BU-Urteil: BGH stellt klar, wann der Versicherungsfall eintritt

Bundesgerichtshof (BGH) urteil zur BU. Quelle: BGH.

Eine wichtige Entscheidung für alle (BU-)Versicherer. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der Versicherungsfall in einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Ablauf des sogenannten Sechsmonatszeitraums eintritt. Das gilt gemäß dem BGH dann, wenn die Versicherungsbedingungen nicht bestimmen, dass auch bei einer rückschauenden Betrachtung der Versicherungsfall ab dem ersten Tag des Sechsmonatszeitraums vorliegt.

In dem Sachverhalt hatte der Kläger mit seiner Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) eine Nachversicherungsgarantie vereinbart, nach welcher der Versicherungsumfang ohne erneute medizinische Risikoprüfung erhöht werden konnte, berichtet Wirth-Rechtsanwälte, die das Urteil erstritten. Der VN erlitt am 29. Juli 2016 einen Arbeitsunfall und ist seitdem nicht mehr arbeitsfähig. Am 11. Oktober desselben Jahres verlangte er die Erhöhung des Versicherungsschutzes um 100 Prozent. Diese Erhöhung bestätigte ihm die Versicherung mit einem Nachtrag vom 18. Oktober 2016 mit Wirkung zum 1. November des Jahres 2016.

Die Bedingungen

Zum Versicherungsfall „Berufsunfähigkeit“ hatten die Parteien laut Wirth unter anderem Folgendes vereinbart: „Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung, … 6 Monate ununterbrochen außerstande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben.“

Der Kläger meldete im Dezember 2016 Leistungsansprüche an, die von der Berufsunfähigkeitsversicherung im September 2017 anerkannt wurden. Allerdings zahlte die Versicherung nur die im Juli vereinbarte Rente von 500 Euro monatlich und nicht die im Nachtrag vereinbarte höhere Rente von 1.000 Euro. Dagegen wendete sich der Kläger und bekam vor dem BGH Recht.

Das Urteil

Der BGH führte zunächst aus, dass in der oben zitierten Klausel zwei Alternativen eines Versicherungsfalls geregelt sind. Die erste Alternative („sechs Monate ununterbrochen außerstande war“) erfordert eine rückschauende Betrachtung, die erst nach Ablauf dieses dort genannten Sechsmonatszeitraums möglich ist.

Die zweite Alternative („voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist“) ist hingegen in die Zukunft gerichtet. Laut dem BGH ergibt eine Auslegung der ersten Alternative, dass der Versicherungsfall „erst mit Ablauf der sechs Monate eingetreten ist“. Dies ergibt sich unter anderem aus der Formulierung: „Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person …“ und auch daraus, dass in den Bedingungen keine Rückwirkung des Versicherungsfalls auf den Anfang des Sechsmonatszeitraums vereinbart war.

Für den Kläger bedeutet diese Klarstellung des BGH, dass ihm aller Voraussicht nicht nur 500 monatlich, sondern 1.000 Euro monatlich als Berufsunfähigkeitsrente zustehen. Die in der ersten Alternative vereinbarten sechs Monate waren gerechnet vom 29. Juli 2016 erst im Januar 2017 vollendet und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die höhere Rente vereinbart war.

„Wir freuen uns zunächst, dass wir den Fall für unseren Mandanten nun doch vor dem BGH zu seinen Gunsten drehen konnten, nachdem das Landgericht Berlin und das Kammergericht die Klage abgewiesen hatten. Ebenso zeigt dieser Fall, wie wichtig es sein kann, durch versierte Fachanwälte vertreten zu werden, die auch den Weg zum BGH nicht scheuen“, erklärt Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, Partner der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte.

Urteil vom 14. Juli 2021 zum Geschäftszeichen IV ZR 153/20.

Autor: VW-Redaktion