OLG Stuttgart: Allianz muss bei Widerrufsfolgen bei Sofortrentenversicherungen auf den Einzelfall schauen

Ehemalige Manager der EEV AG müssen sich wegen Betruges verantworten. Quelle: Bild von Sang Hyun Cho auf Pixabay

Die Allianz darf die Widerrufsfolgen bei Sofortrentenversicherungen nicht unabhängig vom Einzelfall berechnen. Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden (Az.: U 565/19). Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg.

Im konkreten Fall ging es um die Police einer 84-jährigen Dame, die 50.000 Euro in eine „Allianz PrivatSofortRente Klassik“ investiert hatte. Daraus sollte sie jährlich knapp 4.200 Euro Rente erhalten. Der Vertrag beinhaltete natürlich eine Widerrufsbelehrung. Auch die Widerrufsfolgen waren geregelt.

Demnach sollte die Verbraucherin über 138 Euro pro Tag bis zum Widerruf zahlen. Hätte die Betroffene erst am Ende der gesetzlichen Frist von 30 Tagen widerrufen, so hätte sie über 4.100 Euro an die Allianz zahlen müssen, so die Verbraucherschützer.

Die Allianz muss es nach dem rechtskräftigen Urteil des OLG Stuttgart unterlassen, für die Zeit bis zum Widerruf einen Betrag zu verlangen, der sich nach der Formel berechnet: „Tagessatz lebenslange SofortRente = Einmalbetrag / ((erwartetes Lebensalter – Eintrittsalter der versicherten Person) x 360)“. Für den vorliegenden Fall bedeutet das: Tagessatz = 50.000 Euro / ((85-84) x 360) = 50.000 Euro / 360 = 138,88 Euro.

Damit werde die Allianz-Berechnung nicht dem tatsächlichen Risiko gerecht. Laut Gericht dürfe der zu zahlende Betrag nicht so bemessen sein, dass er als Vertragsstrafe ausgelegt werden könne. „Diese Widerrufsfolge ist geeignet, um Verbraucherinnen und Verbraucher vom Widerruf abzuhalten. Gut, dass das OLG Stuttgart der Praxis einen Riegel vorgeschoben hat“, kommentiert Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Allianz sieht keine Auswirkungen durch das Urteil

Die Allianz sieht die Entscheidung der Stuttgarter Richter dennoch gelassen: „In seiner Entscheidung vom 21. Januar 2021 hat das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart) bestätigt, dass die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung auch im Fall von sofort beginnenden Rentenversicherungen mit Einmalbeitragszahlung anzuwenden ist. Dies war von der Verbraucherzentrale Hamburg in Zweifel gezogen worden. Das OLG Stuttgart ist damit der diesbezüglichen Position der Allianz Lebensversicherungs-AG und des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Stuttgart gefolgt“, heißt es in einer Stellungnahme für VWheute.

„Stattgegeben hat das OLG Stuttgart allein einem der Hilfsanträge der Verbraucherzentrale Hamburg: nur in Konstellationen, die dem der Klage zugrundeliegenden Sachverhalt (Alter der Versicherungsnehmerin bei Vertragsabschluss 84 Jahre) genau entsprechen, wurde Allianz Leben verpflichtet, bei der Berechnung des für die Zeit bis zum Widerruf einzubehaltenden Prämienanteils zukünftig nicht mehr eine geschlechtsunabhängige Lebenserwartung von 85 Jahren zugrunde zu legen und einen darauf beruhenden Betrag in den Hinweisen zu den Widerrufsfolgen auszuweisen“, so die Allianz.

Zudem habe die Entscheidung „für die Allianz Lebensversicherungs-AG keine praktischen Auswirkungen, da das Verfahren bereits vor mehreren Jahren angepasst worden ist. Es kann in keinem Fall, auch nicht in vergleichbaren Konstellationen wie der dem Urteil zugrundeliegenden, zum Ausweis eines unangemessen hohen Betrags kommen. Sofortrenten stellen eine attraktive Möglichkeit dar, gegen eine Einmalzahlung ein garantiert lebenslanges, monatliches Einkommen zu erzielen. Dies kann nur durch Rentenversicherungen gewährleistet werden und so leisten Sofortrenten einen wichtigen Beitrag zur privaten Vorsorge vieler Menschen.“

Autor: VW-Redaktion