WTW wünscht sich „Offenheit und Verständnis auf beiden Seiten“ nach den vielen Konflikten auf dem letzten GVNW-Symposium

Olga Losing-Malota ist seit fünf Jahren bei WTW. (Bildquelle: WTW)

Vor dem Jahrestreffen der versicherungsnehmenden Industrie (GVNW) befindet sich die Wirtschaft inmitten einer umfangreichen Transformation: Zum einen werden Risiken immer komplexer und für Unternehmen schwieriger zu managen. Zum anderen wollen Versicherer den Wandel begleiten – sind aber noch auf der Suche, wie sie diese Rolle ausfüllen können. „Als Makler wünschen wir uns vor allem eines: Offenheit und Verständnis auf beiden Seiten. Denn die nachhaltige und digitale Umgestaltung unserer Wirtschaft erreichen wir nur gemeinsam“, schreibt Olga Losing-Malota, Corporate Risk & Broking, Head of Broking DACH bei WTW, in ihrem Gastbeitrag.

Technologie und Datennutzung ebnen den Weg: Anders sind die Herausforderungen für Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit, Digitalisierung, aber auch im Bereich Mitarbeiterabsicherung, Gesundheit oder Geopolitik nicht zu lösen. Für einen gelungenen technologischen Wandel müssen jedoch Versicherer, Unternehmen und Broker zusammenarbeiten.

Auf dem letztjährigen GVNW-Symposium haben wir viel Konfliktpotenzial erlebt, das sich vielleicht auch angesichts der Turbulenzen und rein virtuellen Treffen der vergangenen Jahre aufgestaut hatte. Das zeigte uns auch, wie wichtig die Kommunikation in einer Branche wie unserer ist, um Probleme gemeinsam zu lösen. In diesem Jahr erscheint uns zudem manches womöglich normal, was wir zuvor noch heftig kritisiert haben – einfach, weil die Zeiten herausfordernd sind und es auch bleiben.

Alternative Risikotransferlösungen nach wie vor interessant

Klar ist: Im heutigen Risikoumfeld reichen traditionelle Versicherungslösungen bei Weitem nicht mehr aus, um sich gegen die vielen Unwägbarkeiten abzusichern. Schon auf dem letzten Symposium haben wir deshalb viel über Alternativen gesprochen, etwa über die Bildung eines konzerneigenen Risikoträgers (Captive) oder andere Möglichkeiten der Eigentragung von Risiken.

Alternativen werden auch dieses Jahr wieder gefragt sein: Unternehmen erleben in einigen Sparten seit Jahren hohe Prämienanpassungen, so dass sie nach Wegen suchen, sich von den teils volatilen Entwicklungen abzukoppeln. Darüber hinaus geht es auch darum, für einige Risiken überhaupt wieder Deckung zu erhalten.

Versicherer als Partner gefragt

Der Reflex vieler Unternehmen, Risiken zunehmend selbst zu tragen, kann die Versicherer nicht kaltlassen. Als Begleiter des tiefgreifenden Wandels müssen sie daher auf ihre Kunden zugehen. Diese Notwendigkeit zeigt sich gut am Beispiel ESG: Wenn beispielsweise Energieerzeugung aus Kohle verschwindet, werden Teile von Versicherungsportfolios hier über die kommenden Jahre wegbrechen. Im Gegenzug entstehen neue, komplexe Technologien. Um aber Lösungen wie die Kohlenstoffspeicherung oder Wasserstoffstrategien sinnvoll abzusichern, muss die Industrieversicherung ihre weitreichende Expertise zur Verfügung stellen. Anstatt Kapazitäten einzuschränken, muss sie sich wieder mehr als Sparringspartner der Wirtschaft verstehen – denn nur mit einer technologieoffenen Versicherung bleibt die breite Masse der Unternehmen handlungsfähig.

Darüber hinaus gibt es auch noch Veränderungen, auf die wir selbst keinen großen Einfluss haben. So sehen wir eine massive Zunahme (geo-)politischer Unsicherheiten, mit denen wir insbesondere seit dem vergangenen Jahr konfrontiert sind. Kriegshandlungen und Terrorismus, Unruhen und Proteste aller Art treten immer häufiger auf und fügen Unternehmen teilweise erheblichen Schaden zu. Die Auswirkungen reichen von gestörten Lieferketten über geschwächte Demokratien und soziale Unruhen bis hin zu Sachschäden und Sanktionen. Die Politik der Ausschlüsse in der Industrieversicherung ist für diese Herausforderungen langfristig keine Lösung.

Offenheit für Daten und Technologien

Die meisten Unternehmen benötigen Risikotransferlösungen in Form von Versicherungsdeckungen, um in diesem Umfeld ihre Existenz nicht zu gefährden. Sie sind auf passgenaue Angebote angewiesen, für die sie aber auch entsprechende Informationen liefern müssen: Es gilt, Risiken individuell einzuschätzen und dies mit Daten zu untermauern. Die harte Marktphase hat diesen Trend noch verschärft, so dass viele durchaus Unterstützung benötigen, um die umfangreichen Informationen aufzuarbeiten und zusammenzustellen.

Auch die Versicherer ihrerseits benötigen fortschrittliche Technologien. Als Partner der Wirtschaft müssen sie Versicherungsangebote entwickeln, die adäquaten Schutz vor den neu aufkommenden Risiken bieten. Auch hier ist das Potenzial in puncto Datenanalysen noch nicht ausgeschöpft.

Vor diesem Hintergrund sprechen wir in der Theorie schon sehr lange über Daten-Pools und automatisierte Risikoaustauschplattformen. Um Risiken zu ermitteln und professionell zu managen, stehen uns bereits umfangreiche Daten-Pools zur Verfügung. Wir können Bedrohungen für Unternehmen aller Branchen und Größen sowie in den verschiedensten Umgebungen quantifizieren und für Risikoverantwortliche transparent darstellen. Alle Beteiligten sollten jedoch auf einheitliche Daten über Unternehmen, Risikoanalysen sowie auf Daten von Drittanbietern zugreifen, kurz: auf die gleiche Informationsgrundlage. Für eine erfolgreiche Industrieversicherung der Zukunft ist diese Automatisierung unverzichtbar.

Risikomanagement ist Gemeinschaftsaufgabe

Das GVNW-Symposium ist für alle Akteure – Versicherer, Unternehmen und Broker – relevant. Neben dem wichtigen Networking geht es vor allem darum, dass wir die Topthemen als Branche offen darlegen und die Möglichkeit nutzen, diese auch konstruktiv zu diskutieren. Nur mit diesem Spirit werden wir die Stimmungslage besser verstehen und uns gemeinsam zukunftsfähig aufstellen.

Autorin: Olga Losing-Malota, Corporate Risk & Broking, Head of Broking DACH bei WTW

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

sechzehn − eins =