Heikles D&O-Urteil: Nie mehr Leistungsfreiheit für wissentliche Pflichtverletzungen?

Diskutables D&O-Urteil des OLG Frankfurt. Bild von Jörg Möller auf Pixabay.

In D&O-Fällen wird oft viel geklagt: Nach einem (immer noch) druckfrischen Urteil des OLG Frankfurt (Urteil vom 17.03.2021 – 7 U 33/19; BeckRS 2021, 21475) kann sich ein D&O-Versicherer nicht auf die Klausel berufen, nach der er bei streitiger Wissentlichkeit der Pflichtverletzung vorläufig Deckung gewährt und nach „rechtskräftiger“ Feststellung der Wissentlichkeit zur Rückforderung der bereits erbrachten Abwehrleistungen berechtigt sein soll. Was das für die Branche bedeutet, erklärt Prof. Dr. Theo Langheid auf unserer Partnerwebseite VersR.

Der Versicherungssenat des OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Feststellung der Wissentlichkeit im Haftungsverfahren trotz des Grundsatzes der Bindungswirkung, der das Trennungsprinzip zwischen Haftungs- und Deckungsverfahren seit alters her ergänzt, nicht maßgeblich sein soll. Aber auch im Deckungsverfahren könne das Erfordernis der „rechtskräftigen“ Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung nicht erfüllt werden. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem zuständigen Gericht könne die Rechtskraft der erst noch zu fällenden Entscheidung niemals eingetreten sein. Das heißt: So sehr auch Vorsatz oder Wissentlichkeit in Bezug auf die den Schadensersatz auslösenden Pflichtverletzung zu bejahen sein werden, das zuständige Gericht wird zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nie deren Vorliegen in Rechtskraft feststellen können.

So weit, so absurd. Schadenfrohe könnten sich die Hände reiben, dass die D&O-Versicherer sich hier selbst ein Bein gestellt zu haben scheinen, indem sie eine „kundenfreundliche“ Klausel verwandt haben, die weit über die gesetzlichen Voraussetzungen der Leistungsfreiheit bei Vorsatz/Wissentlichkeit hinausgeht. Aber unabhängig davon, ob solche Formulierungen nicht als Maklerklauseln einer AGB-Kontrolle zugunsten des Versicherers unterliegen (und dann an § 103 VVG als gesetzlicher Vorgabe scheitern müssten), muss das Urteil des OLG Frankfurt überraschen. Nicht nur, dass § 103 VVG nicht einmal Erwähnung findet – danach ist der Versicherer ganz unabhängig von allen AVB-Formulierungen bei Vorsatz/Wissentlichkeit leistungsfrei – überzeugen schon die Ausführungen zur (verneinten) Bindungswirkung des Haftpflichtverfahrens nicht. Danach könne „eine rechtskräftige Feststellung der wissentlichen Pflichtverletzung (…) jedenfalls im Haftpflichtprozess nicht“ erfolgen. Dort würde „nur über den Haftpflichtfall entschieden, wobei in die Rechtskraft der dortigen Entscheidung der Versicherer nicht einbezogen ist, da er an diesem Rechtsstreit nicht als Partei beteiligt ist“ (Rz. 134). Es ist rätselhaft, warum der Senat die Einbeziehung des Versicherers in das Haftungsverfahren zu einer notwendigen Voraussetzung für den Eintritt der Bindungswirkung erklärt.

Warum das rätselhaft ist, das OLG Frankfurt in seiner Begründung „fast ein bisschen schadenfroh“ wirkt und eine zentrale Klausel diskutabel interpretiert wird, lesen Sie im kompletten Artikel auf unserer Partnerseite VersR.

Autor: Prof. Dr. Theo Langheid, gekürzt von der VWheute-Redaktion

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