktive Vereinbarungen“ bestünden. Mit mehr als 1.500 Klicks war der entsprechende VWheute-Beitrag das Topthema der Woche.

Auch die Debatte um die Lebensversicherung sorgte in den letzten Tagen wieder für Schlagzeilen. So fürchtet die Bild-Zeitung durch mögliche Strafzinsen das Ende des Wohlstandes. Wegen dieses Umstandes sei auch die Lebensversicherung stark bedroht. Ganz so schlimm scheint die Lage allerdings nicht zu sein, wenn dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geglaubt werden kann. Die deutschen Lebensversicherer haben 2020 ungeachtet der Corona-Krise  die wenigsten Vertragskündigungen seit der Wiedervereinigung verzeichnet – gemessen am Bestand. Auch die Beitragseinnahmen seien stabil geblieben, freut sich GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

„Der Neustart nach der Pandemie ist mit enormen Herausforderungen in vielen Bereichen von Wirtschaft und Sozialpolitik verbunden: Das Rentensystem ist längst durch die demografische Entwicklung belastet, zugleich steht der weitere Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit auf der Agenda – beides mit dem Ziel, die Zukunft der nachfolgenden Generationen zu sichern. Die Lebensversicherungswirtschaft wird ihren Beitrag dazu leisten.“

Laura Gersch, Vorständin Firmenkunden und Personal bei der Allianz Lebensversicherung

Deutlich optimistischer blickt Allianz-Vorständin Laura Gersch in die Zukunft: „Ich sehe für die Lebensversicherung auch in den kommenden Jahren ein enormes Wachstumspotenzial. Blicken wir hier einmal auf zwei wesentliche Kriterien: Die Umbrüche in der Branche und die notwendige Transformation unserer Wirtschaft“, betont die Versicherungsmanagerin im Sommerinterview mit VWheute.

Was diese Woche jeder wissen muss

Ein weiteres Zukunftsthema ist seit langen auch die Künstliche Intelligenz (KI): „Laut einer aktuellen Studie des Verbands BITKOM ist im letzten Jahr die Akzeptanz und das Vertrauen in Algorithmen stetig gestiegen. Auch die Versicherungsbranche erhofft sich dadurch Kostenreduzierung und Erhöhung der Customer Satisfaction. Bisher werden die neuen Möglichkeiten jedoch eher begrenzt eingesetzt. So nutzen aktuell etwa nur sechs Prozent der Versicherer KI, um mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen“, konstatierte jüngst Niklas Mrutzek von Erason in einem Gastbeitrag für VWheute.

„Künstliche Intelligenz kann zahlreiche unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Versicherungen sollten jedoch anfangen, KI bereits vor der Neukundenakquise einzubinden. Also bspw. bereits in der Auswahl der Kommunikationskanäle. Dies verhindert zum einen unnötige Werbeausgaben, zum anderen kann die Schadenmeldungsquote drastisch reduziert werden.“

Niklas Mrutzek, Gründer und Geschäftsführer des KI-Entwicklerstudios ERASON

Am heutigen Montag debattieren daher Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer sowie Führungskräfte aus den Bereichen IT, Datenmanagement, Business Intelligence und Business Development aus Versicherungsunternehmen und angrenzenden Branchen auf einer SZ-Fachkonferenz über den aktuellen Status der Zukunftstechnologie in der Versicherungsbranche.

Was über die Branchengrenzen hinaus wichtig ist

Die juristischen Auseinandersetzungen um die Betriebsschließungsversicherung (BSV) beschäftigen weiterhin die Gerichte – und die Versicherer. Erst vor wenigen Tagen hatte der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle entschieden, dass die genaue Formulierung der Bedingungen maßgeblich für die Zahlungen der Versicherer sei. Allerdings ist auch dieses Urteil noch nicht rechtskräftig – ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes (BG) wird damit immer wahrscheinlicher.

„Die Betriebsschließungsversicherungen waren zugeschnitten auf einzelbetriebliche Schließungen, um beispielsweise Gesundheitsgefahren zu verringern. Doch mit einer flächendeckenden Schließung, wie wir es 2020/21 erlebten, hat niemand gerechnet.“

Hubert Aiwanger, Wirtschaftsminister von Bayern

Dabei dürfte der „bayerische Kompromiss“ wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein: „Der von mir vermittelte Vorschlag für einen Kompromiss war ein Angebot an die Versicherungswirtschaft und an das Gastgewerbe. Beide Seiten standen in einer Phase großer Rechtsunsicherheit vor der Frage, wie eine für beide Seiten zumutbare Lösung aussehen könnte. Nach den mir vorliegenden Informationen wurden die individuellen Kompromissangebote der Versicherer an ihre Kunden in etwa drei Viertel der Fälle angenommen. Das ersparte beiden Seiten längere Gerichtsverfahren und die damit verbundenen Kosten. Das Gastgewerbe erhielt kurzfristig eine dringend benötigte  Liquiditätsspritze. Die derzeit weiterhin offene Rechtslage durch unterschiedliche Gerichtsentscheidungen zeigt mir, dass dieses Angebot richtig war“, betonte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger jüngst im VWheute-Sommerinterview.

Buchtipp: Betriebsschließungs- und Ausfallversicherungen.
Seit Sommer 2020 ergingen hunderte von Urteilen zu Klagen gegen Betriebsschließungs- und Ausfallversicherungen in der Covid-19-Pandemie. Die brandaktuelle Bestandsaufnahme (Juli 2021) von Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther bringt Ordnung in das vermeintliche Durcheinander von LG- und OLG-Entscheidungen; Urteilscluster zu den einzelnen AVB-Fassungen bündeln die Tendenzen. Björn Seitz und Sven-Markus Thiel liefern darüber hinaus praktische Lösungsansätze für Veranstaltungsversicherungen, die ebenfalls im Fokus juristischer Auseinandersetzungen stehen. Betriebsschließungs- und Ausfallversicherung in der COVID-19-Pandemie.

Wie notwendig die betroffenen Hotels und Gaststätten das Geld brauchen, zeigen aktuelle Zahlen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA): So mussten in Folge der Corona-Pandemie im Jahr 2020 rund 36,5 Prozent Umsatz einbüßen. In den Jahren zuvor ist der erwirtschaftete Umsatz stetig um etwa drei Prozent pro Jahr angestiegen, bis 2019 mit etwa 93,6 Mrd. Euro Jahresumsatz der bisherige Höchststand erreicht wurde. Das Gastgewerbe hat als einer der größten Verlierer der Corona-Krise etwa 34 Mrd. Euro verloren und kommt im vergangenen Jahr somit auf einen Umsatz von rund 59,5 Mrd. Euro. Besonders betroffen sind dabei die Beherbergungsbetriebe – hier hat sich der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr annähernd halbiert. Grund dafür sind neben den touristischen Beherbergungsverboten auch die Reisebeschränkungen der vergangenen Monate.

Quelle: Statista

Auch wenn die Betriebe aktuell wieder öffnen dürfen, herrscht weiterhin Angst vor einem neuen Lockdown. Zudem fehlt es den Betrieben an entsprechendem Personal. Nach Angaben von DEHOGA-Geschäftsführerin Sandra Weiden habe das Gastgewerbe im Vergleich zum April 2019 etwa 20 Prozent der Mitarbeiter verloren. „Wir werden bis zum Jahresende weitere Hilfen für die Betriebe brauchen“, fordert die Verbandsvertreterin gegenüber dem rbb-Inforadio.

„Kaum eine Branche war von den massiven Corona-Einschränkungen so hart betroffen wie das Gastgewerbe. Nach insgesamt neun Monaten Lockdown erholen sich die Betriebe nur langsam von den verheerenden Folgen der Pandemie.“

Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA)

Die Lage bleibt jedenfalls kritisch: Im Juni verzeichneten die Hotels und Restaurants Umsatzeinbußen von 35,7 Prozent im Vergleich zum Juni 2019. Das geht aus einer aktuellen Branchenumfrage hervor, die der DEHOGA Bundesverband am letzten Dienstag in Berlin veröffentlicht hat. In den Beherbergungsbetrieben sanken die Umsätze um 36,7 Prozent. In der Gastronomie weisen mit 29,8 Prozent die speisengeprägten Betriebe wie Restaurants, Imbisse und Eisdielen die geringsten Umsatzverluste auf. In der getränkegeprägten Gastronomie betragen die Einbußen überproportionale 41,9 Prozent. Am stärksten unter den Corona-Folgen leiden weiterhin das Eventcatering mit 72,9 Prozent sowie die Clubs und Diskotheken mit 88,8 Prozent.

„Von ganz zentraler Bedeutung ist es jetzt, dass die politisch Verantwortlichen im Bund und in den Ländern dafür Sorge tragen, dass unsere Betriebe dauerhaft geöffnet bleiben. Mehr denn je benötigt die Branche verlässliche Zukunftsperspektiven“, fordert DEHOGA-Präsident Guido Zöllick von der Politik. Zudem dürfe bei den Impfungen nicht nachgelassen werden. „Mit einer hohen Impfquote wird die beste Voraussetzung dafür geschaffen, einen erneuten Lockdown zu verhindern. Deswegen gilt es, noch mehr Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten“, so Zöllick.

Quelle: Statista

Übrigens: Wer für das Jahr 2021 trotzdem einen Luxusurlaub plant, findet deutschlandweit vor allem in Bayern eine große Auswahl an Hotels. Laut einer aktuellen Auflistung des DEHOGA befinden sich aktuell 23 Fünf-Sterne-Hotels in Bayern – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Auf Platz zwei steht Baden-Württemberg mit 17 klassifizierten Fünf-Sterne-Hotels, gefolgt von Schleswig-Holstein (zwölf) und Niedersachsen (elf). Die Alpen, die Natur und das Schloss Neuschwanstein machen Bayern zu einem beliebten Ziel für (Luxus-)reisen.

Autor: Tobias Daniel

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