Branchenpuls: Beitragsgarantien, Riester-Rente, Deutsche Bahn

Was lässt den Puls der Branche höher schlagen? Quelle: OpenClipart-Vectors auf Pixabay.

Der Wahlkampf geht langsam in die heiße Phase. Ein wesentliches Thema ist dabei die Zukunft der Altersvorsorge – insbesondere der Riester-Rente. Nun hat sich auch die Union praktisch vom staatlich geförderten Modell verabschiedet. Die Allianz hat unterdessen für einen weiteren Paukenschlag gesorgt.

Was bisher geschah …

Der Versicherungskonzern streicht in der betrieblichen Altersversorgung die volle Beitragsgarantie ganz und will die Garantien bis auf 60 Prozent senken. Die Allianz Lebensversicherung hat damit begonnen, über das neue Produktportfolio 2022 der Direktversicherungen zu informieren. Teilweise greifen die Regelungen schon 2021.

Die Beitragszusage mit Mindestleistung ist danach ein „Auslaufmodell“, was aufgrund der Absenkung des Höchstrechnungszinses zum 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozent absehbar war. Neue Gruppenverträge sind schon ab dem 1. Juli 2021 nicht mehr möglich, Einzelverträge werden noch bis Ende Juli 2021 angenommen. Für Nachmeldungen in bestehende Gruppenverträge gibt es eine Übergangsfrist bis Ende 2022. Mit mehr als 40.500 Klicks war die Entscheidung der Münchener das Topthema der letzten Woche.

Allerdings haben nicht nur die Beitragsgarantien in der Altersvorsorge offensichtlich keine Zukunft mehr. Auch die Riester-Rente scheint nun am Ende zu sein. Mit der CDU/CSU hat sich die nächste Partei von der Riester-Rente verabschiedet. Außer dem Votum-Verband  und dem BVK hat es niemand zur Kenntnis genommen, doch mit der CDU sind praktisch alle maßgeblichen Parteien vom millionenfach verkauften Produkt abgerückt. Eine Reform ist vom Tisch.

„Laut einer Untersuchung der Bürgerbewegung Finanzwende geht jeder vierte Euro, den ein Verbraucher bei Riester spart, für Gebühren und Verwaltung drauf. Viele Verbraucher haben der Riester-Rente daher längst den Rücken gekehrt – lange bevor die großen Anbieter wie jüngst die Fonds-Gesellschaft DWS ihren Ausstieg aus der Riester-Rente verkündet haben.“

Klaus Müller, Volkswirt und Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (VZBV)

„Am Ende sind die Geburtsfehler der Riester-Rente zu groß, als dass sie durch Reformen zu heilen wären. Um private Zusatzvorsorge zu einem Standbein der Alterssicherung zu machen, braucht es einen echten Neustart. Deutschland muss raus aus dem Versicherungsmantel und weg vom provisionsgetriebenen Vertrieb“, glaubt Volkswirt und VZBV-Vorstand Klaus Müller in einem Gastbeitrag für die die Welt.

Was diese Woche jeder wissen muss

Die Zukunft der Altersvorsorge dürfte auch auf der Mitgliederversammlung des Pensions-Sicherungs-Verein VVaG am Dienstag ein Thema sein. Laut Geschäftsbilanz 2020 ist der PSVaG in insgesamt 503 Sicherungsfällen (Insolvenzen) eintrittspflichtig geworden. Aus den Sicherungsfällen hatte der PSVaG insgesamt 48.100 Renten und Anwartschaften zu übernehmen. Dies ist die höchste Anzahl seit dem Krisenjahr 2009.

Das Schadenvolumen lag im Jahr 2020 mit 1.591 Mio. Euro deutlich über dem Schadenvolumen des Vorjahres (1.188 Mio. Euro). Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr ist im Wesentlichen auf die deutlich gestiegene Zahl an Großschäden von 17 auf 39 zurückzuführen. Dabei ist schon berücksichtigt und deshalb in der Bilanz nicht unmittelbar erkennbar, dass die Rückflüsse aus Insolvenzforderungen in Höhe von 124 Mio. Euro das Schadenvolumen reduzierten.

Für 2021 wird mit einem ähnlich hohen Schadenaufkommen wie im Jahr 2020 gerechnet. Für die genaue Entwicklung kann – so der PSVaG – derzeit, insbesondere wegen der Folgen durch die Corona-Pandemie auf die deutsche Wirtschaft, keine verlässliche Prognose abgegeben werden.

Etwas konkreter sind die Schätzungen des Kreditversicherers Euler Hermes: „Wir prognostizieren aktuell einen Anstieg der Insolvenzen um sieben Prozent in diesem und von bis zu 16 Prozent im kommenden Jahr. Allerdings muss man dabei auch sehen, dass dies ein Anstieg von einem sehr niedrigen Niveau ist. Ende 2021 werden es also sehr wahrscheinlich weiterhin weniger Insolvenzen sein als 2019, vor der Pandemie. Zudem beeinflussen staatliche Unterstützungsmaßnahmen auch den weiteren Verlauf“, konstatiert Deutschlandchef Ron van het Hof im heutigen Sommerinterview mit VWheute.

„Wer die neuen Risiken mutig angeht und nicht den Kopf in den Sand steckt oder sich in falscher Sicherheit wiegt, dass die Krise jetzt vorbei wäre, hat es selbst in der Hand, zu den Gewinnern zu gehören. Gerade im Aufschwung sollte jeder Unternehmer seine ganz individuellen Risiken neu bewerten und sich ständig neu darauf einstellen. Denn in Zukunft werden weiterhin Einschläge kommen, eventuell sogar noch heftiger oder in kürzeren Abständen.“

Ron van het Hof, Deutschlandchef des Kreditversicherers Euler Hermes

Weitere relevante Termine in dieser Woche: In den kommenden zwei Tagen beschäftigen sich führende Versicherungsmanager im Rahmen der MCC-Fachkonferenz „Künstliche Intelligenz“ mit dem Veränderungspotenzial der neuen Technologie für die Versicherungsbranche.

„Wer heute die Künstliche Intelligenz, wie es in einigen Bereichen noch zu vernehmen ist, als eine Bedrohung versteht, unterliegt einem schweren Irrtum. Vielmehr kann sie das Miteinander von Versicherungsunternehmen, Mitarbeitern, Partnern sowie Versicherungskunden und Maklern effizienter und effektiver gestalten. Das trifft auch auf die Beratung und den Vertrieb zu, wo es gerade darauf ankommt, den Kunden zu verstehen, seinen Bedarf genau zu analysieren und ihn daraufhin gezielt zu beraten.“

Walter Capellmann, Hauptbevollmächtigter der DELA Lebensversicherungen

Und dennoch: „KI-gestützte Beratungssoftware kann die Qualität der Beratung weiter verbessern und ermöglicht es Maklern und Vermittlern, sich auf ihre ureigene Kernkompetenz zu konzentrieren, die persönliche Beratung des Kunden – denn KI mag vieles ersetzen können, aber nicht die wichtige zwischenmenschliche Empathie, die es braucht, um auf individuelle Bedürfnisse und die  jeweilige Lebenssituation des Kunden eingehen zu können“, glaubt Walter Capellmann, Hauptbevollmächtigter der DELA Lebensversicherungen.

Was über die Branchengrenzen hinaus wichtig ist

Die Deutsche Bahn sorgt indes ebenfalls mal wieder für Schlagzeilen. Allerdings sind es in diesem Falle weniger defekte oder verspätete Züge. Vielmehr geht der Konzern nun auf eine Forderung seiner Kritiker ein und will die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Strecken beschleunigen. „Bundesweit planen wir mit zunächst 20 Strecken, in den kommenden Jahren folgen weitere Verbindungen“, sagte Jens Bergmann, Vorstandsmitglied bei der Bahn-Tochter DB Netz, in der vergangenen Woche. Demnach sollen innerhalb der nächsten zehn Jahre rund 245 Kilometer stillgelegte Bahnstrecken reaktiviert werden.

Quelle: Statista

Zum Vergleich: Zwischen 2000 und 2011 wurden rund 2.919 Kilometer Strecke reduziert, in den darauffolgenden Jahren waren es nochmals 177 Kilometer. Nun soll sich das etwa 33.399 Kilometer lange Schienennetz der Deutschen Bahn (Stand: 2020) um 20 Bahnstrecken erweitern. Die 20 Strecken befinden sich in nahezu allen Bundesländern, Schwerpunkte liegen im Raum Berlin und im Rheinland.

Allerdings dürften die neuerlichen Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) von den Auswirkungen der Coronakrise begleitet sein. Die GDL will nun in einer Urabstimmung über Arbeitsniederlegungen abstimmen, die dann im August beginnen könnten. „Es ist eine lange Zeit zum Nachdenken für die Teppichetage im Bahntower und auch für den Eigentümer“, betonte der Vorsitzende Claus Weselsky in Berlin.

Die Konkurrenzgewerkschaft EVG hatte schon im vergangenen Herbst einen Tarifabschluss unterschrieben, berichtet tagesschau.de. Ab Anfang 2022 erhalten die Beschäftigten 1,5 Prozent mehr Geld – wenig im Vergleich zu Tarifrunden in besseren Zeiten. Dafür sind bis Ende 2023 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.

Nach Ansicht von Bahnpersonalvorstand Martin Seiler sei die Gewerkschaft hingegen „auf einer Geisterfahrt unterwegs“ und würde das zarte Pflänzchen der wirtschaftlichen Erholung bei der Bahn mit ihrem Verhalten kaputtmachen. Dabei taxiert der Konzern seinen Verlust für 2020 auf 5,7 Mrd. Euro. Grund dafür sei die Corona-Krise und der damit verbundene Passagierrückgang.

Nutzten laut Zahlen des Statistischen Bundesamts 2019 noch 151 Millionen Fahrgäste den Eisenbahn-Fernverkehr, waren es im vergangenen Jahr nur noch 81,5 Millionen. Der Einbruch der Passagierzahlen um rund 46 Prozent bei unverändertem Angebot hat auch dafür gesorgt, dass die Schulden des Staatskonzerns auf über 30 Mrd. Euro gestiegen sind. Dabei rechnet der Konzern erst für 2022 wieder mit einem Gewinn.

Quelle: Statista

Bleibt natürlich noch der obligatorische Blick auf die Fußball-EM: Die Vorrunde ist überstanden, die deutsche Mannschaft trifft am Dienstag im Londoner Wembley-Stadion auf das Team von England – rund 55 Jahre nach dem berüchtigten Wembley-Tor im WM-Finale 1966 und 25 Jahre nach dem deutschen Sieg beim Elfmeterkrimi im Halbfinale der Europameisterschaft 1996. Zwar steht den Engländern mit 16 Siegen bei 36 Begegnungen einer mehr zu Buche, jedoch haben die Deutschen in den wichtigen WM-Spielen die Nase vorn.

Immerhin hat die englische Fußball-Legende Gary Lineker sein ebenso legendäres Zitat über die deutsche Mannschaft wohl nun überdacht: „Ich denke, ich muss das alte Zitat wohl in Rente schicken“, twitterte er nach der 0:1-Auftaktniederlage der deutschen Elf bei der EM gegen Weltmeister Frankreich.

Autor: Tobias Daniel

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