Bafin: Warum das Bankenschweigen für die Versicherer teuer werden kann

Versicherungsfachmann Frank Grund. Quelle: Uli Deck / BGV.

Die Finanzbranche rückt zusammen, das führt nicht nur zu Gutem: Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach Bankkunden der Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zustimmen müssen, könnte auch für Versicherer teuer werden. Diese Einschätzung ließen die obersten Exekutivaufseher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bei der Jahrespressekonferenz durchblicken. Noch liegt für das Ende April ergangene Urteil zu den Kontoführungsgebühren keine Begründung vor. „Es hat aber das Potenzial für die Banken teuer zu werden“, sagte der kommissarische Bafin-Präsident Raimund Röseler.

Röseler schließt nicht aus, dass Schweigen für eine rechtssichere Änderung der AGBs auch für „andere Entgelte, andere Banken oder auch andere Branchen wie Versicherer“ künftig nicht mehr ausreichen wird. Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass die Postbank das Schweigen des Kunden zu einer Gebührenänderung nicht als Zustimmung deuten darf. In der Folge muss die Bank Gebühren seit dem 1. Januar 2018 zurückzahlen, was laut Röseler „bis zur Hälfte des Jahresüberschusses ausmachen“ könnte.

Im Fokus der diesjährigen Jahrespressekonferenz der Aufsicht standen die Kreditwirtschaft und der Umbau der Aufsicht nach dem Wirecard-Dilemma. Eine Systemkrise bei den Banken sieht Röseler nicht, betonte aber: „Eine Entwarnung können wir derzeit nur für das System aussprechen, also die Branche als Ganzes. Das eine oder andere Institut, das schon vor der Krise auf wackligen Beinen stand, übersteht die Pandemie möglicherweise nicht.“ Die Bafin werde dafür sorgen, dass Insolvenzen ordentlich vonstattengingen oder das Institut abgewickelt werde. Eine zweistellige Zahl von Kreditinstituten liegt seiner Schilderung nach auf der „Intensivstation“ und wird besonders eng beaufsichtigt. In der Assekuranz stehen aktuell rund 40 Pensionskassen und 20 Lebensversicherer unter „Manndeckung“.

Und die Versicherer?

Über die Aussagen auf der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht am 21. April hinaus gab es nur bei Details neues. Die deutsche Versicherungswirtschaft hat sich nach den Worten von Dr. Frank Grund auch in Corona-Zeiten als „robust und resilient“ erwiesen. Allerdings gebe es keinen Grund nachlässig zu werden, da sich die Risiken der Realwirtschaft im Zuge der Pandemie noch nicht oder noch nicht vollständig niedergeschlagen hätten. Die Kapitalanleger mahnte der oberste Versicherungsaufseher zur Vorsicht.

Neben den Auswirkungen einer Insolvenzwelle ging es in der Konferenz mehrfach um die Werthaltigkeit von Gewerbeimmobilien durch ein geändertes Nutzerverhalten. Die Aufsicht habe „Sorge um einen Teil der Gewerbeimmobilien“, so Röseler. Er wies darauf hin, dass die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die beaufsichtigten Unternehmen und die Finanzmärkte einer der Aufsichtsschwerpunkte 2021 seien. Bei einer „mittleren zweistelligen Zahl“ von Bankinstituten liefen hierzu bereits Werthaltigkeitsprüfungen.

Wie bei früheren Anlässen nannte Grund den Niedrigzins die wichtigste ökonomische Herausforderung für Lebensversicherer und Pensionskassen – auch wenn der Zins zuletzt ein wenig gestiegen sei. Die Aufsicht gehe davon aus, dass die Niedrigzinsphase noch lange bestehen bleibt.

Entgegen dem Eindruck, der bei der kürzlichen Veröffentlichung der drei Schwerpunktthemen der Aufsicht für 2021 entstanden ist, hat das Thema Nachhaltigkeit für die Aufseher weiterhin eine hohe Priorität. Von der Hälfte der größten Versicherer will die Aufsicht aktuell wissen, wie sie mit dem „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ verfährt.

Die Bafin plant eine eigene Leitlinie für nachhaltige Investments, die über die EU-Verordnungen zur Offenlegung und zur Taxonomie hinausgehen soll. Um „Greenwashing“ vorzubeugen, soll beispielsweise festgelegt werden, wie viel Prozent einer Anlage „grün“ sein müssen und ob Investitionen in fossile Brennstoffe noch möglich sind. Zum Entwurf wird die Bafin zur Konsultation einladen. Die Befürchtungen der Branche, dass es zu Blasenbildung bei Green Investments kommen wird, räumte Grund nicht aus. Mit einem ordentlichen Riskmanagement sollten die Anleger „gut aufpassen“. Es gebe zu wenig „grüne Projekte“. Er sei gegen einen „Green Supporting Factor“. Diskutiert wird, ob die Eigenkapitalvorschriften dahin gehend geändert werden sollen, dass für Investitionen in nachhaltige Kapitalanlagen weniger Risikokapital vorzuhalten ist.

Zum Thema „Provisionsdeckel“ sagte Grund, dass „ganz konkrete Untersuchungen bei einzelnen Unternehmen laufen“, ob es nach § 48a Versicherungsaufsichtsgesetz (Vertriebsvergütung und Vermeidung von Interessenkonflikten) zu Fehlanreizen kommt. Bis zum Jahresende rechnet er mit Ergebnissen.

Autorin: Monika Lier