Wie Versicherer unter Trump profitierten und was sie von Biden erwarten

Quelle: The White House / Gage Skidmore / flickr /https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

Dieser Tage stellt man sich in den USA die Frage, die man sonst nur in einer Bananenrepublik erwartet hätte: Werden die Präsidentschaftskandidaten ihre Niederlage akzeptieren und läuft der Machtwechsel friedlich ab? Für Versicherer indes dreht sich alles darum, wie stark die Zügel bei der Regulierung angezogen werden und wie hoch die Steuerquote sein wird.

Erfreulich zeigte sich die Branche vielmehr über die Deregulierung in den vergangenen vier Jahren. Donald Trump hat 2018 den „Dodd-Frank-Act“ aufgeweicht, der nach der Finanzkrise den Banken und Versicherern eine höhere Eigenkapitalquote vorschrieb. Im Zuge dessen wurden die US-Versicherer AIG, MetLife und Prudential Financial ihr Label „systemrelevant“ los und entgingen damit einer verschärften Aufsicht und hohen Compliance-Kosten. Trump beratend zur Seite bei der Deregulierung stand ausgerechnet der als Corporate Raider bekannte Investor Carl Icahn, der damals vier Prozent an AIG hielt und lange dessen Aufspaltung forderte. „Die Veränderungen bei der US-Regulierung sind sehr positiv, da wurde in der Vergangenheit einiges übertrieben“, erklärte damals Allianz-Chef Oliver Bäte. Vor allem ging es ihm um die „hohen Steuern“, die man dort zahle.

Joe Biden will die Körperschaftssteuer wieder anheben

Entsprechend große Auswirkungen auf die Allianz und andere deutsche Gesellschaften hatte Trumps Steuerreform. Der Münchener Konzern rechnete ab 2018 mit 400 Mio. Dollar an jährlichen Steuereinsparungen. Damit die Talanx die positiven Effekte überhaupt spürt, musste der M-Dax Konzern eine Verlagerung von Kapital in die USA vornehmen, da die Steuerpläne die Geschäfte von US-Töchtern mit ihren ausländischen Mutterkonzernen künftig höher besteuerten. Wie die Talanx hat auch die Munich Re im Zuge dessen vermehrt Geschäfte auf die Bermudas, die dem US-Steuerrecht unterliegen, übertragen.

Insgesamt hat Trump in seinem ersten Jahr Steuersenkungen von fast zwei Billionen Dollar durchgesetzt. Die Demokraten stehen hingegen aus Sicht der Unternehmen und der Börse traditionell eher für Umverteilung, Steuererhöhung und Regulierung, sodass die Wirtschaft stets einen republikanischen Präsidenten bevorzugte. Inzwischen freunden sich Investoren auch mit einem linken Kandidaten an – und das nicht nur wegen Trumps erratischem Regierungsstil, seiner Abschottungspolitik oder seiner Handelskriege. Erobert Joe Biden das Weiße Haus und womöglich auch noch die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus, dann steigt die Chance auf ein Konjunkturpaket von mindestens zwei Billionen Dollar. Zudem will Biden 775 Mrd. US-Dollar in die Care Economy samt Pflege und Betreuung pumpen.

Für Versicherer indes ist relevant, dass Biden die Körperschaftsteuer, die die Republikaner von 35 auf 21 Prozent gesenkt hatten, auf 28 Prozent anheben will. Auch Kapitalerträge und Einkommen über 400.000 Dollar jährlich sollen stärker besteuert werden. Allerdings könnte Biden mit seinen Plänen vielleicht noch ein bis zwei Jahre warten, um den Aufschwung nicht unnötig zu gefährden.

Ferner ist fast sicher, dass mit Bidens Sieg Gesetze auf den gebracht werden, die den Klimawandel verlangsamen sollen und dass Versicherern eine Debatte über die faire Bepreisung von Naturkatastrophen-Deckungen in Washington bevorsteht. Was mit Biden bleiben wird, ist die harte Haltung gegenüber China oder die protektionistischen Tendenzen. Er hat bereits klargemacht, dass er die unter Trump verhängten Strafzölle nicht sofort aufheben würde.

Rückwirkende Änderungen bei BSV-Verträgen durchaus möglich

Viele Erstversicherer wollen bei BSV-Schäden ihre Reinsurance-Karte ziehen. Das mag in Europa vielleicht der Fall sein. Aber in den USA ist die Formulierung von Primärpolicen weitgehend standardisiert und dort muss „in aller Regel ein physischer Schaden am Objekt vorausgesetzt sein, welcher durch Corona/Covid-19 in aller Regel nicht gegeben ist“, heißt es von der Hannover Rück. Diejenigen Policen mit Bedingungen, die zusätzlich einen Ausschluss für Schäden durch einen Virus enthielten, werden derzeit durch verschiedene Gerichte noch geprüft. Für alle Fälle haben die großen Player Rücklagen gebildet. Ohnehin ist man bei den Rückversicherern der Meinung, dass ein entsprechender Schutz und die Produkte gegen eine Pandemie am Markt verfügbar waren, aber die Nachfrage dafür war einfach nicht da.

Ginge es nach Donald Trump, würde er es gerne sehen, wenn Versicherer beim BSV-Thema bezahlen würden. Es gäbe in einigen Fällen vertragliche Ausschlüsse, aber oft „sehe er diese nicht“, sagte er noch im April in einem Presse-Briefing. Auch konnte er sich vorstellen, wenn man rückwirkend in die Versicherungsverträge eingreift. Richtig ernst hat die Branche seinen wahltaktischen Geistesblitz nicht genommen.

Dennoch, in einer ganzen Reihe von Bundesstaaten wurden Gesetzentwürfe eingeführt, die eine rückwirkende Abdeckung von Betriebsunterbrechungen vorschreiben. „Die Gesetzgebungsverfahren sind bisher noch nicht abgeschlossen und zumindest zum Teil nicht sehr weit fortgeschritten“, heißt es von den Rechtsanwälten Ulrich Keunecke und Frank Püttgen von KPMG Law. Dass damit bewusst viele Erstversicherer in die Insolvenz getrieben würden, kann man sich nicht vorstellen. Aber angesichts der vergangenen vier Jahre unorthodoxer Politik aus dem Weißen Haus scheint nichts mehr ausgeschlossen zu sein – besonders bei einer möglichen Wiederwahl Trumps.

Autor: David Gorr

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