Versicherern drohen hohe Kosten: Sturmtief „Bernd“ sorgt für massive Schäden

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Sommer sieht eigentlich anders aus: Erst im Juni haben Unwetter mit heftigem Starkregen und Hagel erhebliche Kosten für die Versicherer verursacht. Sturmtief „Bernd“ könnte dieses Jahr nun zu einem der schadenträchtigsten in der Geschichte machen.

Vor allem Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind derzeit besonders stark von den Unwettern betroffen. Behördenangaben zufolge sind bereits mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen. Zudem werden zahlreiche Menschen noch immer vermisst. Einige Talsperren drohen überzulaufen oder zu brechen.

Auch die Deutsche Bahn meldete Verspätungen und Zugausfälle. Demnach seien mehrere Strecken nicht befahrbar, etwa der Abschnitt Köln-Wuppertal-Hagen, die Strecke Köln-Koblenz über Bonn sowie der internationale Fernverkehr von und nach Brüssel. Auch mehrere Autobahnabschnitte sind von den Unwettern betroffen, darunter die A1 zwischen Leverkusen und Burscheid, die A44 im Kreuz Düsseldorf, die A61 auf mehreren Abschnitten sowie die A553 bei Brühl.

„Es ist eine Katastrophe. Es gibt Tote, Vermisste und viele, die noch immer in Gefahr sind.“

Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach sich wegen der Hochwasserkatastrophe dafür aus, sich künftig besser auf Extremwetterereignisse einzustellen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet forderte weltweit mehr Tempo beim Klimaschutz. Die zunehmenden Starkregen- und Hitzeereignisse seien mit dem Klimawandel verbunden, so der CDU-Bundesvorsitzende.

„Der Klimawandel ist in Deutschland angekommen. Die Ereignisse zeigen, mit welcher Wucht die Folgen des Klimawandels uns alle treffen können.“

Svenja Schulze (SPD), Bundesumweltministerin

Was kommt auf die Versicherer zu?

Bereits jetzt ist absehbar, dass die Schäden durch die Unwetter in die Millionenhöhe gehen dürften. Wie viel allerdings davon versichert sind, ist allerdings noch nicht abschätzbar. „Es zeichnet sich ab, dass sich dieses Jahr mit Stürmen, Überschwemmung, Starkregen und Hagel zu einem der schadenträchtigsten seit 2013 entwickeln könnte. Bereits im Juni haben Starkregen und Hagel einen geschätzten versicherten Schaden von 1,7 Mrd. Euro verursacht. Eine aktuelle Schadenschätzung werden wir voraussichtlich in der nächsten Woche vorliegen haben“, betont GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Ähnlich sehen es auch die Versicherungskonzerne selbst: „In unserem Geschäft mit Privat- und Firmenkunden sowie im Geschäft mit Industriekunden laufen für das aktuelle Unwetter ständig neue Schadenmeldungen ein. Es ist deshalb zu früh, über die Anzahl und die Höhe etwas zu sagen oder die Schäden zu bewerten“, heißt es bei der Talanx-Tochter HDI.

Auch die Munich Re hält sich mit einer Schadenschätzung noch zurück: „In Mitteleuropa hat es im Frühsommer 2021 zahlreiche Schwergewitter und Starkregenereignisse gegeben. Dabei entstanden teils beachtliche lokale Schäden. Das Ausmaß der Schäden fügt sich in die Beobachtung der vorangegangenen Jahre ein. Über die letzten zehn Jahre beobachteten wir immer wieder intensive konvektive Ereignisse. Das sind Gewitter mit lokal großen Regenmengen oder Hagel“, erläutert ein Unternehmenssprecher.

„Die über die Zeit gestiegenen Schäden sind zunächst vor allem auf sozioökonomische Veränderungen zurückzuführen. Das heißt, in den betroffenen Gebieten steigt die Dichte und der Wert von Immobilien und Infrastruktur, den sogenannten Exposures. Eine Studie unter Beteiligung von Munich Re hat gezeigt, dass der Klimawandel bereits zu erhöhtem Risiko für Gewitter und Hagel führt. Zudem ist sich die Wissenschaft einig, dass in einer durch den Klimawandel wärmeren und feuchteren Atmosphäre die Intensität von Starkregenereignissen steigt. Besonders starke lokale Auswirkungen gab es z. B. im Jahr 2016 mit schweren lokalen Überschwemmungen in Süddeutschland in Braunsbach und Simbach“, heißt es beim Rückversicherer weiter.

Nicht alle Häuser sind versichert

Ein weiteres Problem: Laut einer Analyse des GDV aus dem Jahr 2020 sind in Deutschland lediglich 43 Prozent der Gebäude gegen Naturgefahren wie Hochwasser und Überschwemmung versichert. Während in Baden-Württemberg 94 Prozent der Gebäude umfassend gegen Naturgefahren versichert sind, sind es in Bremen gerade einmal 23 Prozent. Die hohe Versicherungsdichte in Baden-Württemberg hat historische Gründe: Bis zum Jahr 1993 bestand hier eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden.

Allerdings gibt es auch deutliche regionale Unterschiede: So hat die bergische Stadt Wuppertal laut Branchenverband aufgrund ihrer geografischen Lage bundesweit die meisten Gebäude, die bei unwetterartigem Regen hoch gefährdet sind. Jedes siebte Haus stehe hier in einem Tal oder in der Nähe eines kleineren Gewässers und ist deshalb in die höchste Starkregengefährdungsklasse eingeordnet.

Dahinter folgen die Kommunen Freiburg im Breisgau, Chemnitz, Hagen, der Regionalverband Saarbrücken und die thüringische Landeshauptstadt Erfurt. In Kiel dagegen liegen nur 2,5 Prozent der Gebäude in der höchsten Gefährdungsklasse.

Quelle: Statista

„Eine Immobilie gegen Extremwetter zu versichern, kostet im Jahr etwa so viel wie die Vollkaskoversicherung für den Pkw. Hier geht es im Schadenfall aber um die Existenz. Denn ein Haus zu sanieren oder gar neu zu bauen kostet Hunderttausende von Euro, manchmal sogar Millionen“, konstatiert Peter Schnitzler, Bereichsleiter Spartenmanagement Haftpflicht- und Sachversicherung Privatkunden Deutschland, Ergo Versicherung AG. Dabei seien „Selbstbeteiligungen in der Naturschadenversicherung wichtig, damit die Prämien auch bei insgesamt steigenden Risiken bezahlbar bleiben“.

„Gegenden, die vor Hochwasser sicher sind, gibt es faktisch nicht. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre ist klar, dass extremer Niederschlag an jedem Ort in Deutschland möglich ist. Auch abseits von Flüssen ist die Absicherung von Überschwemmungsschäden daher ein wesentliches Element der Risikovorsorge.“

Mathias Scheuber, Vorstandsvorsitzender der Ergo Versicherung AG

Dabei ist die Zahl der lokalen Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen in den letzten Jahren gestiegen. Laut GDV haben Starkregenfälle zwischen 2002 und 2017 deutschlandweit einen Schaden von 6,7 Mrd. Euro verursacht. Allein im Sommer 2017 fielen in Oranienburg in 24 Stunden 260,6 Liter Regen pro Quadratmeter – laut Meteogroup ein „Jahrhundertereignis“. Allein im Jahr 2018 war der Durchschnittsschaden an Wohngebäuden vor allem durch Starkregen mit 5.035 Euro im Jahr ungewöhnlich hoch.

Allianz Schweiz spricht von „absolutem Rekordjahr“

Auch in der benachbarten Schweiz und Österreich hat Sturmtief „Bernd“ für erhebliche Schäden gesorgt. So rechnet allein die Schweiz mit über 2.500 versicherten Schadenfällen und einem Schadenvolumen von mehr als neun Mio. Franken aus diesem Ereignis. Thomas Schaub, Leiter Schadenservices der Allianz Suisse, gesamten Schadenaufwand der diesjährigen Unwetterereignisse auf mehr als 106 Mio. Franken und damit wesentlich mehr als in den bisherigen Rekordjahren 2009 und 2012, die auf das gesamte Jahr gesehen mit rund 90 Mio. Franken zu Buche schlugen.

Die Baloise geht in der gesamten Schweiz aktuell von rund 12’000 Schadenmeldungen aus. Eine konkrete Schadenschätzung wollte der Versicherer jedoch noch nicht abgeben. Bei den Gebäudeschäden werden der Baloise vor allem Wasserschäden, Hagel- und Sturmschäden sowie Blitzeinschläge gemeldet. In der Kfz-Versicherung seien es seit Mitte Juli ebenfalls mehrheitlich Schäden an Fahrzeugen durch Hagel, Überschwemmungen und Hochwasser, vereinzelt aber auch Schäden durch umgestürzte Bäume und herabfallende Äste.

Unwetter sorgen 2021 für erhebliche Schäden

Jedenfalls dürften die Unwetter die Versicherer nach jetzigem Stand schon jetzt teuer zu stehen kommen. Allein die Unwetter im Juni 2021 mit heftigem Starkregen und Hagel hat nach vorläufigen Schätzungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) versicherte Schäden in Höhe von 1,7 Mrd. Euro verursacht. Davon entfällt eine Milliarde Euro auf die Sachversicherer für beschädigte Häuser, Hausrat, Gewerbe- und Industriebetriebe.

Zum Vergleich: Im Jahr 2020 schlugen die Naturgefahren für die Versicherer bundesweit mit insgesamt 1,95 Mrd. Euro zu Buche. Die Schäden blieben damit deutlich unter dem prognostizierten Wert von 3,8 Mrd. Euro. Die höchsten Schäden gab es in den beiden einwohnerstärksten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (422 Mio. Euro) und Bayern (415 Mio. Euro). Am niedrigsten waren mit sechs Mio. Euro die Schäden in Bremen.

In Österreich haben die Naturkatastrophen und Unwetter die Versicherer im ersten Halbjahr bereits viel Geld gekostet. So schätzt die Allianz den Schadenaufwand auf 50 bis 55 Mio. Euro. Die Schäden entstanden vor allem durch Hagelstürme gegen Ende des Halbjahres und betrafen zu rund zwei Dritteln Infrastruktur und Gebäude. Besonders betroffene Gebiete waren dabei das Salzkammergut und das Innviertel in Oberösterreich sowie das nördliche Niederösterreich.

Die Uniqa verzeichnete bislang 18.000 gemeldete Schadensfälle mit einer Schadenshöhe von 46 Mio. Euro. Zu Beginn des Jahres entstanden Schäden vor allem durch Schneedruck, insbesondere in Kärnten. Gegen Ende des Halbjahres seien Hagelstürme die mit Abstand folgenreichste Unwetterart gewesen, heißt es dort auf Nachfrage der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Die Generali Österreich spricht immerhin von einem Schadensausmaß durch Unwetter „im hohen zweistelligen Millionenbereich“.

Die Wiener Städtische rechnet in einer ersten Einschätzung im aktuellen Jahr mit Schäden von über 38 Mio. Euro aus Naturkatastrophen. Das sei ein Plus von 74 Prozent gegenüber dem Vorjahr, erklärte ein Sprecher. Für die Oberösterreichische Versicherung waren die Unwetter Ende Juni sogar das größte Schadensereignis der Firmengeschichte. „Mehr als 13.000 Schäden sind bereits in Bearbeitung. Es kommen immer noch neue dazu. Die Schadenleistungen betragen bereits rund 82 Mio. Euro“, rechnete Generaldirektor Othmar Nagl vor. Davon würden alleine 15 Mio. Euro auf Kfz-Kasko-Schäden. „Wir gehen leider davon aus, dass manche Betroffene mit einem Provisorium in den Winter gehen müssen. Das begünstigt wiederum mögliche Folgeschäden, die sich erst im Frühjahr zeigen werden“, so Nagl.

Autor: VW-Redaktion

2 Kommentare

  • Ob mit oder ohne Schäden, saniert wird jedes Jahr so oder so…von dem her gar kein Mitleid für die VRs…sollen bezahlen was nur geht….

  • Und ich gebe auch noch meinem Senf dazu. Wer schlecht und knapp kalkuliert darf sich nicht wundern, wenn ein Tröpfchen Wasser vom Himmel fällt und die Atmung in den Risikoabteilungen und in der Mathematik sofort aussetzt. Dieser Deutsche Versicherungsmarkt ist der prädestinierte Übernahmekandidat. Momentan lediglich zu teuer, weil zu billig. Die 100 % stattliche Versicherungswirtschaft mit einem Hauch von Kapitalismus ist nicht überlebensfähig. Die Versicherungswirtschaft kann nur froh sein Hunderte Millionen unbetreuter Versicherungsbestände in den Kellern zu lagern. Würde hier das BaFin eine Überprüfung durchführen und ausgewiesene Bestandspflegeprovidionen einkalkuliert jedoch nicht auskehrt. Oho. Ich bin kein Jurist. Doch ich glaube es geht in Richtung Betrug. Gott sei Dank sind wir ja hier unter uns und brauchen nichts befürchten, dass jemand mit liest. Tja Herr Scholz und Versicherungswirtschaft. Jahrelang auf Material gefahren und jetzt aus Bauplanungsmangel usw. Schaden entstanden und alle stehen da und kommen nicht weiter

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