Niedrigzinsphase nach Corona: Aktuare sehen Gefahr für die bAV

Spielt die Zeit gegen die bAV.? Bild von Simone Lugli auf Pixabay

Covid-19 und die Niedrigzinsen sind bAV-Gift. Das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersvorsorge (IVS) sieht durch die COVID-19-Pandemie die Niedrigzinsphase zementiert. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Systeme der betrieblichen Altersversorgung. Führende Aktuare sind besorgt und haben Lösungen.

Dr. Friedemann Lucius, Vorstandsvorsitzender des IVS, warnt deutlich: „Corona wird die betrieblichen Versorgungssysteme kurz- und mittelfristig zwar belasten, ihre Funktionsfähigkeit aber insgesamt nicht gefährden. Die langfristigen Wirkungen sind gravierender. Denn alles spricht dafür, dass Corona die Niedrigzinsen auf unabsehbare Zeit zementiert. Vor allem dagegen müssen die Systeme der betrieblichen Altersversorgung gestärkt werden.“

Als Grund nennt Lucius die EZB-Politik: „Sorge bereiten uns dagegen die langfristigen Wirkungen: Das 1,35 Billionen Euro schwere Anleihenankaufprogramm der Europäischen Zentralbank trifft auf einen Markt, in dem aufgrund des demografiebedingten Spar- und Vorsorgedrucks bereits eine hohe Nachfrage herrscht“, konstatiert Lucius. Alles spreche dafür, dass dadurch die tiefen Zinsen auf unabsehbare Zeit zementiert werden. Die Langlebigkeit ist weniger betroffen. Denn die Coronabedingten Todesfälle sind nach Auffassung des IVS statistisch nicht signifikant genug, um sich auf die Einschätzung des Trends zur Verlängerung der Lebenserwartung aller Versorgungsberechtigten auswirken zu können. Aus der andauernden Niedrigzinsphase leiten die bAV-Aktuare mehrere Forderungen ab.

Was ist das Minimum?

Mittlerweile sind die Zinsen so niedrig, dass der Beitragserhalt aus aktuarieller Sicht nur mit Mühe, wenn überhaupt, versicherungsförmig garantiert werden kann, führt Lucius aus. „Das ist ein Riesenproblem. Denn die Beitragszusage mit Mindestleistung verlangt den Beitragserhalt. Das Arbeitsrecht muss hier dringend nachziehen, damit dem Arbeitgeber nicht Garantien aufgebürdet werden, die ein aufsichtsrechtlich regulierter Versorgungsträger so nicht mehr übernehmen kann.“

Die IVS-Aktuare können sich in der bAV Garantieniveaus deutlich unterhalb des Beitragserhalts vorstellen. Nur dann sei es möglich, nennenswerte Teile des Beitrags risikoreicher, dafür aber mit Aussicht auf mehr Leistung anzulegen. „Es ist eine gewaltige Herausforderung, diesen Zusammenhang glaubhaft zu vermitteln“, gesteht Lucius ein. „Aber alle Beteiligten sollten diese Krise insofern auch als Chance verstehen, die vorherrschende Garantiefixierung sukzessive aufzubrechen und dem Gedanken zum Durchbruch zu verhelfen, dass weniger Garantie auch Aussicht auf mehr Leistung bedeuten kann.“

Deutsche Unternehmen werden durch Betriebsrenten stark belastet. Dies verstärkt sich durch die COVID-19-Pandemie.  „Mit Corona ist ein nachhaltiger Wiederanstieg der Zinsen in weite Ferne gerückt. Der HGB-Rechnungszins für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen wird weiter sinken und die Unternehmen in den nächsten Jahren nach Schätzungen des IVS mit ca. 80 Mrd. Euro ergebniswirksam belasten“, warnt Stefan Oecking, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des IVS.

Forderung nach Moratorium

Um diese verhängnisvolle Abwärtsspirale zu durchbrechen, fordern das IVS und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in einer gemeinsamen Initiative, den HGB-Rechnungszins für Pensionsrückstellungen („BilMoG“-Zins) bis Ende 2022 einzufrieren und die Zeit für eine grundlegende Überarbeitung des Ansatzes zu nutzen. „Die Arbeitgeber brauchen in der aktuellen wirtschaftlichen Krise dringend wirtschaftliche Entlastung. Aber noch wichtiger ist, dass sie ihre Verpflichtungen mit einem sachgerechten Zins bewerten können, der allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen entspricht“, sagt Oecking.

Das IVS kritisiert, dass die Bewertung der Pensionsverpflichtungen an die „zum Teil erratische und volkswirtschaftlich kaum noch vernünftig nachvollziehbare Entwicklung der Kapitalmärkte“ geknüpft wird, ohne dass diese Kapitalmarktentwicklungen zu den erteilten Zusagen oder zur Geschäftstätigkeit der Unternehmen in irgendeiner Beziehung stünden. Zwar würden durch die 10-jährige Durchschnittsbildung Kapitalmarktschwankungen geglättet, trendbedingte Änderungen wie die beispiellose Niedrigzinsentwicklung der letzten Jahre schlügen jedoch unmittelbar und ohne ausreichende Dämpfung voll auf die Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung durch. Dadurch würden die Unternehmen einem permanenten, handelsrechtlich unsachgemäßen Nachdotierungsrisiko ausgesetzt.

„Mit einer Direktzusage wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Schuldverhältnis begründet, das sich regelmäßig über Jahrzehnte erstreckt. Dabei stellt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber wirtschaftlich einen Teil seines Vergütungsanspruchs gewissermaßen als Darlehen zur Verfügung, das mit Zahlung der Versorgungsleistung getilgt wird“, erläutert Oecking. Die resultierende Pensionsverpflichtung sei in der Handelsbilanz mit ihrem Erfüllungsbetrag unter Berücksichtigung auch der aufgeschobenen Zinszahlungen zu bewerten. „Wir halten es für sachgerecht, für die Bewertung eines solchen Schuldverhältnisses handelsrechtliche Maßstäbe anzulegen, die mit denen für die Bewertung von Darlehensverpflichtungen mit aufgeschobenen Zinszahlungen vergleichbar sind. Das bedeutet insbesondere, dass der Zinssatz für die Dauer des Schuldverhältnisses grundsätzlich unveränderlich festgelegt wird“, fasst Oecking die Position der Pensionsaktuare zusammen.

Autor: VW-Redaktion

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