Aviva wird in Indien der Steuerhinterziehung verdächtigt

Im Bemühen, das Geschäft auszubauen, soll Avivas Indien-Management zwischen 2017 und 2023 rund 26 Mio. US-Dollar an Vertriebe gezahlt haben, die aber anders deklariert wurden. (Bildquelle: Darshak12pandya/Pixabay)

Gefälschte Rechnungen, verdeckt gezahlte Provisionen an Vermittler: Der britische Versicherer Aviva sieht sich in Indien dem Vorwurf der Steuerhinterziehung ausgesetzt. Um rund 5,2 Mio. US-Dollar (4,7 Mio. Euro) soll der indische Fiskus geprellt worden sein, sofern sich die Ermittlungen der Steuerbehörden bewahrheiten. Möglicherweise sollte das schleppende Geschäft auf dem Subkontinent mittels überhöhter Provisionen angeschoben werden, wie ein Medienbericht mutmaßt.

Sollten die Vorwürfe zutreffen, die die indischen Steuerbehörden laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters gegen Aviva erhoben haben, droht dem Versicherer eine Strafe von rund 11 Mio. Dollar. Dies entspräche in etwa dem Gewinn, den die Briten in Indien aus dem Verkauf von Lebensversicherungen 2023 erzielt haben.

Konkret drehen sich die Ermittlungen um Praktiken, die zwischen 2017 und 2023 passiert sein sollen. Im Bemühen, das Geschäft auszubauen, sollen rund 26 Mio. Dollar an Vermittler geflossen sein – getarnt als Rechnungen für angebliche Marketing- und Schulungsleistungen. Reuters zufolge unterstellen die Behörden dem Versicherer ein regelrechtes System aus gefälschten Rechnungen und heimlichen Barzahlungen an Vermittler aufgebaut zu haben – letzteres, um die in Indien geltenden Provisionsobergrenzen zu umgehen.

Die vermeintlich beauftragten Marketing- und Schulungsdienstleister wurden folglich gar nicht tätig und dienten lediglich dazu, zu verschleiern, wohin die Gelder tatsächlich flossen: In die Kassen der Vermittler, wie einer Mitteilung der Behörden hervorgeht, die den Reuters-Reportern vorliegt. Avivas Taktik sei darauf gerichtet gewesen, „mehr Geschäfte und Marktanteile zu gewinnen“, wie es in der Mitteilung hieß.

Die gefälschten Rechnungen im Wert von rund 26 Mio. Dollar wurden demnach von Aviva verwendet, um Steuergutschriften geltend zu machen. Auf diese Weise sollen rund 5,2 Mio. Dollar an Steuern hinterzogen worden sein.

Gegenüber der Nachrichtenagentur habe die indische Niederlassung von Aviva nicht reagiert, heißt es. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person soll Reuters wiederum berichtet haben, dass das Unternehmen beabsichtige, die Vorwürfe der Mitteilung zurückzuweisen, bislang aber noch nicht reagiert habe. Ein Aviva-Sprecher in Großbritannien gab sich demnach bedeckt: „Wir kommentieren weder Spekulationen noch laufende Rechtsstreitigkeiten“, wird der Sprecher zitiert.

Wie ernst die Vorwürfe sind, zeigt ein rund 200-seitiger Bericht voller  Screenshots mit belastenden E-Mails und WhatsApp-Nachrichten, der den Reportern vorliegen soll. Darin diskutierten Aviva-Führungskräfte und Versicherungsvertrieben, wie sie die Vergütungsvorschriften umgehen könnten. Enthalten seien auch Zusammenfassungen von Interviews, die Steuerbeamte mit Führungskräften wie Sonali Athalye, Finanzvorstand von Aviva India, geführt haben sollen. Darin soll die Managerin beschrieben haben, wie die Zahlungen geleistet worden seien.

Der indische Markt gilt als schwierig, dafür aber als wachstumsträchtig

Auch den damaligen CEO von Aviva India, Trevor Bull, haben die Behörden im Visier. Er sei 2019 in einer E-Mail in Kopie gesetzt worden, in der es um Zahlungen über den gesetzlichen Grenzwerten ging. Das deutet darauf hin, dass „auch die Geschäftsleitung von Aviva darüber im Bilde ist“, zitiert Reuters die Ermittler. Weder Bull noch Athalye oder die indischen Steuerbehörden wollten sich dazu gegenüber der Nachrichtenagentur äußern.

Das Indiengeschäft betreibt Aviva in einem Joint Venture mit Dabur Invest Corp., an dem Aviva wiederum zu 74 Prozent beteilig ist. Auch Dabur habe eine Stellungnahme abgelehnt. Der indische Lebensversicherungsmarkt gilt für Aviva, das 2023 einen weltweiten Gewinn von fast zwei Mrd. Dollar verbuchte, als relativ klein und zugleich schwierig – zumal der staatliche LIC-Konzern etwa zwei Drittel des Marktes beherrscht. Gleichwohl wird dem bevölkerungsreichen und wirtschaftlich aufstrebenden Subkontinent ein hohes Wachstumspotenzial bescheinigt.

Daten der indischen Versicherungsaufsichtsbehörde, auf die sich Reuters beruft, entsprechen die Lebensversicherungsprämien 3 Prozent des nationalen BIP. Zum Vergleich: In Großbritannien liegt der entsprechende Wert bei 8,1 Prozent.

Autor: VW-Redaktion

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