Montagskolumne mit Vermittler Klaus Hermann: Warum Vorstände deutscher Versicherer keine Ahnung haben
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Klaus Hermann ist Versicherungskaufmann und meinungsstark. Quelle: VWheute.

Schon beim Lesen der Überschrift bekommt vermutlich der eine oder andere Würdenträger unserer schönen Branche Schnappatmung und veranlasst im Affekt, dass mein Foto auf die Dartscheibe der Betriebskantine gepinnt wird, sagt Klaus Hermann. Warum er sie trotzdem gewählt hat, erklärt er in der heutigen VWheute-Kolumne.

Bei der Wahl der Headline habe ich mich von den Regeln und Mechanismen der gegenwärtigen Online-Portale und Social-Media-„Experten“ verleiten lassen. Regelmäßig lese ich hier in den Titulierungen, dass „die Allianz und Huk sich warm anziehen können“, „der klassische Vermittler verschwinden wird“ oder „Amazon den Markt bedroht“.

Ich habe schon lange die Lust verloren, meinen Puls mit erhöhter Frequenz auf diese Nachrichten reagieren zu lassen. Schon vor Jahren überschlugen sich vermeintliche Kenner der Assekuranz mit negativen Prognosen und Schreckensszenarien. Schlaumeier aller Couleur skizzieren fortwährend das Ende der Versicherungswelt wie wir sie kannten und servieren uns ein Menü der dunklen Prognosen.

Die Übernahme eines Großteils des Vertriebes durch Alexa und Co, den Untergang für denjenigen, der nicht ausnahmslos jede Nahrungsaufnahme per Facebook dokumentiert oder einfach nur die Info, dass man gerade 100 Mio. Euro eingesammelt hat, um gestandenen Versicherungsmaklern zukünftig ein wenig die Arbeit abzunehmen. Wie? Man zahlt denen dann ein Festgehalt.

Der Nährboden, der hier produzierten Verunsicherung lässt unzählige Coaches und Trainer wie aus dem Nichts entstehen, die mir in Online-Seminaren und „Boot Camps“ erzählen wollen, wie ich die nächsten Wochen überleben kann und wie der Verkauf im Jahr 2021 funktioniert. Ihre Inkompetenz untermauern diese Gurus dann mit „Copy and Paste“-Nachrichten auf LinkedIn, die noch nicht einmal dem QVC-Stammpublikum eine im Nanobereich messbare Körperreaktion entlocken könnte.

Dem Orchester Nosferatu mit einer Dauerkarte im Publikum sitzend, lauschen die Vorstände der Deutschen Versicherer dem Abgesang der bisherigen Welt. Sie lesen Studien, lassen den Markt beobachten, richten Working Garages und Innovationslabore ein, verpflichten Referenten mit Marktkompetenz, treiben die Digitalisierung voran. Sie identifizieren antiquierte Prozesse, stellen die Beschlüsse ihrer Vorgänger infrage und drehen das Personalkarussell. Und doch haben sie keine Ahnung.

Sie haben keine Ahnung wie unsere Branche, wie unsere Welt in fünf oder gar in zehn Jahren aussehen und funktionieren wird. Und jetzt kommt die Belohnung für alle beim Lesen der Überschrift sich echauffierenden Manager der wundervollen Versicherungsbranche, die bis zu dieser Stelle durchgehalten haben.

Sie können auch keine Ahnung haben, wie sich der Markt in den nächsten fünf Jahren entwickelt. Woher auch? Die Welt ist in der Umklammerung eines Virus, der Klimawandel wird uns zu sehr schnellen und radikalen Veränderungen unseres Lebens und Miteinanders zwingen, die Digitalisierung trifft auf immer mehr Cyberkriminalität und keiner ahnt, wo das endet. Wir leben in einer Epoche nie dagewesener, rasanter Erneuerungen. Börsenkurse, die wider jede Logik durch die Decke schießen und eine Kryptowährung, die keiner versteht, deren Handel allein mehr Energie verbraucht als die gesamten Niederlande, lassen an die Gier der „Börsenexperten“ auf dem Höhepunkt des neuen Marktes erinnern.

In dieser Phase ist es beruhigend zu sehen, dass die meisten Verantwortlichen der Versicherungsbranche besonnen, klug und mit Verstand agieren. Sie unternehmen eine Menge, von dem sie überzeugt sind, dass es uns das Überleben sichert. Davon ist eine Menge gut zu gebrauchen, einige Neuerungen landen auch in der Tonne.

Auch, wenn sie keine Ahnung haben können, von dem was in fünf Jahren ist. Die deutschen Vorstände machen eine Menge richtig. Unsere Branche ist in der Tat dabei, sich zu erneuern und man verspürt Rekordproduktionen der Kreativität. Die Assekuranz ist dabei, sich zu entstauben. Hier und da endet das schon bei der mutig entfernten Krawatte zum Anzug oder mit dem „Du“ auf der Bühne. Bei den meisten Unternehmen geht es viel weiter, es ist etwas zwischen Mondlandung und Silicon Valley. Als Vermittler bin ich mittendrin, optimistisch und gespannt auf das, was kommt.

Zum Autor: Klaus Hermann ist Versicherungskaufmann aus Leidenschaft. Nebenbei ist er Buchautor, Comedian, Besieger von Stefan Raab und vieles mehr. Für die Montagskolumne auf VWheute schaut er aus Sicht eines Vermittlers auf die Branche.

Buchtipp: Ich bin kein Klinkenputzer – Eine Liebeserklärung an die Versicherungsbranche – erschienen beim Verlag Versicherungswirtschaft.