Mehr Sicherheit für die deutschen Sicherungsfonds Protektor und Medicator

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Das Bundeskabinett hat am 29. Juli 2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2019/878 und (EU) 2019/879 zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor (Risikoreduzierungsgesetz – RiG) beschlossen. Das Risikoreduzierungsgesetz dient der Umsetzung des EU-Bankenpakets aus dem Jahr 2019. Es enthält Maßnahmen zur weiteren Reduzierung der Risiken im Bankensektor und zur Stärkung der Proportionalität.

Das Risikoreduzierungsgesetz enthält darüber hinaus Änderungen im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) mit Verbesserungen der Vorschriften zur gesetzlichen Einrichtung von Sicherungsfonds. Die Sicherungsfonds (Protektor für den Lebensversicherungsbereich, Medicator für die Krankenversicherung) haben eine hohe Bedeutung für den Schutz der Belange der Versicherten. Schon im Entwurf zum LVRG II (April 2019) hatte das BMF diese Änderungen adressiert. Nun wird ein neuerlicher Umsetzungsversuch unternommen.

Der Regierungsentwurf enthält u.a. folgende Veränderungen für Sicherungsfonds:

  1. Aus Sicht der Versicherten ist am wichtigsten die Klarstellung des Verhältnisses von § 314 Abs. 2 zu § 222 Abs. 2 VAG, also der Frage, ob erst nach Ausschöpfung der Möglichkeit von Leistungskürzungen der Verträge eine Übertragung des Versicherungsbestands auf Protektor erfolgen kann. Die Gesetzesänderung zielt auf eine Gleichwertigkeit beider Maßnahmen ab. Die BaFin als Aufsichtsbehörde entscheidet, welche Maßnahme zur Wahrung der Belange der Versicherten am sinnvollsten ist. Die Gesetzesbegründung lautet: „Ausgehend von der bisherigen Formulierung des § 222 Absatz 2, wonach die Bestandsübertragung anzuordnen war, sofern keine anderen Maßnahmen zur Wahrung der Belange der Versicherten ausreichend sind“, wurde teilweise in der Rechtsliteratur die Ansicht vertreten, die „Leistungskürzung“ nach § 314 Absatz 2 sei eine „andere Maßnahme“ in diesem Sinne und darum vorrangig zu nutzen. Mit der vorliegenden Änderung wird verdeutlicht, dass die Leistungskürzung nach § 314 Absatz 2 und die Anordnung der Übertragung auf den Sicherungsfonds nach § 222 A satz 2 als aufsichtliche Handlungsinstrumente gleichwertig nebeneinanderstehen. Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde, welches dieser Handlungsinstrumente sie nutzt, orientiert sich an den Belangen der Versicherten.
  2. Bei der Regelung zur möglichen Kürzung der garantierten Leistungen der vom Sicherungsfonds verwalteten Versicherungsverträge um maximal fünf Prozent werden der Vergleichspunkt klargestellt. Die Gesetzesbegründung hierzu lautet: „Übersteigt der bei dem Sicherungsfonds für die Lebensversicherer nach § 222 Absatz 4 Satz 2 festgestellte Finanzierungsbedarf die Mittel des Sicherungsfonds gemäß § 226 Absatz 3 und 5, hat die Aufsichtsbehörde nach § 222 Absatz 5 Satz 1 die garantierten Leistungen aus den übernommenen Lebensversicherungsverträgen herabzusetzen. Die Änderung stellt nunmehr klar, dass bei diesem Vergleich auf das zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vorhandene Sicherungsvermögen nach § 226 Absatz 3 und nicht auf den Soll-Stand des Sicherungsvermögens nach § 226 Absatz 4 abzustellen ist. Sollten die Mittel des gesetzlichen Sicherungsfonds in einem Sicherungsfall auch nach Kürzung der vertraglich garantierten Leistungen um 5 Prozent für eine Sanierung nicht ausreichen, stellt die Lebensversicherungsbranche unter den Voraussetzungen und nach näherer Maßgabe einer freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung weitere Finanzmittel bereit.
  3. Der Schutz des Sicherungsfonds wird konkretisiert. Er erfasst Erstversicherungsverträge und nicht aktive Rückversicherungsverträge. In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass der Begriff Erstversicherungversicherungsverträge weit gefasst ist: „Dabei sind insbesondere die Kapitalanlage in Lebensversicherungsverträge gem. § 17 Absatz 1 Nummer 5 Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung (PFAV) (ggf. auch in Verbindung mit § 34 PFAV) und § 3 Absatz 3 Satz 1 Gesetz über die Versorgungsausgleichskasse sowie bei Lebensversicherungsunternehmen abgeschlossene Verträge zur Rückdeckung von Altersversorgungsleistungen weiterhin als Erstversicherungsverträge zu werten.“
  4. Durch die Gesetzesänderung wird  Sicherungsfonds die Möglichkeit eingeräumt, in die bestehenden passiven Rückversicherungsverträge einzutreten, die das Unternehmen, dessen Versicherungsbestand auf den Sicherungsfonds gemäß § 222 Absatz 2 übertragen worden ist, abgeschlossen hat. Dieses Eintrittsrecht fördert aufgrund der möglichen Bedeutung von Rückversicherungsverträgen für die wirtschaftliche Entwicklung des Versicherungsbestandes die Sanierungsmöglichkeit durch den Sicherungsfonds und dient damit dem Schutz der Versicherten. Zugleich wird der betroffene Rückversicherer durch das Eintrittsrecht nicht unverhältnismäßig belastet, da hiermit keine zusätzlichen Pflichten für den Rückversicherer verbunden sind. Vielmehr wird der Rückversicherer nur dazu verpflichtet, seine vertraglich bestehenden Pflichten auch gegenüber dem Sicherungsfonds als neuem Gläubiger einzuhalten. Der Sicherungsfonds kann entscheiden, ob und in welche Rückversicherungsverträge er eintreten will.
  5. Die Gesetzesänderung zielt auch auf die Anforderungen an die Organisation und Geschäftsführung (Governance) des Sicherungsfonds und dessen Beaufsichtigung durch die BaFin. Dazu gibt es zahlreiche Änderungen, die den Sicherungsfonds sehr nahe an die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen heranrücken.

Fazit

Nach der Reform des Pensions-Sicherungs-Verein (PSV), bei dem nun erstmals auch Pensionskassenversorgungen unter bestimmten Bedingungen durch den PSV geschützt sind, wird nun durch die vorgeschlagenen Änderungen offenkundig auch die Sicherungsfonds „wetterfest“ gemacht für den Fall, dass erstmalig Bestände übertragen werden. Auch die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde (EIOPA) hat sich in Form eine Konsultation Mitte 2019 zur Notwendigkeit der Verbesserung und Harmonisierung der Sicherungssysteme in Europa geäußert. Die deutschen Vorgaben für Sicherungsfonds erfüllen in vielen Punkten schon die dort aufgestellten Forderungen.

Autor: VW-Redaktion

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