Ergo-CDO Mark Klein: „Digitalisierung wird Job-Transformator und kein Job-Killer sein“

Mark Klein, CDO bei Ergo. Quelle: Ergo.

Digitalisierung soll Kunden und Versicherungsmitarbeitern helfen. Diese Botschaft ist Ergo-CDO Mark Klein wichtig, der Ruf nach mehr Digitalisierung komme aus dem Unternehmen heraus und sei kein Job-Schredder. Wie er Corona für mehr Fortschritt nutzen will und warum Fortschritt vor allem Einstellungssache ist, erklärt er im Exklusiv-Interview mit VWheute. Weiter- und Querdenker im Unternehmen will er fördern.

VWheute: Sehen Sie eine Digitalisierungsbeschleunigung durch Corona und wie wollen Sie dieser personell begegnen?

Mark Klein: Corona ist trotz aller Umstände in Sachen Digitalisierung auch eine unerwartete Chance: Diese schafft die Notwendigkeit, Digitalisierung weiter umzusetzen und zu verdichten. Das haben wir genutzt und auf das hieraus entstandene Momentum bauen wir. Anwendungen wie Phone- oder Chatbots und Technologien wie Artificial Intelligence (AI) und Robotics Process Automation (RPA) rücken so noch stärker in den Fokus.

Dabei geht es uns in erster Linie um die Entlastung der Mitarbeiter durch die Automatisierung von repetitiven Tätigkeiten. Die Mitarbeiter, die diese Projekte auch mitbetreut haben, können sich nun wertschöpfenderen und anspruchsvolleren Arbeiten widmen. Der Wunsch nach Automatisierung kommt im überwiegenden Fall aus den Fachbereichen selbst, unser Backlog ist prall gefüllt, die Akzeptanz bei der Belegschaft klar vorhanden. Und auch der Betriebsrat unterstützt den technologischen Wandel ausdrücklich.

Corona als Digitalisierungsbeschleuniger hat aber auch noch andere Folgeerscheinungen. Ich denke hier vor allem an das Thema „New Way of Work“, dass in dieser Breite so sicher nie in die Unternehmen Einzug gehalten hätte. Home-Office ist keine Besonderheit mehr, es ist vielmehr das derzeit oft zitierte „New Normal“. Weniger Präsenzmeetings und dafür passgenaue und effiziente Telefon- und Videokonferenzen bis hin zu neuen Ansätzen für Virtual Reality (VR)-Konversationen mit Avataren schaffen ein neues Gemeinschaftsgefühl. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Vereinbarkeit von Beruf & Familie, die in diesem Zusammenhang unabdingbar ist und Normalität erfährt. Das ist ein sehr direkter Erfahrungswert, den ich als dreifacher Familienvater aus dieser Zeit mitnehme.

VWheute: Welche Positionen und Fähigkeiten werden in Zukunft verstärkt gebraucht, welche eher obsolet?

Mark Klein: Weiter- und Querdenker hat es bei uns stets gebraucht, daran wird sich auch zukünftig nichts ändern. Nur so entwickeln wir uns stetig weiter, hinterfragen und finden uns aktuell auch in dieser erfolgreichen Position wieder. Konkret heißt das für den von mir verantworteten Technologiebereich: Digitale Fähigkeiten gepaart mit exzellenter Kundenorientierung und das auf einem befähigenden Fundament in Form von versicherungsspezifischem Fachwissen.

Dabei reichen die Positionen von Data Analysten über Online-Marketing-Experten bis hin zu Scouts, die sich mit neuen Geschäftsmodellen und weltweiten Startup-Kooperationen befassen. Digitalisierung wird am Ende des Tages kein Job-Killer sein, sondern vielmehr die Gestalt eines Job-Transformators annehmen. Und hierbei werden sich meines Erachtens insbesondere die Skill-Sets der Mitarbeiter verändern, weniger die Positionen an sich.

VWheute: Wie wollen Sie Fachkräfte für sich gewinnen?

Mark Klein: Natürlich nutzen auch wir die gesamte Klaviatur des Recruitings. Wir stehen in engem Austausch mit Hochschulen, präsentieren uns auf Messen und Veranstaltungen. Ich habe jedoch auch sehr gute Erfahrungen mit Word-of-Mouth gemacht: exzellente Kollegen ziehen ebensolche an. So haben sich ganze Teams über Weiterempfehlungen zusammengefunden, die Ergo vor allem in komplexen Digitalisierungsprojekten spürbar nach vorne bringen.

VWheute:  Welche digitale Vision verfolgen sie?

Mark Klein: Meine digitale Vision wäre das nächste Amazon oder Netflix der Versicherungsbranche zu erfinden. Das dann aber nicht in Amerika, sondern gerne hier vor der Haustüre! Neben den extrem spannenden und sehr zukunftsgerichteten, strategischen Stoßrichtungen verfolgen wir natürlich auch pragmatische, in Umsetzung befindliche Ziele: Hierzu hat Ergo den Fokus etwa auf die Erweiterung der Kundenkanäle (Omnikanalfähigkeit), Self-Services und die Diversifizierung des Online-Portfolios gelegt.

Zudem wurde mit Nexible ein rein digitaler Versicherer aufgebaut und erfolgreich am deutschen Markt platziert, um preissensitive und Self-Service begeisterte Interessenten abzuholen. Auch sieht der Kunde die Notwendigkeit eines Versicherungsproduktes stets besser im Kontext des tatsächlichen Bedarfs. Deshalb geht es uns auch immer um eine gekonnte, barrierefreie Integration in digitale Ökosysteme. Erfolge verbuchen wir hier beispielsweise über Versicherungsdienstleistungen, tief eingebettet in die Mobilitätsservices bekannter Automobilkonzerne, wie etwa die kürzlich eingegangene Kooperation mit Great Wall Motors in China.  

Zu bedenken ist stets: Bei allen Dienstleistungen, Services und Kontaktpunkte müssen die Prozesse Hand in Hand laufen und dem Kunden stets das Gefühl eines positiven Gesamterlebnisses bieten.

VWheute: Wie soll Ihr Unternehmen personell und technisch in fünf Jahren aufgestellt sein?

Mark Klein: So automatisiert wie sinnvoll. Dabei automatisieren wir nicht um ihrer selbst willen, sondern verfolgen einen sehr klaren Zielekanon: Hier geht es zum einen um die Stärkung des hybriden Kundenansatzes durch die Entlastung der Agenturen und Innendienstmitarbeiter um administrative Tätigkeiten und den Einsatz von neuen Technologien und Serviceangeboten mit dem Ziel höchster Kundenzufriedenheit.

Zum anderen wollen wir die Integration und den Aufbau digitaler Ökosysteme weiter vorantreiben, so etwa im Bereich Mobility. Ein weiterer Baustein ist die Etablierung unseres rein digitalen Versicherers Nexible in weiteren, wachstumsstarken Märkten. Und last but not least geht es darum, den Anker für die Verinnerlichung und Akzeptanz unseres digitalen Transformationsprozesses bei allen Ergo Mitarbeitern zu setzen. Das beinhaltet neben der Entmystifizierung neuer Technologien auch eine ganzheitliche, digitale Denke: Digitalisierung ist eine Geisteshaltung, die im gesamten Unternehmen gelebt werden muss!

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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