Cyberschutz für Mittelständler wird günstiger

Scor-Partner Atidot ist ein Anbieter von cloudbasierten KI- und Predictive-Analytics-Lösungen für Lebensversicherer. Quelle: Bild von xresch auf Pixabay

Mittelständler können künftig günstiger Cyberschutz erhalten. „Die Prämien sinken“, stellte der Vorstandsvorsitzende der E+S Rückversicherung AG, Michael Pickel, fest. Mehr Anbieter und maues Geschäft wären die Gründe für diese Entwicklung. Daher müsste die Risikoprüfung von Mittelständlern vereinfacht werden.

„Aus dem Fragebogen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft steigen die meisten Unternehmen schnell aus“, so Pickel auf dem MCC-Kongress Industrieversicherung 2020. Auch die E&S verwendet eine kürzere Risikoabfrage.

Kumlschaden-Modell kommt

Cyberschutz soll sich künftig zudem allgemein besser einpreisen lassen. Schon im Mai dieses Jahres wird bei der E+S Rückversicherung AG ein Modell starten, dass den Aufwand für Kumulschäden für Cyberrisiken ermitteln kann. Das Modell basiere auf einer Vielzahl realer Szenarien.

„Wir haben etwa festgestellt, dass die lokalen Stadtwerke in der Regel leicht zu hacken sind. Was für eines gilt, gilt in der Regel auch für andere. Wir müssen daher hier mit einem Massenschaden rechnen“, so Pickel. Solche Szenarien sind in das neue Cyber-Kalkulationsmodell eingeflossen. Anfangs werde das Modell nur intern verwendet. Pickel rechnet aber damit, dass es 2021 an seine Kunden, also die Erstversicherer ausgerollt werden kann, damit allgemein die Prämie für Cyberpolicen besser berechnet werden kann.

Wachstum auf 300 Mio. Euro

Für den Cybermarkt in Deutschland erwartet die E&S ein deutliches Wachstum in den nächsten Jahren, dass aber weit hinter dem amerikanischen Markt zurückbleibt. Dort schätzt der Rückversicherer für 2020 die Prämieneinnahme aus Cyberschutz auf deutlich über sechs Mrd. US-Dollar. Demgegenüber dürften sich die Versicherungseinnahmen aus Cyber für Deutschland 2020 von rund 125 Mio. Euro auf 150 Mio. Euro steigern.

„In fünf Jahren könnten die Einnahmen im Inland schon bei 300 Millionen Euro liegen“, so Pickel. Derzeit würden die Prämien für Eigenschäden, vor allem für Betriebsunterbrechungsschäden, immer teurer, während die Preise für Drittschäden eine fallende Tendenz aufwiesen. Pickel: „Solche Drittschäden sind zwar in der Regel deutlich teurer, weisen aber eine wesentlich geringere Frequenz auf.“

Risk-Management muss unabhängig werden

Unternehmen sollten einen Multi-Risk-Ingenieur für die Begehung von Produktionsanlagen einsetzen. Nach Meinung von Daniel Müller vom US-Versicherer FM Global würden Industrieunternehmen von deutschen Versicherern immer noch überwiegend zu Kalkulationszwecken besucht. Demgegenüber würde die FM Global immer Risk-Management aktiv anstoßen.

Weltweit beschäftigt das Unternehmen 1.800 Ingenieure, die mit umfassendem Sachverstand Schadenverhütungsvorschläge geben würden. Laut FM Global würden Unternehmen, die alle Empfehlungen umsetzen, einen höheren Börsenwert erzielen. Schäden würden heute von der Allgemeinheit vielfach als Organisationsverschulden empfunden. Ein Mitarbeiter der Gothaer-Versicherung bestätigt, dass viele Mittelständler Begehungen durch Versicherer eher als störend empfinden.

Versicherungsmakler, die als Inhousebroker arbeiten, lehnen eine Begehung durch Sachverständige der Versicherer ab. „Ein Risikoingenieur der morgens eine Chemiefabrik besucht, mittags ein Krankenhaus und abends einen Autozulieferer mag allgemein gut sein, er ist kein Experte für eine Branche“, so Michael Seidl, Leiter Haftpflicht und Produkthaftung, bei der DMW Assekuranz & Risikomanagement GmbH.

Das Unternehmen DMW ist ein Autozulieferer der alle Premiummarken als Kunden hat. Der Inhousebroker hat es bei den Versicherern durchgesetzt, das eigene Sachverständige die Produktionsanlagen analysieren und auf Basis dieser Berichte eine Versicherungsprämie ermittelt wird.

Rabatt für intelligente Warnsysteme gefordert

Robert von Bennigsen, Geschäftsführender Gesellschafter der BDJ Versicherungsmakler GmbH & Co. KG, verwies ebenfalls darauf, dass Riskmanagement ungeheuer wichtig ist, beispielsweise um Reputationsschäden für die Kunden zu vermeiden. Auch Cyberschäden durch Hacker würden den Betroffenen heute negativ angelastet. Intensives Risk-Management würde zudem Versicherungsmaklern helfen ein Extra-Honorar zu generieren.

Wie heute technisches Riskmanagement funktioniert zeigte von Bennigsen anhand von Tracking Sensoren, die den Weg von gestohlenen Dingen nachvollziehbar machen, Wasserschaden-Detektoren die auf dem Boden sofort Feuchtigkeit melden oder das System „Paula“, das trackt, ob Lokomotivführer ihre Maschine vorschriftsmäßig lange warmlaufen lassen.

Viele Versicherer würden aber solche technischen Warngeräte nicht mit Versicherungsrabatt belohnen. Das sei unverständlich. „Ich hoffe, dass die deutschen Versicherer künftig agiler werden und solche technischen Systeme endlich honoriert werden“, so von Bennigsen.

VdS aus Branche ausgliedern

Mit neuen intelligenten Rauchanalysegeräten, die per Funk frühzeitig vor Brand warnen würden, könnten teurer Sprinkleranlagen weitgehend ersetzt werden. Die Underwriter der Versicherer wären noch sehr unflexibel und müssten die Vorgaben der VdS GmbH erfüllen.

Scharfe Kritik äußerte von Bennigsen daran, dass der VdS, der für die Normung und Schadenverhütung zuständig ist, ein Teil der Versicherungswirtschaft sei und so nicht unabhängig arbeiten würde. „Der VdS muss weg von der Versicherungswirtschaft und dem Verband der Versicherungsnehmenden Wirtschaft zugeordnet werden.“

Autor: Uwe Schmidt-Kasparek

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