Unsittliches Verhalten oder juristische Grauzone – was darf ein Makler in der LV?

Hat ein österreichischer Makler massiv Kunden getäuscht? Bild von mohamed Hassan auf Pixabay.

In Österreich  hat der Versicherungsmakler G. mit „dubiosen Methoden Millionen gemacht“, erklärt eine Zeitung nach umfangreichen Recherchen. Eine Betroffene wehrt sich vor Gericht gegen das Geschäftsgebaren, die zuständige (Lebens-)Versicherung ist sich keiner Schuld bewusst. Makler und Verbraucherschützer sind über das Handeln von G. entsetzt; das Gericht hat eine ganz eigene Sicht auf die Dinge.

Ein Makler hat seinen Kunden Lebensversicherungen verkauft und sich nachträglich als Begünstigter eintragen lassen. Die Zeitung „Der Standard“ spricht von einer „hohen zweistelligen Zahl“ von betroffenen Uniqa-Lebensversicherungen. An dem Vorgehen von G. habe sich „weder die Uniqa noch die Staatsanwaltschaft Wien im Zuge eines Ermittlungsverfahrens gestört“. Das gehe „aus den Ermittlungsakten“ sowie „den betreffenden Versicherungspolizzen hervor“, die der Zeitung vorliegen. Zusätzlich wurde über Monate rund um G. und seine Geschäftspraktiken recherchiert und dafür auch mit mehreren (ehemaligen) Klienten gesprochen, versichert das Blatt.

Versicherer mit fragwürdigen Entscheidungen

Im Zentrum des Falls steht das Ehepaar Peter und Irene Ranftl. Der Fall sei „exemplarisch für das Handeln von G.“ Während eines Krankenhausaufenthalts überzeugt der Vermittler den Mitpatienten Ranftl – er 68, seine Frau Irene 65 – zum Abschluss einer „gemischten Er- und Ablebensversicherung“. Ob der Abschluss 2005 oder 2006 erfolgte, wird aus dem Artikel nicht klar. Die Laufzeit der Versicherung beträgt 20 Jahre, die Prämien je 25.000 Euro pro Jahr. Auf die Vertragsinhalte angesprochen schreibt der Versicherer Uniqa: Die Limits hinsichtlich Alter und Prämienhöhe seien eingehalten worden. Sie habe „keinen Einfluss auf die Beratungsleistung eines Maklers“.

Im Jahr 2008 reduziert Ranftl die Prämie, im Juni 2011 stellt er beide beitragsfrei. Im Jahr 2009 schließt das Ehepaar Ranftl allerdings „zwei weitere Lebensversicherungen über G. bei der Uniqa ab“, laut Blatt sind die Prämien „hoch“, die Laufzeiten „lang“. Der Gesundheitszustand Ranftls verschlechtert sich, im Jahr 2013 kann er die Prämien nicht mehr bezahlen.

Zwei Aussagen

Laut Standard wäre G. auf Ranftl mit dem Vorschlag zugegangen, dass dieser die Polizzen „an eine dritte Person übergeben“ solle, die anschließend die Prämien „an seiner Stelle weiterbezahlen würde“.

G. erklärt, er sei mit dem Vorschlag an Ranftl herangetreten, „die Polizzen selbst zu übernehmen und die Prämien fortan zu bedienen“. Dieser sei „begeistert gewesen“. Es habe eine „mündliche Vereinbarung“ zwischen G. und Peter Ranftl gegeben, dass im Falle einer Auszahlung das Geld „intern anteilig aufgeteilt werde“ und „G. für die Übernahme der Prämien von Ranftl eine zusätzliche Entschädigung erhalten solle“.  Die Ehefrau Irene Ranftl bestreitet diesen Sachverhalt, eine Verschriftlichung gibt es nicht.

Was definitiv existiert, ist eine von Ranftls „unterschriebene Blanko-Veränderungsanzeige“, datiert am 16. November 2013. Mit diesem Formular können sowohl Versicherungsnehmer als auch Begünstigter geändert werden. Die Ranftls „tragen sich als bisherige VN ein und unterschreiben“. Die Spalte des „neuen VN und somit auch neuen Begünstigten“ bleibt laut Zeitung „zunächst frei“.

Wenige Tage später holt G. vom Ehepaar noch eine „versicherungstechnische Vollmacht“ ein. Im Jahr 2014 lässt er sich damit bei der Uniqa „in allen Lebensversicherungen als neuen Begünstigten eintragen“ und bedient die jährlichen Prämien „fortan großteils selbst“.

Irene Ranftl bestritt im Prozess die Echtheit einzelner Veränderungsanzeigen. Ein diesbezügliches Gutachten auf Basis von Kopien kam zum Schluss, „dass derartiges Material nur hinweisliche, tendenzielle Aussagen zur Schrifturheberschaft zulässt“, jedoch insgesamt für die Echtheit der Unterschriften spricht.

Ohrenbetäubende Alarmglocken?

„Das ist alles in allem höchst ungewöhnlich. Das sind Praktiken, die höchst seltsam sind und auch dem gewöhnlichen Geschäftsgebaren eines Versicherungsmaklers nicht entsprechen“, erklärt Christian Prantner, Teamleiter des Bereichs Finanzdienstleistungen bei der Arbeiterkammer und seit Jahren im Bereich Konsumentenschutz tätig. „Wir als Makler haben eine Verpflichtung gegenüber dem Kunden, seine Interessen zu wahren. Dieses Verhalten ist in höchstem Maße unseriös, unsittlich und unredlich. Solche Aktivitäten wollen wir in unserem Berufsstand nicht“, erklärt Christoph Berghammer, Obmann des Fachverbands der Versicherungsmakler in der Wirtschaftskammer. Das sieht der betroffene Versicherer anders. „Dass die Übertragung auf den vermittelnden Makler erfolgen soll, kommt nicht täglich vor, ist allerdings auch nicht völlig ungewöhnlich“, erklärt die Uniqa laut Standard.

Standard-Recherchen haben ergeben, dass „weitere Geschädigte“ die Uniqa auf die Praktiken von G. „wiederholt aufmerksam gemacht haben“. Dies zeige sich insbesondere in der Aussage eines Mitarbeiters der Uniqa-Rechtsabteilung im Zuge eines Verfahrens im Oktober 2014: „Es kam zu einer massiven Häufung von Vorwürfen gegen den Beklagten als Makler wegen unlauterer Wettbewerbsmethoden, die mittlerweile auch nachgewiesen wurden.“ Konkret sprach der Jurist davon, „dass dem Beklagten regelmäßig vorgeworfen wurde, dass er die Versicherungsnehmer unter Druck setzt“.

Auch der Schlichtungskommission war G. nicht unbekannt. Unterlagen würden zeigen, dass der zuständige Fachverband im März 2014 mit einem Fall befasst war, in dem G. nach vorzeitiger Kündigung zu Unrecht Provisionen zurückforderte. Die Schlichtungskommission attestierte G. damals „wettbewerbswidriges Verhalten“.

Unternehmen wie Uniqa beendeten die Zusammenarbeit mit G. laut Zeitung erst nach „eigenen Rechtsstreitigkeiten“ und als die Kundenbeschwerden „überhandnahmen“.

Zurück zu Ranftl

Im Ermittlungsverfahren „häufen sich die Hinweise“, dass G. nicht nur bei Ranftls Uniqa-Lebensversicherungen im Nachhinein als Begünstigter auftaucht. Eine Mitarbeiterin der Abteilung Legal & Compliance schreibt laut Standard: „Herr G. hat noch weitere Lebensversicherungsverträge übertragen und sich bei diesen als Begünstigter eintragen lassen.“

G. war „zeitweise in einer hohen zweistelligen Zahl an Lebensversicherungen als Begünstigter geführt“,  würden „weiterführende Recherchen“ des Standards zeigen. Er habe selbst jährlich Prämien in Höhe von „insgesamt über 250.000 Euro“ bestritten. „Selbst Uniqa-Mitarbeiter“ hätten sich verwundert gezeigt, dass eine „derartig dubiose Konstruktion“ überhaupt – „und noch dazu in einer so großen Anzahl“ – möglich ist. Die Alarmglocken hätten „ohrenbetäubend laut klingeln müssen“.

Der Versicherer widerspricht und verweist auf eine interne Ermittlung. „Die Ergebnisse waren, dass die Uniqa-Mitarbeiter keinen Fehler begangen haben. Das Ehepaar Ranftl ist möglicherweise einem Betrug zum Opfer gefallen, den Uniqa nicht verhindern hätte können. Die Geschäftsbeziehung bestand zwischen 1991 und 2013 und wurde seitens Uniqa aufgekündigt aufgrund zunehmender Unstimmigkeiten in der Zusammenarbeit.“

Was sagt der Richter?

Für die Zeitung ist der Fall klar. G. sei „über Jahrzehnte“ durch eine „Mischung aus irreführender Beratung, dubiosen Geschäftsmethoden und dem zögerlichen Handeln der Versicherungen“ zu „viel Geld“ gekommen. Das sieht das Gericht im Fall Ranftl anders.

Trotz der genannten Indizien stellt die Staatsanwaltschaft Wien den Fall Ranftl ein. Die Behauptung von G. könne „nicht zweifelsfrei widerlegt werden“. Damit bezieht sich das Gericht auf die Aussage, dass G. nach dem Tod von Peter Ranftl die Versicherungssumme gemäß der mündlichen Vereinbarung an Irene Ranftl ausgezahlt hätte. Dass Ranftl wohl kein Einzelfall ist, wurde von der Staatsanwaltschaft als „nicht verfahrensrelevant“ erachtet.

Verstirbt Irene Ranftl, wird die Versicherungssumme an G. ausbezahlt. Ranftls Anwalt will nun Zivilklage einreichen.

Autor: Maximilian Volz