Analyse eines Vorstandschefs: Wie sich die Versicherer nach der Pandemie aufstellen müssen

Quelle: Daniel Roberts auf Pixabay

Auch wenn Deutschland und Europa noch mitten im Kampf gegen die Corona-Pandemie stecken – längst nicht genügend Menschen sind bislang gegen das Virus geimpft – ist es an der Zeit, sich Gedanken über die Zeit nach Covid-19 zu machen: Welche Lehren müssen wir als Gesellschaft aus dieser Krise ziehen? Und wie muss sich die Versicherungsbranche nach dieser Zäsur aufstellen? Eine Antwort in fünf Thesen von Signal-Iduna-CEO Ulrich Leitermann.

1. Die Krise als digitaler Push für Deutschland

Was hatte es vor dieser Pandemie nicht alles für Bedenken gegen die Digitalisierung gegeben. Bargeldloses Bezahlen? Wird sich in Deutschland nie durchsetzen, hieß es immer. Arbeiten im Homeoffice? Gar nicht zu organisieren, nur eine Randlösung. Videokonferenzen statt Geschäftsreisen? Macht doch niemand! Doch dann kam die Corona-Krise und Deutschland erlebte in gewisser Weise seine digitale Erweckung. Praktisch über Nacht gingen Millionen von Menschen ins Homeoffice, ohne dass es zu nennenswerten Störungen kam. Videokonferenzen wurden nicht nur im Arbeitsleben eine Selbstverständlichkeit, auch für Kinder ist der Video-Anruf bei den Großeltern längst Normalität. Die Pandemie hat Deutschland dazu gezwungen, sich der digitalen Transformation zu stellen. Diese Entwicklung lässt sich nicht mehr zurückdrehen.  

2. Haben wir den Weckruf gehört?

Die Pandemie hat allerdings auch einige unbequeme Wahrheiten ans Licht gebracht. In überraschend vielen Bereichen hinken wir in Deutschland hinterher. Das betrifft nicht nur die fehlende digitale Ausstattung – und schlimmer: die oft mangelnde Offenheit für neue Technologien – etwa an Schulen und in Behörden. Eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums spricht von „archaischen Strukturen“. Die zahlreichen Pannen und immer neuen Verzögerungen bei der Bekämpfung der Krise haben auch gezeigt, dass unser Selbstbild nicht mehr stimmt. Deutschland als moderner und effizient geführter Staat? – Bei vielen hat dieses Bild in der Pandemie Brüche bekommen. Covid-19 ist deshalb auch ein Weckruf. Wenn wir künftig als Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich sein wollen, müssen wir uns auf unsere Tugenden wie Disziplin und Fleiß zurückbesinnen, dazu brauchen wir allerdings auch etwas mehr Pragmatismus. Klar ist: Als Industrienation können wir es uns nicht leisten, den Anschluss bei der Digitalisierung zu verpassen. Wir müssen den Rückstand endlich dringend aufholen!

3. Die Versicherungen sind besser als ihr Ruf

Man kann uns als Versicherungsbranche vorwerfen, dass wir etwas spät in die Digitalisierung gestartet sind. Andere Branchen waren da sicher schneller. Die Corona-Pandemie hat jedoch gezeigt, dass wir besser sind als unser Ruf. Selbst in den schwierigsten Phasen dieser Krise funktionierten unsere Prozesse, waren unsere Mitarbeitenden und unser Außendienst stets für unsere Kunden da. Niemand musste sich Sorgen um eine Arztabrechnung oder um die Rentenauszahlung machen. Im Gegenteil: Dank Remote-Beratung, App-Lösungen und dem großen Einsatz unseres Außendienstes konnten beispielsweise die Kunden der Signal Iduna zu jeder Zeit auf unsere kompletten Beratungsleistungen zugreifen. Viele unserer Kunden haben die vergangenen Monate dazu genutzt, sich mit dem Thema Absicherung zu beschäftigen und ihren Versicherungsschutz zu erneuern. Die Grundlage für diesen Erfolg ist, dass wir frühzeitig die digitale Transformation gestartet haben. Diese haben wir während der Pandemie beschleunigt, um neue Lösungen noch schneller zum Kunden zu bringen. Übrigens: Digitalisierung bedeutet nicht, dass die Kunden auf eine Beratung verzichten wollen. Das persönliche Informationsgespräch – auch das hat die Krise gezeigt – wird bei Versicherungslösungen und Finanzprodukten auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

4. Digitalisierung funktioniert nur mit Agilisierung

Eine erfolgreiche Digitalisierung ist weniger eine Frage der Technik, sondern insbesondere der persönlichen Einstellung. Das zeigen die Negativbeispiele aus Schulen oder Behörden. Die Mittel und die Technik wären längst da gewesen, was jedoch oft fehlte, war die Bereitschaft zur Veränderung. Auf unsere Branche bezogen heißt das: Digitalisierung funktioniert nur mit Agilisierung. Nur wenn wir wirklich vom Kunden aus denken und in unseren Arbeitsweisen schneller und agiler werden, können wir die Services und Produkte liefern, die unsere Kunden in der digitalen Welt von morgen von uns erwarten. Signal Iduna hat deshalb eine unternehmensweite Agilisierung unseres Betriebsmodells gestartet. Mehr als tausend Mitarbeiter arbeiten bereits nach agilen Methoden in interdisziplinären Teams. Diese neue Form des Arbeitens hat sich auch während Covid-19 bewährt, weil wir schneller und flexibler auf die Anforderungen der Krise und auf die Bedürfnisse unserer Kunden reagieren konnten. Getreu unserem Motto: „Gemeinsam mehr Lebensqualität schaffen!“  

5. Die Krise als Chance nutzen

Krisen sind immer auch Chance, aus Fehlern zu lernen. Das gilt für Deutschland und Europa ebenso wie für uns als Versicherungsbranche. Mein Wunsch wäre, dass wir das Zögerliche und Abwartende ablegen – gerade wenn es um neue Technologien geht – und mutiger die Zukunftsthemen angehen. Moderne und gut ausgerüstete Schulen, in denen die Kinder das Rüstzeug für die digitale Welt lernen. Effiziente digitale Bürgerdienste. Eine wettbewerbsfähige Digitalstrategie für Europa. Das sind die Themen, die es jetzt anzupacken gilt. Das Gleiche gilt für uns als Versicherer. Wenn wir die Wünsche unserer Kunden in der digitalen Welt von morgen bedienen wollen, müssen wir unsere eigene Transformation vorantreiben – und dabei stets den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Autor: Ulrich Leitermann, Vorstandsvorsitzender Signal Iduna

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