Mehr Schutz für Betriebsrenten in der Insolvenz: Muss der PSV-Schutz nachgebessert werden?

Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Quelle: BAG

Jetzt ist sie da – die Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil vom 26. Januar 2021 (Az.: 3 AZR 878/16). Es ging um die Sicherung eines Betriebsrentenanspruchs im Durchführungsweg Pensionszusage, der beim Eintritt der Insolvenz noch nicht (gesetzlich) unverfallbar war. Nach deutschem Recht gilt in diesem Fall: „Pech gehabt“ – der Pensions-Sicherungs-Verein steht nicht ein. Und auch nicht der Betriebserwerber, der in diesem Fall das insolvente Unternehmen und die Arbeitnehmer nach § 613a BGB übernahm.

Doch die obersten Arbeitsrichter legten diesen und einen weiteren Fall aus dem gleichen Insolvenzgeschehen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Und der EuGH (Urteile vom 9. September 2020, C-674/18 und C-675/18 – TMD Friction) ließ zwar die deutschen Regelungen zur Unverfallbarkeit bestehen, legte aber die europäische Insolvenz-Richtlinie (Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG), die die Ansprüche von Arbeitnehmern im Insolvenzfall sichert, so aus, dass egal, ob nach deutschem Recht verfallbar oder unverfallbar immer der europäische Mindestschutz einer Betriebsrente gegeben sein muss. Diesen Mindestschutz sieht das EuGH in ständiger Rechtsprechung bei mind. 50 Prozent der Betriebsrente oder zusätzliche Sicherung, wenn der Betriebsrentner durch die Kürzung unter die sog. Armutsgefährdungsschwelle nach Eurostat fällt. Für diesen Mindestschutz muss letztlich der deutsche Staat sorgen, es kann aber auch eine damit beauftragte Einrichtung, wie z.B. der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) „zuständig“ sein.

Am 26. Januar 2021 folgte das Bundesarbeitsgericht den Vorgaben des EuGH und konnte dem Arbeitnehmer, dessen Anspruch bei Eintritt der Insolvenz noch verfallbar war, Hoffnung machen. Zwar war die Klage gegen seinen Arbeitgeber, der den Betrieb nach der Insolvenz erworben hatte, erfolglos. Aber der Pensions-Sicherungs-Verein ist – so das Bundesarbeitsgericht – nach europäischem Recht zum Mindestschutz nach der Insolvenz-Richtlinie verpflichtet – unabhängig von den Bestimmungen des § 7 BetrAVG. Der Erwerber eines insolventen Unternehmens – gegen den sich im entschiedenen Fall die Klage des Arbeitnehmers richtete – muss ausdrücklich nicht für die Zeit vor Eintritt der Insolvenz haften!

Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

  1. „Die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts gehen § 613a BGB als Spezialregelungen auch für noch nicht gesetzlich unverfallbare Anwartschaften vor. Der Erwerber haftet nicht, wenn diese für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind. Der Arbeitnehmer kann seine Ansprüche als aufschiebend bedingte Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden.
  2. Arbeitnehmern muss als Mindestschutz ihrer Forderungen aus Direktzusagen auf betriebliche Altersversorgung ein Anspruch nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b Richtlinie 2001/23/EG iVm. Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG gewährt werden. Das ist in Deutschland gesichert, da das Unionsrecht den Arbeitnehmern einen unmittelbaren Anspruch gegen den PSV einräumt.
  3. Der PSV ist auch eintrittspflichtig, wenn die vom Arbeitnehmer erworbene Anwartschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich noch nicht unverfallbar ist. Er ist zur Garantie des insolvenzrechtlichen Mindestschutzes nach Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG verpflichtet.“

Hinweis für die Praxis

Das Urteil ist zwar zu einer Pensionszusage ergangen, allerdings ist aufgrund der Begründung klar, dass diese Auslegung der Insolvenz-Richtlinie im Falle einer Insolvenz für alle Durchführungswege zu gelten hat. Mit anderen Worten: Im Insolvenzfall muss der PSV (und sollte dieser nicht zuständig sein, dann die Bundesrepublik Deutschland selbst) in jedem Fall den Mindestschutz der Anwartschaft/Betriebsrente in jedem Durchführungsweg gewährleisten. Das gilt auch für nach deutschem Recht verfallbare Anwartschaften, also arbeitgeberfinanzierten Versorgungen.

Nach der Neuregelung der Unverfallbarkeitsvorschrift für arbeitgeberfinanzierte Versorgungen (mindestens Vollendung 21. Lebensjahr, drei Jahre Zusagedauer ) mögen das nicht mehr allzu viele Neu-Fälle sein. Allerdings sind von dieser Auslegung natürlich auch „Altfälle“ erfasst. Und in der Vergangenheit waren arbeitgeberfinanzierte Versorgungen teilweise erst mit Vollendung des 35. Lebensjahres und nach zehn Jahren unverfallbar – also reichlich Zeit für den Erwerb von verfallbaren Anwartschaften vor einer Insolvenz.

Man darf gespannt sein, ob, wie und wann der Gesetzgeber und PSV auf dieses Urteil reagieren. Die Auslegung der europäischen Insolvenz-Richtlinie hat ja 2020 für die Einführung des PSV-Schutzes bei Pensionskassen gesorgt, möglicherweise muss das Betriebsrentengesetz an diese neuerliche Rechtsentwicklung angepasst werden.

Autor: VW-Redaktion

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