Öffentliche Ausschreibungen: Bringen Kommunen die Versicherer um ihr Geschäft?

Quelle: Maximann auf Pixabay

Vielfach sind die Kommunen falsch versichert, weil sie den Schutz niemals über eine öffentliche Ausschreibung auf den Prüfstand gestellt haben. Dabei ist das oft ihre Pflicht. Noch schläft hier ein Milliardenmarkt einen Dornröschenschlaf. Immerhin wird die Zahl der Kommunen und öffentlichen Institutionen auf 15.000 geschätzt.

Pro Jahr finden lediglich 80 bis 150 EU-weite Ausschreibungen von Versicherungsverträgen statt. Dabei muss Versicherungsschutz seit Anfang 2020 bereits ab einem Jahres-Netto-Versicherungsbeitrag von 53.500 Euro europaweit ausgeschrieben werden. „Grundsätzlich ist es natürlich immer noch so, dass viele Städte, Kommunen und Landkreise sowie andere öffentliche Institutionen, ihren Versicherungsschutz noch nie öffentlich oder EU-weit ausgeschrieben haben“, stellt der Versicherungsberater Elmar Sittner aus Leipzig fest, der mit mehr als 300 betreuten Ausschreibungen als die graue Eminenz der Szene gilt. Immerhin sei mittlerweile ein Umdenken bei den öffentlichen Verwaltungen im Gange.

Enge Bindung zu öffentlichen Kommunalversicherern

In einigen Bundesländern wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen werde seit geraumer Zeit relativ fleißig ausgeschrieben. Andererseits habe in anderen Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg die Praxis der Ausschreibung von Versicherungsverträgen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – „noch nicht Einzug gehalten“. Sittner sieht in den südlichen Ländern die Ursache für die Ausschreibungsabstinenz darin begründet, dass die Kommunen hier eine „sehr enge Bindung“, zu den öffentlichen Kommunalversicherern hätten. Zudem sei hier die Kassenlage besser. Sittner: „Der Leidensdruck, Kostenersparnisse realisieren zu müssen, ist natürlich in einigen Bundesländern besonders hoch.“

Die meisten öffentlichen Versicherer wurden als kommunale oder staatliche Feuerversicherer im 18. Jahrhundert gegründet. Träger und Aktionäre fast aller öffentlichen Versicherer sind heute die Sparkassen, die Landesbanken und Landschaftsverbände, die selbst mehrheitlich im Eigentum der Länder und Kommunen sind.

Zudem sitzen viele Bürgermeister bei den öffentlichen Versicherern in Gremien. Insgesamt kamen die elf öffentlichen Erstversicherer 2018 über alle Sparten zusammengenommen auf Bruttobeitragseinnahmen von über 21 Mrd. Euro. Das entspricht einem Marktanteil an allen Versicherungen in Deutschland von knapp elf Prozent. Bei Sachversicherungen liegt der Anteil sogar bei fast 23 und bei Wohngebäude bei knapp 31 Prozent.

Mit dem Rücken zur Wand

Die ehemalig staatlichen Versicherer stehen aber heute in einem starken Wettbewerb mit der übrigen Versicherungsbranche. Und das gilt auch für Ausschreibungen der öffentlichen Hand, wie eine Stichprobe aus dem Online-Portal „TED“ (Tenders Electronic Daily) bestätigt.

Die Auswertung von 780 Ausschreibungen nach dem Stichwort „Versicherungen“ ergab für Deutschland und Sachversicherungen insgesamt 17 Treffer. Hier traten im Wesentlichen immer wieder die gleichen Assekuranzen und Versicherungsvermittler auf. Von den 29 genannten Bietern, die jeweils den Zuschlag erhielten, waren aber nur sieben öffentliche Versicherer.

Ausgeschrieben und versichert wird in der Regel nur der Immobilienbestand der Kommune, denn für den Haftpflichtschutz gibt es längst spezielle kommunale Einrichtungen. Bei Sachversicherungen für die öffentliche Hand dürften sich aktuell viele öffentliche Versicherer mit dem Rücken zur Wand wiederfinden. Zwar wollen sie ihre Kunden nicht verlieren, gleichzeitig dürften aber, wie die VGH klar feststellt, die Altprämien kaum noch wirtschaftlich sein. Wird aber saniert, muss die Kommune eigentlich neu ausschreiben.

Daher sollten die Ausschreibungen künftig regelrecht boomen. „In den vergangenen Jahren können wir eine zahlenmäßige Steigerung der Ausschreibungen erkennen“, stellt bereits die Versicherungskammer Bayern (VKB) fest.

Ein Hemmschuh ist, dass viele Gemeinden das EU-weite Ausschreibungsverfahren als sehr formalisiert und umständlich empfinden. Nach Erfahrung von Friedhelm Wagner vom Versicherungsberater Wagner Consulting aus Delmenhorst würde bei vielen Kommunen die Sachbearbeitung in der Gebäudeversicherung immer wieder auf andere Köpfe übertragen.

Daher würde die angerechnete Arbeitszeit für die Versicherungssachbearbeitung in der Regel höchsten 15 Prozent ausmachen. Wagner: „Damit geht die Motivation einer fachgerechten Sachbearbeitung gegen null.“ Daher bleiben oft nur die Rechnungsprüfungsämter als Motor zur Umsetzung eines Ausschreibungsverfahrens. Ihr Ziel ist Sparen.

Realität sieht heute oft anders aus

Viele Kommunen haben ihre Gebäude, etwa Schulen, regelrecht heruntergewirtschaftet. „Einsparungen bei den Hausmeistern haben dazu beigetragen, dass die Schäden in der Gefahr, Leitungswasser und Einbruch rapide zugenommen haben“, stellt Experte Wagner fest. Daher müsste heute jede Prämienersparnis eigentlich in Prävention gesteckt werden. Zudem sanieren immer mehr Versicherer ihren Immobilienbestand.

„Der Markt der kommunalen Sachversicherungen ist in unserem Geschäftsgebiet in Niedersachsen wie auch bundesweit nach unserer Einschätzung seit Jahren für die Versicherer defizitär“, stellt die VGH fest. Gründe dafür wären die Vielzahl der Feuerschäden bei kommunalen Gebäuden, die große Zahl sanierungsbedürftiger kommunaler Gebäude, insbesondere Schulen sowie einige größere Sturmereignisse.

Autor: Uwe Schmidt-Kasparek

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Februarausgabe des Magazins Versicherungswirtschaft.

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