Ist der Schiffsstau-Schaden im Suezkanal doch „überschaubar“?

Etwa 18.800 Container-Schiffe sind vor dem Pandemie allein im Jahr 2019 durch dem Suezkanal gefahren. (Quelle: https://www.suezcanal.gov.eg/)

Der Suez-Kanal ist teilweise wieder freigelegt. Zuvor war der Megafrachter Evergiven auf Grund gelaufen und hatte die Wasserstraße eine Woche lang blockiert. Wer für die Schäden aufkommen muss, wird jetzt geklärt werden. Ein Analyst berichtet, dass die Schäden für die Versicherungswirtschaft „überschaubar“ sein würden. Seine Erklärung weckt allerdings Zweifel, ob die beteiligten Versicherer das auch so sehen.

Die Blockade des Suezkanals durch die “Evergiven” war ein Krimi. Dieser ist zwar noch nicht gänzlich abgeschlossen, aber es deutet sich ein Happy End an. Das Heck ist wieder frei, der Bug sitzt noch fest, doch die Experten sind sich sicher, das Schiff jetzt freizubekommen. Die Hilfs- und Bergungsteams am Suezkanal hatten mit Schleppern und Baggern daran gearbeitet, das Schiff freizulegen, das seit Dienstag der vergangenen Woche auf Grund saß. Geholfen hat bei der aktuellen Teilbergung die hohe Flut bei Vollmond in der Nacht von Sonntag auf Montag. Einfach war es dennoch nicht, denn das 224.000 Tonnen schwere und 400 Meter lange Schiff, das bis zu 20.000 Container transportieren kann, gehört zu den Top-ein-Prozent der Schiffsgrößen auf dem Meer.

Jetzt muss geklärt werden, wer für die entstandenen Schäden aufkommt. VWheute hatte analysiert, was der Kanalstau für Reeder, Betreibergesellschaft und Versicherer bedeutet. Einige Experten hatten von Schäden bei den globalen Lieferketten in Höhe von sechs bis zehn Mrd. Dollar am Tag gesprochen, „Lloyd’s List“ von zehn Milliarden. Das überrascht nicht, zwischen zehn und zwölf Prozent des Welthandels werden durch den Suezkanal abgewickelt, wobei mehr als 50 Schiffe pro Tag die Wasserstraße passieren.

Was bedeutet überschaubar?

Zumindest einige Versicherer können sich entspannen, wenn die Analysten von Morgan Stanley recht behalten. Diese bezeichnen den Schaden als “ quite manageable“. Wie bereits in der VWheute-Analyse aufgezeigt, sind die infrage kommenden Versicherungen die Hull-, Cargo- und Marine Liability-Deckungen.

Die Hull-Deckung, bereitgestellt vom Marineexperten Shoei Kisen, deckt die Schäden am Schiff, schreibt reinsurance-news. Diese werden gering sein, denn das Schiff wurde freigeschleppt, ohne es durch andere Maßnahmen zu beschädigen. Die Cargo-Absicherung schützt die transportierten Güter im Wert von 90 Millionen Dollar, verpackt in rund 20.000 Containern. Da die Container unbeschädigt sind und die Kühlung funktionierte, wird nicht viel zu ersetzen sein.

Bleibt der Verspätungsschaden. Diese sind laut dem Analysten minimal, den die meisten Cargo-Verträge haben einen Ausschluss für „delayed transit“, also „verspätete Durchfahrt“.

Haftpflichtschaden in Milliardenhöhe

Die Marine Liability Insurance bietet Schutz gegen Schäden, die das Schiff, Betreiber und Crew aus Fahrlässigkeit gegen Dritte verursachen, praktisch eine Schiffshaftpflicht. Die Fahrlässigkeit ist eine offene Frage, erklärt der Analyst Morgan Stanley, der einige Klagen erwartet. Ein möglicher Anspruchsteller ist Ägypten als Betreiber des Kanals. Die ersten 100 Mio. des Schadens werden vom UK Protection and Indemnity Club übernommen, einem der größten Marineversicherer. Übersteigt die Schadensumme diese Zahl, wovon ausgegangen werden muss, müssen die Rückversicherer ran, die eine Abdeckung bis zu 3,1 Mrd. Dollar bereitstellen. Das ist der Bereich, den die Analysten als “ quite manageable“ beschreiben.

Das Problem im Suezkanal ist hausgemacht. Die Versicherer warnen seit Jahren, dass die zunehmende Größe der Schiffe zu einer höheren Risikokumulation führt. Die Containerkapazität von Schiffen ist in den letzten 50 Jahren um 1.500 Prozent gestiegen und hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Die Befürchtungen bezüglich der Seegiganten bewahrheiten sich jetzt mit der “Evergiven”. Zwar bieten solche Riesenschiffe Fortschritte bei Sicherheit und Risikomanagement, verursachen aber „unverhältnismäßig hohe Kosten“, wenn „etwas schiefgeht“, wie ein Schiffsversicherer gegenüber VWheute erklärte. Die Bewältigung von Unfällen mit großen Schiffen, wie Brände, Grundberührungen und Kollisionen, werden „immer komplexer und teurer“. Warum die Versicherer dennoch Schutz anbieten, ist eine interessante Frage.

Autor: Maximilian Volz

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