Böses Erwachen hinter der Fassade: Was kommt 2021 auf die Versicherer zu?

BSV ist auch ein EIOPA-Thema. Quelle: Bild von Benedikt Geyer auf Pixabay

Der Höhepunkt der Pandemie steht uns noch bevor, genauso wie das wahre Ausmaß der Schäden für Versicherer – ob bei Firmeninsolvenzen, riskanten Anleihen oder hohen Prozesskosten. Mit einem Marktausblick verabschiedet sich VWheute in eine kurze Weihnachtspause. Am 4. Januar 2021 ist der Tagesreport wieder gewohnt für Sie da.

Hinweis in eigener Sache: VWheute macht eine kurze Weihnachtspause

Mit der heutigen Ausgabe verabschiedet sich VWheute in eine kurze Weihnachtspause. Am 4. Januar 2021 starten wir mit der nächsten regulären Ausgabe des Tagesreports ins neue Jahr – wie gewohnt um 00:04 Uhr. Zwischen den Feiertagen versorgen wir Sie je nach Meldungslage außerhalb des regulären Newsletters direkt über VWheute.de gerne mit kurzen Sprintnews.

Die Redaktion wünscht allen Leserinnen und Lesern trotz dieser ungewöhnlichen Zeiten besinnliche Feiertage und kommen Sie gut ins neue Jahr. Bleiben Sie uns gewogen – und vor allem: Bleiben Sie gesund!

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen dürfte im ersten Quartal 2021 um über 35 Prozent auf rund 6.000 Fälle steigen und damit wieder das hohe Niveau der wirtschaftlich schwachen 2000er Jahre erreichen. Bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts der Bundesbank sprach Vizepräsidentin Claudia Buch von einer „fragilen“ Erholung der Wirtschaft – und vor allem viel von „hoher Unsicherheit“ durch die mit Covid-19 „ganz neue Art von Krise“. Während die Unsicherheit dem Wirtschaftsgeschehen und damit mittelbar den Schaden- und Unfallversicherern zu schaffen macht, wie Studien und Überlegungen zeigen, könnten die Lebensversicherer möglicherweise davon profitieren.

Im Hinblick auf die schwierig einzuschätzende weitere Entwicklung der Infektionszahlen und – damit eng verbunden – der Krisenwirtschaft, schließt Buch auch eine höhere Zahl an Firmeninsolvenzen sowie die vermehrte Aufgabe von Firmen nicht aus. Besonders gefährdet seien „kleine Dienstleister“. Ähnlich äußern sich die fünf führenden Wirtschaftsinstitute im Herbstgutachten: „Ein Anschwellen der Insolvenzfälle droht vor allem in besonders schwer betroffenen Branchen wie dem Gastgewerbe, aber auch generell im Segment der kleineren Unternehmen, die ihre Eigenkapitalposition in den Jahren vor der Krise weniger verbessert hatten als mittlere und große Unternehmen.“

Bliebe es bei 6.000 Insolvenzen eher kleinerer Firmen bis Ende März 2021, fiele das Pleitengeschehen allerdings günstiger aus als bei der weltweiten Finanzmarktkrise 2007/08. Und: Nach den Aussagen der Bundesbanker sind die Banken dieses Mal besser aufgestellt: Neben einer höheren Eigenkapitalausstattung wurden seither Maßnahmen wie die Eigenkapitalpuffer geschaffen. Nutzen die Kredithäuser diese, können sie den Wertberichtigungsbedarf auf uneinbringliche Forderungen besser verkraften. Der Nachteil: Ziehen sie diesen Joker, wird ihnen „empfohlen“, auf die Ausschüttung von Gewinnen zu verzichten.

Riskante Anleihen in den Assekuranz-Büchern

Die Rezession und konkret die Insolvenzen treffen die Assekuranz sowohl auf der Aktiv- wie der Passivseite. Haben sie in Aktien oder Unternehmensanleihen von insolvent werdenden Firmen investiert, müssen sie diese Werte abschreiben. Dies mindert das Kapitalanlageergebnis, das ohnehin schon unter den weiter gesunkenen Zinserträgen leidet. Eine Insolvenzwelle unter größeren Firmen schadet zudem der Bonitätseinschätzung durch den Markt. Dann vergrößern sich die Spreads von Credits – also die Risikoaufschläge auf Unternehmensanleihen. Versicherer, die in solchen Papieren investiert sind, müssen ihre so abgewerteten Bestände an Unternehmensanleihen ebenfalls im Wert berichtigen, was wiederum zulasten des Ertrags geht.

Der Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank bemerkt dazu, dass die Versicherer im ersten Quartal 2020 ihren Bestand an riskanteren Anleihen überproportional erhöhten und damit antizyklisch investierten. Nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Zinsen dürften Versicherer mit ausreichenden Eigenkapitalpolstern in relativ riskante Wertpapiere investiert haben, deren Risikoprämien deutlich gestiegen sei, so der Bericht.

Hinzu kommt, wenn die Banken mit ihren neuen Eigenkapitalpuffern Wackelkandidaten vor der Insolvenz bewahren – fällt für Versicherer als mögliche Aktionäre die Dividende aus. Rückläufige Erträge und damit geringere Dividenden sollten eigentlich für einen Rückgang der Aktienkurse sorgen. Da die Folgen der Pandemie aber von vielen Regierungen monetär abgefedert wurden, hat sich die Diskrepanz zwischen Geld- und Güterwirtschaft weiter vergrößert. Weltweit sucht Kapital nach Anlage. Damit droht die Gefahr von Blasenbildung. Für die Versicherer ist die Entwicklung an den Aktienmärkten weniger relevant, weil sie ihre Aktienquote deutlich abgesenkt haben. Ende 2019 wurden nur noch 0,2 Prozent der Kapitalanlagen direkt in Aktien investiert; über Fonds waren es 5,6 Prozent, sodass die gesamte Aktienquote 5,8 Prozent entsprach.

Hohe Prozesskosten und Betrugsversuche

Im Kerngeschäft Risikotragung fällt ein insolventes Unternehmen zwar als zahlender Kunde aus, nicht aber als Verursacher von Schäden. „Eine Welle von Insolvenzen könnte eine potenzielle Quelle für noch kommende D&O-Klagen sein. Die Pandemie könnte auch Rechtsstreitigkeiten gegen Unternehmen auslösen. So könnte dem Management vorgeworfen werden, das Unternehmen nicht angemessen auf das Risiko einer Pandemie oder generell auf einen längeren Zeitraum mit Einnahmeausfällen vorbereitet zu haben“, so eine Studie der AGCS Allianz Global Corporate & Specialty. Der GDV kommt nach Analyse von 368 D&O-Schadenfällen nach Insolvenzen zum Ergebnis, dass ein Großteil der Forderungen gegen Manager unberechtigt war. Im Schnitt kosteten allein die Prozess- und Anwaltskosten die Versicherer nach jeder Insolvenz über 30.000 Euro.

Kommt es im Zuge von Insolvenzen oder Sparkursen bei den Firmen zu Entlassungen, mehren sich bei den Rechtsschutzversicherern regelmäßig die Arbeitsschutzklagen. Da vor den Arbeitsgerichten jede Partei ihre eigenen Kosten tragen muss, sind diese Klagen für die Assekuranz besonders teuer. Bei den Kreditversicherern dürfte die Schadenaufwendungen nicht nur durch die Insolvenzen – vor allem im teilweise noch sehr viel stärker vom Abschwung betroffenen Export – wachsen. „Es ist auch mit einem Anstieg der sozialen Unzufriedenheit und Unruhen in vielen Ländern zu rechnen“, so die Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. Corona wirke als Katalysator für politische Risiken. „Das Risiko für Unruhen in Ländern, die von Corona stark betroffen sind,
kann sich um das Zehnfache erhöhen“, heißt es einer Untersuchung des Kreditversicherers zufolge.

Umsteuern im Produktmix

Im Hinblick auf den Umgang mit der Niedrig- bzw. sogar Negativzinsentwicklung ist davon auszugehen, dass sich bestehende Trends zu mehr Risiko- und Biometrieprodukten sowie kapitalmarktorientierten Tarifen mit zumindest abgespeckten Garantien fortsetzen. „In der Zusammensetzung des Neugeschäftes haben die Lebensversicherer zwar deutlich in Richtung weniger toxischer Garantien umgesteuert, die Vertragsbestände reagieren wegen langer Vertragslaufzeiten aber nur sehr träge auf Veränderung des Neugeschäftes“, erklärte Guido Werner vom Grundsatzreferat Leben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kürzlich auf einer Konferenz. Viele Lebensversicherer hätten im Neugeschäft einen signifikant unter dem Höchstrechnungszins von 0,9 Prozent liegenden Garantiezins. Aber rund ein Viertel schöpfe den Höchstrechnungszins bei den Garantien im Neugeschäft nach wie vor voll aus und ein weiteres Viertel liege mit 0,75 Prozent oder höher nur geringfügig unter dem Höchstrechnungszins.

Bei den Risiko- und Biometrieprodukten verschärft sich der Wettbewerb vielfach über die Bedingungen mit immer neuen Features und Berufsgruppen. Für die BU hatte Herbert Schneidemann, Chef der Versicherungsgruppe die Bayerische, unlängst kritisiert, dass Vergleicher und Rater den Wettbewerb zu einem „Rattenrennen“ forcierten, bei dem der Markt nicht effektiv genug bearbeitet werden könne. Für viele Gesellschaften ist dieses Segment aber schon wegen der Möglichkeit der Quersubventionierung mit klassischem Garantiegeschäft interessant. Denn seit der Änderung der Mindestzuführungs-Verordnung im Zuge des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) darf ein negatives Kapitalanlageergebnis mit einem positiven Risikoergebnis oder übrigen Ergebnis anderer Produktgruppen verrechnet werden.

Die Allianz hat angekündigt, ab dem 1. Januar 2021 in allen Tarifen, in denen es gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, die Bruttobeitragsgarantie auf einen Wert zwischen 60 und 90 Prozent abzusenken. Diese Möglichkeit gab es zwar schon längst, jenseits von reinen Fondspolicen hat sie sich aber nicht wirklich durchgesetzt. Das dürfte sich mit dem Vorstoß des Marktführers ändern. Zumal sich bei einer abgesenkten Garantie höhere Renditen rechnen lassen.

Für viele Pensionskassen dürfte sich die schwierige Lage durch das Kapitalmarktgeschehen weiter verschärfen. Bis zur Jahresmitte hatte die Aufsicht 35 Pensionskassen die Absenkung des Rentenfaktors für künftige Beiträge genehmigt. Ähnlich viele stehen unter Manndeckung. Gut 50 regulierte Pensionskassen haben laut Bafin in den letzten Jahren finanzielle Unterstützung von ihren Trägerunternehmen oder Aktionären erhalten. Solche Zuschüsse dürften den Trägern und Aktionären in einem wirtschaftlich schwieriger werdenden Umfeld immer schwerer fallen. Ausfälle könnten drohen. Wie gut, dass unlängst gesetzlich festgelegt wurde, dass künftig der Pensions-Sicherungs-Verein a.G. (PSVaG) einspringt, wenn der Arbeitgeber keine Bilanzlöcher stopfen kann. Vom neuen PSVaG-Schutz profitieren auch bestehende Betriebsrentner und Anwärter – allerdings nur, wenn ihr Arbeitgeber nach dem 1. Januar 2022 insolvent wird. Für alle übrigen Insolvenzen gilt eine Übergangsregelung.

Autorin: Monika Lier

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Dezember-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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