Das hat Folgen: Blackrock-Studie zeigt epochale Änderungen bei der Kapitalanlage von Versicherern

Staatlich-privates Partnerschaften auf dem Vormarsch. Bild von Gerd Altmann auf Pixabay.

Die Versicherer denken bei der Kapitalanlage um. Das hat entscheidende Auswirkungen auf den Finanzmarkt, wie eine weltweite Studie des größten Vermögensverwalters Blackrock zeigt, die ihresgleichen sucht. Für VWheute hat sich Marcus Severin, Managing Director, Head Insurance Asset Management Germany/Austria/EE bei BlackRock, Zeit genommen und führt durch die Studie. Er gibt exklusive Einblicke zum deutschen Markt, die in der Untersuchung nicht genannt werden.

In der Studie 2020 Global InsuranceReport wurden keine halben Sachen gemacht, 360 Senior Exekutives in 25 Märkten wurden befragt, diese repräsentieren ein Assest under Management von mehr als 24tn US-Dollar, wohl etwa drei Viertel der weltweiten Kapitalanlagen von Versicherern. Es hat also Gewicht, wenn die Versicherer erklären, dass sie in ihren Anlagen mehr Risiko wagen werden. Interessanterweise ist speziell in Europa der Risikohunger besonders stark und mit 47 Prozent höher als in Asien.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

Das hat Gründe, wie Severin im Gespräch erklärt. Der wesentliche Punkt sind die Niedrigzinsen, doch gleichzeitig wollen die Versicherer auch den digitalen Wandel gestalten.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

Das kostet Geld, denn es muss „zweigleisig gefahren werden“. Auf der einen Seite bedarf es Investments in digitale Lösungen, auf der anderen Seite ist der (alte) direkte Vertrieb nicht wegzudenken. Die Versicherer stecken in einem Dilemma, das Dai-ichi Life’s CIO, Kazuyuki Shigemoto auf den Punkt bringt. „Die japanischen Versicherer haben den digitalen Weg versucht, aber die überwiegend ältere Kundschaft legt Wert auf den persönlichen Kontakt. Es ist schwierig, sich digital neu aufzustellen und gleichzeitig die nötigen Ressourcen der alten Vertriebswelt bereitzustellen.“ Dennoch sei sein Unternehmen ohne Digitalisierung nicht in der Lage, die Kunden der Zukunft „an sich zu binden“. Investitionsbedarf ist vorhanden, die Versicherer sehen den Wandel.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

Ähnlich ist es hierzulande, die Versicherer befinden sich in einer Lage zwischen nötiger Erneuerung und einträglichem „Alt“-Geschäft. Dieser Spagat in Verbindung mit den Niedrigzinsen zwingt die Versicherer dazu, bei der Kapitalanlage höhere Risiken einzugehen, erklärt Severin. Dennoch sieht er, wie auch die Versicherungen selber,in den Vertrieben, insbesondere bei der Ausschließlichkeit, „enormes Sparpotenzial“. Vielleicht müsse man die Netze hierzulande „etwas ausdünnen“, einige Versicherer seien bereits tätig geworden.

Abschmelzen der Fleischtöpfe

Der Vermögensverwalter zeigt in der Studie, dass ein langsam voranschreitender, aber epochaler, Wechsel in den Anlagepolitik stattfindet.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

Es findet ein Abschmelzen der Fixed-Income-Anlagen zugunsten der Alternative Assets statt, zeigt die Studie.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

Der Aktienanteil bleibe gering, aber es werden Cash-Positionen aufgebaut, um bei sich bietenden Marktchancen flexibel zu sein. Die Barbestände sind aber eher ein Produkt der genannten Anleiheschmelze, erklärt Severin. „Die Versicherer verkaufen Anleihen und können das erhaltene Geld nicht direkt in andere Märkte, speziell Alternative Investments, investieren und bauen somit Barvermögen auf.“ Es handle sich um „Park-Positionen“, denn wegen der niedrigen Zinsen sei eine schnelle Neuanlage nicht zwingend notwendig.

Die Versicherer haben sehr konkrete Vorstellungen davon, in was die investieren möchten.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

In Deutschland, die Grafik oben zeigt den weltweiten Stand, seien insbesondere die Bereiche „Infrastructure“ und „Direct Lending“, also etwa Unternehmensanleihen im Mittelstandsbereich, „seit Jahren stark ausgeprägt“, erklärt Severin. Das überrascht nicht, der Mittelstand ist in Deutschland kernig, was auch Blackrock weiß. Der Vermögensverwalter hat über eine Mrd. Euro in diesen Bereich investiert.

Zu viel Nachfrage und Pandemie

Die befragten Versicherer verwalten US$24tn. Bei einer Teilabschmelzung und Reinvestition in Alternative Assets entsteht zwangsläufig ein Nachfrageüberhang, der die Renditen sinken lässt. Das klassische Modell von Angebot und Nachfrage, wie Severin bestätigt. Doch der Markt der Alternatives „wachse stetig“, auch, weil sich viele Staaten aus Infrastrukturinvestments zurückziehen. Auf lange Sicht sieht Severin einen größeren Teilmarkt Alternatives, der das Kapital der Versicherer absorbieren und  ausreichend verzinst wiedergeben kann. „Der Markt der alternative Assets“ kann das, ist er sich sicher.

Die Studie wurde im Juni und Juli dieses Jahres durchgeführt, vielleicht ein Grund, dass Corona kein so großes Thema war. Lediglich an fünfter Stelle liegen Epidemien in der Risikoeinschätzung der Unternehmen weltweit – ebenso bei einer rein eurozentrischen Sicht.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

Es wäre interessant zu sehen, wie es die Versicherer Corona vor dem Hintergrund weiterer Lockdowns in Deutschland und Frankreich bewerten.

Weiterhin gibt es einen globalen Trend hin zur Plattform und zum Homeoffice. Die Versicherer sehen an dieser Stelle einen Wandel der bisherigen Vertriebs- und Arbeitslandschaft.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

Doch speziell das Arbeiten im Homeoffice bewerten viele Versicherer auch als Gefahr, speziell im Bereich des Risiko-Managements, wie die Grafik über die globalen Unternehmen zeigt.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

In Deutschland wird die Bedrohung geringer eingeschätzt, offenbar vertrauen die Versicherer ihren Prozessen und Mitarbeitern stärker, analysiert Severin. Die Grafik untern zeigt, dass im Europa die Sorge größer ist, dass sich die Ideenfindung vom Home-Office aus schwieriger gestaltet.

Quelle: 2020 Global InsuranceReport von Blackrock

Nachhaltigkeit macht Sinn

Wohl kein Thema ist derzeit so aktuell wie die Anlage nach ESG-Kriterien, also Environment, Social und Governance. Das ist auch keine Modeerscheinung oder Imagekampagne der Finanzunternehmen, wie Severin klarstellt.

Im Grunde ließe sich der Aspekt auf die Frage reduzieren, in was Anleger künftig investieren wollen. „Sehen sie eher Chancen in neuen Energien und Technik oder einer „Öl-Dreckschleuder“, fragt der Experte. Die Finanzindustrie, inklusive Blackrock, wolle den Wandel nach den ESG-Kriterien mitgestalten.

Unterstützung für seine Sicht erhält er von Guido Fürer, Chief Investment Officer der Swiss Re: „Das Investieren nach ESG-Kriterien ist ökonomisch sinnvoll. Es liefert auf längere Sicht bessere, risikojustierte Erträge und gleichzeitig in hochvolatilen Zeiten einen Anlageschutz.“

Das bedeutet was

Das Fazit ist bei einer so umfangreichen und guten Studie nicht einfach, es konnten nicht alle Punkte und schon gar nicht in der nötigen Tiefe angesprochen werden. Das Wesentliche ist der steigende Risikoappetit der Versicherer in Verbindung mit der Umschichtung vom Anleihe- in den alternative Investments-Topf, immer mit dem Blick auf ESG-Kriterien. Dieser bereits eingesetzte Wandel wird den Finanzmarkt umstülpen. Die Umschichtung ist nötig, denn Niedrigzinsen und die Digitalinvestments belasten die Versicherer. Die Unternehmen müssen sich trotz gut laufendem Geschäft auf den kommenden digitalen Wandel in Vertriebs- und Marktoptionen, Stichwort: Plattform, vorbereiten. Die nächsten Jahre auf dem Finanzmarkt werden spannend, auch weil die Niedrigzinsen bleiben werden. Es ist laut Severin gerade wegen der coronabedingten Neuverschuldung „illusorisch“, dass sich in den nächsten Jahren daran etwas ändert.

Autor: Maximilian Volz

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