McKinsey: „Rückzug aus dem Lebengeschäft sollte eine Option bleiben“

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Der steigende Altersvorsorgebedarf und ein signifikantes Prämienwachstum im vergangenen Jahr zeigen das im Markt vorhandene Potenzial im Lebengeschäft eindrücklich. Das glauben die McKinsey-Manager Jörg Mußhoff und Georg Henig. Noch ist nicht alles verloren, doch muss die Branche im Produktbereich zwingend Antworten auf die Niedrigzinsen finden. Der Druck wächst. Ein Gastbeitrag.

Der Bedarf an Altersvorsorgeprodukten in Deutschland bleibt hoch – nach McKinsey-Analysen ist er zwischen 2000 und 2020 sogar um ca. 4,3 Prozent p.a. gestiegen. Bis 2030 wird ein weiteres Wachstum von ca. 3,7 Prozent p.a. erwartet. Drei Faktoren sind dabei wesentlich: Die steigende Lebenserwartung und damit längere Ruhestandsperiode, die Überalterung der Gesellschaft sowie die im europäischen Vergleich niedrige Rentenersatzquote – das Verhältnis von Rentenanspruch zu Bruttoverdienst. Der wachsende Vorsorgebedarf trifft also auf eine bereits vorhandene Vorsorgelücke.

Die Lebensversicherung bietet zudem weiterhin entgegen allen Unkenrufen, zum Beispiel durch Überschussbeteiligungen, eine attraktive Rendite auf den Sparanteil der gezahlten Prämien. Die durchschnittliche laufende Verzinsung im Neugeschäft 2020 für die private Rentenversicherung gegen laufenden Beitrag lag laut Assekurata bei 2,3 Prozent.

Dagegen sind festverzinsliche Anlagen aufgrund der Niedrigzinsen wenig attraktiv und gegenüber Wertpapieren scheinen die Bundesbürger(innen) weiterhin Vorbehalte zu haben: Laut DAI besaßen 2019 15,2 Prozent Aktien oder Anteile an Aktienfonds – weit weniger als in anderen westeuropäischen Ländern. Dies ist ein chancenreiches Umfeld für die deutschen Lebensversicherer, das zeigen auch die insgesamt ca. 15 Prozent Prämienwachstum in den vergangenen beiden Jahren. Getrieben wurde dieses Wachstum durch den Vorsorgebereich, der den überwiegenden Teil des Lebensversicherungsmarkts ausmacht. Allerdings steigt im Lebensversicherungsmarkt auch die Volatilität der Prämien.

Auf die Lebensversicherer kommen darüber hinaus zahlreiche Herausforderungen und Marktveränderungen zu, insbesondere im Vorsorgebereich. Diese sind zwar nicht neu, werden aber verstärkt durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld und die Auswirkungen der COVID-19-Krise. Für Versicherer gilt es jetzt, strategische Entscheidungen zu treffen, um langfristig erfolgreich zu sein und das im Markt steckende Potenzial zu heben.

In den vergangenen Jahren hat die Branche bereits zahlreiche Veränderungen gemeistert – viele Versicherer haben z. B. ihre IT-Systeme erneuert oder ihr Produktportfolio reformiert. Trotzdem sind weitere Anstrengungen erforderlich, um mittelfristig das im Markt vorhandene Potenzial nutzen zu können und zu den Gewinnern zu gehören. Das Management sollte eine umfassende und ehrliche Analyse der Unternehmenssituation und eine Potenzialabschätzung durchführen. Auf dieser Basis kann es strategische Weichen stellen und klar und mutig darüber entscheiden, wie das Unternehmen auf die Veränderungen reagieren und sich im Leben-Vorsorgegeschäft positionieren will:

  • Als strategisches Zukunftsfeld? Dann sind Investitionen gefragt in die Optimierung von Strukturen und Leistungsangeboten sowie klare Entscheidungen zum Umgang mit bestehenden Büchern, um die Chancen bestmöglich zu nutzen.
  • Als Mitnahmegeschäft? Dabei wird ein „Verwalten des Rückgangs“ bewusst in Kauf genommen. Eine Option wäre in diesem Fall auch eine Fokussierung des Angebots, z. B. auf Biometrie oder bAV.

Im Zuge der anstehenden Veränderungen sollte jedoch auch der Rückzug aus dem Lebengeschäft zumindest eine Option bleiben, mit oder ohne Verkauf des Bestands. Die frei gewordenen Ressourcen könnten in anderen Sparten eingesetzt werden. Wie auch immer die Entscheidung ausfallen mag: Erfolgskritisch sind eine konsequente Konzeption und professionelle Umsetzung des Zielbilds sowie eine klare Kommunikation, die Kunden, Vertriebspartnern, Mitarbeitenden und gegebenenfalls Shareholdern die Vorteile des gewählten Vorgehens überzeugend vermittelt.

Autoren: Jörg Mußhoff, Senior Partner bei McKinsey, und Georg Henig, Partner bei McKinsey

Den vollständigen Beitrag und mehr zum Thema lesen Sie in der Februar-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Ein Kommentar

  • Schön, wenn man es auch ohne aufwendige Strategieberater-Unterstützung hinbekommt, wie bei einigen VVaGs im Mittelstand der deutschen Lebensversicherer…

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