Finanzministerium präsentiert neue Munition für Provisionsdeckel

Jörg Kukies, Staatssekretär Finanzen, Quelle: Manfred Brüss.

Das Coronavirus beeinflusst mittlerweile auch kleinere Kongressveranstaltungen. Beim 21. MCC-Kongress zum Zukunftsmarkt Altersvorsorge sagten Referenten wie auch Fachbesucher reihenweise ab. Gleichwohl blieb auch die unter der Moderation von Professor Bert Rürup stehende Veranstaltung spannend: Finanzstaatssekretär Jörg Kukies verwies auf die Notwendigkeit eines Provisionsdeckels beim Vertrieb von Lebensversicherungen und belegte das mit neuen Bafin-Daten.

Die Deutsche Rentenversicherung warnte vor Überforderungen durch die Grundrente und die Vorsorgepflicht für Selbstständige. Die kleine Politikerrunde überraschte mit Konsens bei der Versicherungspflicht für Abgeordnete. Kukies sagte auf dem zweitägigen Kongress in Berlin, die Bundesregierung strebe einen fairen Ausgleich zwischen Versicherungsnehmern und dem Versicherungsvertrieb an. Danach soll der Provisionsdeckel bei 2,5 Prozent greifen und bei besonders guter Beratung bis auf vier Prozent ansteigen dürfen. „Wir haben neue Zahlen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bekommen“, sagte Kukies. Danach würden die Provisionen in 30 Prozent aller Fälle über vier Prozent und in Einzelfällen sogar bis zu sieben Prozent reichen.

Bei dem im Koalitionsvertrag vereinbarten neuen standardisierten und kostengünstigen Riester-Standardprodukt sei man auf gutem Weg, sagte Kukies. Die Riester-Produktanbieter hätten konkrete Vorschläge gemacht. „Wir nehmen den Dialog sehr ernst.“ Nach den Vorgesprächen seien jetzt Arbeitsgruppen gebildet worden, die ergebnisoffen Detaillösungen erarbeiten sollten. Kukies ließ erkennen, dass man bei Riester auch von der Beitragsgarantie abgehen könnte. Und mit Blick auf die ärgerlichen Rückforderungen von Riester-Zulagen sagte Kukies, man müsse jetzt die Handhabbarkeit bei den Zulagen verbessern. Zum Sozialpartnermodell des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) sagte der Staatssekretär: „Wir sind optimistisch, dass das Sozialpartnermodell greifen wird.“ Bislang steht entgegen anderslautender Meldungen ein Pilotprojekt aber noch aus.

Rentenversicherung warnt vor Überforderungen durch die Politik

Die Koalition von CDU/CSU und SPD hatte sich im Februar auf einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Grundrente verständigt. Dieser soll bis zum Sommer verabschiedet werden und ab 1. Januar 2021 in Kraft treten. Die Detailarbeit soll die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) leisten. DRV-Direktoriumsmitglied Stephan Fasshauer erklärte in Vertretung seiner Präsidentin Gundula Roßbach – sie musste an der Sitzung der Rentenkommission teilnehmen – man müsse den gesamten Bestand der rund 21 Millionen Rentner durchforsten. Verwaltungstechnisch stehe die Rentenversicherung vor einer gewaltigen Aufgabe. Fasshauer rechnete mit Vorlaufkosten in Höhe von etwa 400 Millionen Euro. Folgekosten würden jährlich etwa 200 Millionen Euro ausmachen. Herausfordernd sei auch, zusätzliches Personal mit den nötigen Kenntnissen im Renten- und Steuerrecht zu rekrutieren. Jedenfalls könne die Rentenversicherung die neue Grundrente nicht zum 1. Januar 2021 auszahlen. Allein im Kernrechensystem müssten tausende von Änderungen vorgenommen werden. Fasshauer warnte zugleich vor einer neuen Überforderung der Rentenversicherung, wenn die Koalition die Vorsorgepflicht für Selbstständige vorrangig bei der Rentenversicherung beschließt. Man sollte dann aber nicht an den Bestand der Selbstständigen gehen, sondern nur neue Selbstständige mit der Vorsorgepflicht erfassen.

Sozialpolitiker zeigen sich offen für Versicherungspflicht für Abgeordnete

Die zahlreichen Absagen ließen auch die übliche Runde der Sozialpolitiker zusammenschmelzen. Professor Rürup bescheinigte der Koalition auch bei der Grundrente „massive handwerkliche Fehler“ gemacht zu haben. Der hierfür zuständige SPD-Berichterstatter Ralf Kapschack räumte ein, dass der Gesetzentwurf etwas sperrig geworden sei, da man den Entwurf bis zum letzten Bindestrich ausgehandelt habe. Ein Gewerkschaftsvertreter warf der Koalition vor, die Rentenversicherung zur „Schnüffelbehörde“ machen zu wollen, wenn diese auch noch Bankschließfächer einsehen dürfte. Auch Fasshauer sagte, solches Vorgehen passe nicht zur Rentenversicherung. Er hoffe noch auf Änderungen im parlamentarischen Verfahren.

In der allgemeinen Aussprache kam die Frage auf, ob nicht auch für Bundestagsabgeordnete eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen sollte. Das würde schon Sinn machen waren sich die Rentenpolitiker von SPD, Die Linke und FDP einig. Allerdings hat dies auch seine Tücken. In diesem Fall würde der Rentenanspruch gegenüber der jetzigen Versorgung um 73 Prozent niedriger liegen, sagte Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Links-Fraktion. Man könnte etwa die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen oder eine Betriebsrente für Abgeordnete schaffen.

Eine Versicherungspflicht sei jedenfalls dringend geboten. Auch Johannes Vogel von der FDP sprach sich für die Versicherungspflicht aus. Würde man dann aber die Diäten anpassen, könne er sich schon die Schlagzeile in der „Bild“-Zeitung vorstellen, wie sich Abgeordnete durch den Griff in die Staatskasse bereichern wollten.

Am Dienstagabend wurde der Preis für die besten betrieblichen Altersversorgungen (bAV) verliehen. Bei den Großunternehmen belegte die Techniker Krankenkasse, die einen der größten Pensionsfonds in Deutschland gegründet hatte, den ersten Platz. Bei den kleinen und mittelgroßen Unternehmen konnte der Pharmadienstleister Vetter aus Ravensburg den ersten Platz belegen, wie Willis Towers Watson gestern mitteilte.

Autor: Manfred Brüss

Ein Kommentar

  • Die Frage ist: Gibt es Kunden, die Altersvorsorge auch online oder ohne stundenlande Beratung abschließen können? Nur dann sind deutlich geringere Provisionen möglich, das würde aber mehr Finanzbildung und mehr Bereitschaft der Kunden erfordern, sich selbst mit diesen Themen auseinander zu setzen. Gleichzeit müsste man das Bild des armen, schutzbedürftigen Kunden revidieren…
    Ansonsten gilt: Gute und zeitaufwendige Beratung kostet Geld!

    Komisch am Ende der Passus, in dem Politiker plötzlich merken, dass Rentenansprüche im gesetzlichen System geringer sind und durch die BBG gedeckelt – willkommen in der Realität! Und NEIN, Sinn es ganzen ist es nicht, den Effekt anderweitig auszugleichen, es gibt die Möglichkeit selbst Gehaltsbestandteile in eine bAV umzuwandeln, die sollte genauso für Abgeordnete/Politiker ziehen…

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