Stimmrechtsberater ISS sträubt sich gegen neues Vergütungssystem für Allianz-Vorstände

Niederlassung der Allianz Deutschland in der Hamburger City Nord. Bildquelle: lk

Der einflussreiche Stimmrechtsberater Institutional Shareholder Services (ISS) stört sich am modifizierten Vergütungssystem für die Allianz-Vorstände und rät den Anteilseignern, die geplante Neuregelung auf der Hauptversammlung am 8. Mai abzulehnen. Auf Kritik stoßen vor allem die Ideen der Münchner zu den Pensionszahlungen, die aus Sicht von ISS zu hoch ausfallen. Die Allianz hält in einem Brief an ihre Aktionäre dagegen.

Im Zentrum der Kritik steht die Altersversorgung des Top-Managements. ISS schreibt in seiner Empfehlung (liegt VWheute vor), dass die Pensionsbeiträge in Höhe von 50 Prozent des Grundgehalts „im Kontext der allgemeinen europäischen Praxis überhöht“ seien. Dies betreffe nicht nur die Höhe der Beiträge, sondern auch deren strukturelle Einbindung in das Vergütungssystem​.

Wörtlich heißt es in dem Bericht: „Ein Nein zur Vergütungspolitik (Tagesordnungspunkt 7) ist gerechtfertigt, weil die Pensionsbeiträge bei 50 Prozent des Grundgehalts bleiben, was im europäischen Vergleich als überhöht gilt.“

Zudem bestehen laut ISS „weitere Bedenken, insbesondere in Bezug auf die Stringenz der langfristigen variablen Vergütung (Long Term Incentives, LTI)“​. Demnach ermögliche die Ausgestaltung des Long-Term-Incentive-Plans selbst dann Auszahlungen, wenn die Aktienperformance der Allianz „bis zu 50 Prozent unter dem Benchmark-Index“ liege, so der Bericht der US-Amerikaner. Dies sei nach Einschätzung von ISS „nicht anspruchsvoll genug“​.

Die Stimmrechtsberater bemängeln darüber hinaus, dass im Rahmen des LTI-Systems keine verpflichtende Haltefrist für Aktien nach Auszahlung vorgesehen ist. Auch die Möglichkeit zur nachträglichen Aufwärtsanpassung bei der Zielerreichung – im Fachjargon „discretion upwards“ – wird kritisch gesehen. Diese sei im Geschäftsjahr 2024 bei allen Vorständen angewendet worden und könne die Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit der Vergütung untergraben​, so die Kritik.

CEO Oliver Bäte verdiente 2024 laut Allianz-Geschäftsbericht insgesamt 10,23 Mio. Euro (siehe Grafik). Davon entfielen 2,01 Mio. Euro auf das Grundgehalt. Hinzu kamen 4,85 Mio. Euro für variabel langfristige Vergütungen, ein Jahresbonus von 2,30 Mio. Euro und knapp 1,07 Mio. Euro für Pensionsaufwendungen. Letztere entspricht laut ISS dem Fünffachen des Vergleichsmedians, der sich auf die Vergütung von Chefs vergleichbarer Unternehmen stützt.

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Quelle: Geschäftsbericht 2024 Allianz Group

Die Allianz hält die Kritik der Stimmrechtsberater für ungerechtfertigt. In ihrem Schreiben an die Aktionäre betont das Unternehmen, dass die Pensionsbeiträge Teil der Maximalvergütung seien und sich im horizontalen Dax-Vergleich im 75. Perzentil bewegten – während die Allianz bei Umsatz und Marktstellung im 91. Perzentil liege. Es sei zudem eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass Vorstände in ein betriebliches Altersversorgungssystem eingebunden seien, das auch für Mitarbeiter gelte.

Dass die Allianz auf ihre Rolle als führender Anbieter betrieblicher Altersversorgung verweist, lässt ISS nicht gelten: „Die Argumentation des Unternehmens wird zur Begründung nicht mehr als überzeugend angesehen, angesichts der sich wandelnden Marktpraktiken“, heißt es. So hätten sich inzwischen viele deutsche Unternehmen von überproportionalen Versorgungszusagen verabschiedet oder diese deutlich zurückgefahren – üblich sei heute ein Beitrag von zehn bis 30 Prozent des Grundgehalts.

Beim Thema LTI sieht sich der Münchner Konzern im Einklang mit internationalen Standards. Die Bonuskurve führe dazu, dass eine 10-prozentige Underperformance zu 20 Prozent weniger Auszahlung führe. Zudem sei der Aufsichtsrat befugt, „die Auszahlung bis auf null zu reduzieren“ – eine Erhöhung sei ausgeschlossen. Dies diene der Risikokontrolle und der langfristigen Steuerung, argumentiert die Allianz.

Ob sich diese Argumentation durchsetzt, ist offen. ISS hat zwar die Annahme des Vergütungsberichts (TOP 6) empfohlen, verweist dabei aber explizit darauf, dass es „nicht gerechtfertigt“ sei, dem überarbeiteten Vergütungssystem zuzustimmen. Die Allianz jedenfalls zeigt sich überzeugt: „Die Gesamtvergütung ist ganzheitlich betrachtet ausgewogen“, heißt es. Ihre Aktionäre ruft sie dazu auf, bei der Abstimmung die „relevanten Zusatzinformationen in Erwägung zu ziehen“.

Sofern die Aktionäre der Allianz das überarbeitete Vergütungssystem nicht durchwinken sollten, läge der Plan wieder auf dem Tisch des Aufsichtsrats. Allseits bekannt ist, dass vor allem angelsächsische Investoren bei Hauptversammlungen dem Rat von Stimmrechtsberatern wie ISS und Glass Lewis folgen.

Dass ein Appell von ISS für Durchschlagskraft bei den Aktionären sorgen kann, zeigte der Widerstand der Organisation im Zuge der Wiederwahl des amtierenden Munich-Re-Aufsichtsratschefs Nikolaus von Bomhard im vergangenen Jahr. Dieser wurde zwar nicht von der Spitze des Kontrollgremiums gestoßen, bekam aber verhältnismäßig wenige Stimmen von den Aktionären: Nur 72,5 Prozent der vertretenen Aktionäre stimmten auf der Hauptversammlung im April 2024 für die Wiederwahl des ehemaligen und langjährigen CEOs der Munich Re. Die anderen Gewählten kamen auf deutlich höhere Werte zwischen knapp 90 Prozent und knapp 100 Prozent.

ISS hatte die Praxis moniert, wonach Spitzenmanager am Ende ihrer operativen Laufbahn oft in den Aufsichtsrat eines Unternehmens wechseln. Dadurch fehle die Unabhängigkeit. Von Bomhard war von 2004 bis 2017 CEO des Rückversicherers.

Autor: Lorenz Klein

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