R+V muss für fehlerhafte Stellenausschreibung fünfstellig aufkommen

Bewerbung als Einnahmequelle? Quelle: derateru / www.pixelio.de / PIXELIO

Wenn Sie als Versicherer einen Trainee einstellen wollen, schreiben sie das bloß nicht explizit in die Anzeige. Eine Erfahrung, die die R+V Versicherung nach einem jahrelangen Rechtsstreit nun (wohl) teuer bezahlen muss.

Der Münchner Rechtsanwalt Nils Kratzer hatte sich im Jahr 2009 auf eine Trainee-Stelle bei der R+V Versicherung beworben, wurde aber abgelehnt, wie juve.de meldet. Er legte Klage wegen mittelbarer Altersdiskriminierung ein, da in der Stellenausschreibung „explizit nach einem Trainee gesucht wurde“. Kratzer blickte zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine „mehrjährige Berufserfahrung als Anwalt zurück“.

Der Münchener Anwalt scheint ein Faible für ungewöhnliche Klagen zu haben. Laut FAZ hat er einmal einen Mandanten wegen dessen Ablehnung an einer Sprachschule vertreten. Sein Mandat sei unter anderem wegen seiner „ethnischen Zugehörigkeit als Bayer benachteiligt worden„, beklagte Kratzer letztlich erfolglos.

Der Streit Kratzers gegen die R+V scheint ebenfalls kein Einzelfall zu sein, im oben zitierten Artikel schreibt die FAZ, dass Kratzer auch im eigenen Namen gerne vor den „Kadi ziehe“. Bei „einer ganzen Reihe namhafter Wirtschaftskanzleien sowie Versicherern und weiteren Unternehmen“ habe Kratzer „sich erfolglos beworben“ und „weil er Ende 30 war, eine mittelbare Altersdiskriminierung geltend gemacht“, schreibt die Zeitung.

Das Portal Juve berichtet ähnliches. Kratzer habe „auch andere Unternehmen und Anwaltskanzleien nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verklagt und galt unter Arbeitsrechtlern daher als Berufskläger„.

Die R+V wies im Verlauf der Prozesse auf diesen Sachverhalt und einen möglichen Rechtsmissbrauch hin. Der Fall beschäftigte unter anderem das Bundesarbeitsgericht (BAG) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG)sah im vorliegenden Fall jedoch schlussendlich keinen Nachweis für eine missbräuchliche Bewerbung und hat Kratzer eine Entschädigung von 14.000 Euro zugesprochen. Zudem müssen aller materiellen Schäden aus seiner Nichtanstellung erstattet werden. Eine Revision wurde nicht zugelassen, der Versicherer hat bereits Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht.

Grundsätzliches Problem

Die beiden Institutionen BAG und EuGH haben sich intensiv mit dem Fall beschäftigt und für Unternehmen und Private wichtige Punkte festgehalten. Zunächst fallen „Scheinbewerber“ nicht unter den Schutz nach der Antidiskriminierungsrichtlinie, was nachvollziehbar erscheint.

Allerdings hat das BAG „hohe Anforderungen“ daran gestellt, wie eine „missbräuchliche Bewerbung nachgewiesen werden kann“. Als Scheinbewerber werden Menschen bezeichnet, die sich nur bewerben, um nach Ablehnung in der Folge auf Diskriminierung zu klagen. Das LAG lehnte sich im Fall Kratzer gegen die R+V schlussendlich an diese hohen Anforderungen an.

Was ist eine missbräuchliche Bewerbung

Laut Juve könnten beispielsweise strafrechtliche Ermittlungen wegen anderer Bewerbungsverfahren ein Zeichen für eine missbräuchliche Bewerbung sein. Die Bewerbung im R+V Fall war nach Juve-Recherchen „jedoch nicht Teil der strafrechtlichen Ermittlungen, die seit mehreren Jahren gegen Kratzer laufen“. Gegen den Anwalt werde seit mehreren Jahren „strafrechtlich wegen Betrugs ermittelt“. Nach Juve-Recherchen hatte die Staatsanwaltschaft 2015 Anklage erhoben. Diese war allerdings nicht zugelassen worden, wogegen die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegte. Die Ermittlungen würden andauern.

Mit dem positiven Urteil in oben genanntem Fall könnten diese Ermittlungen möglicherweise hinfällig oder zumindest deutlich erschwert werden, glaubt Juve. Alle Versicherer und Unternehmen wären gut beraten, ihre Stellenanzeigen vor Veröffentlichung prüfen zu lassen, sonst kann es schnell teuer werden, denn es gibt mehr als eine(n) Scheinbewerber/in.