Kommentar: „Versicherer dürfen sich nicht auf ihren guten Zahlen ausruhen“

Quelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Provisionsdeckel, Niedrigzins, die Zukunft der Lebensversicherung, der digitale Wandel in den Unternehmen usw. – die Herausforderungen für die Branche sind Jahr ein Jahr aus eigentlich immer die gleichen. Bleibt also die Frage: Wie damit umgehen und wie die anstehenden Herausforderungen dauerhaft bewältigen?

Blickt man aktuell auf die jüngsten Zwischenbilanzen der Unternehmen, überbieten sich die jeweiligen Pressestellen mittlerweile mit regelrechten Lobeshymnen auf die eigene Kraft und Stärke. Kaum in Unternehmen, welches im kommenden Jahr wohl keinen „Rekordgewinn“ verkünden dürfte. Doch der Blick trügt – denn hinter den Fassaden verbirgt sich noch manch ungelöste Baustelle und manch Makel, welcher den schönen Schein der heilen Versicherungswelt trüben könnte.

Allianz-Chef Bäte setzt Digital-Umbau konsequent fort

Jüngstes Beispiel: der deutsche Branchenprimus Allianz. Oliver der Outperformer“ titelte VWheute vor einem Jahr über Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte. Der Topmanager hat den Versicherungstanker seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren deutlich durcheinander gewirbelt. Das klare Ziel: Die Allianz soll digitaler, schlanker und effizienter werden. Sein Kurs scheint sich jedenfalls auszuzahlen: Der Versicherer hat im letzten Quartal erneut einen Gewinn von mindestens einer Milliarde Euro erzielt.

Immerhin: der Gesamtgewinn des Münchener Versicherers stieg in den ersten neun Monaten 2019 um 4,2 Prozent auf 9,1 Mrd. Euro. Der Umsatz stieg im gleichen Zeitraum um 7,8 Prozent auf 106,9 Mrd. Euro. Wachstumstreiber war vor allem die Leben- und Krankensparte. Gleichzeitig dürfte die Allianz in der Kernsparte Schaden/Unfall wohl kaum mit nennenswerten Gewinnsprüngen rechnen: Minus 1,1 Prozent auf 4,2 Mrd. Euro ging der Gewinn in der Kompositsparte zurück.

Wesentlich mehr Sorgen dürfte den Allianz-Oberen hingegen die Industrieversicherungstochter AGCS bereiten. Wieder einmal lag die Combined Ratio jenseits der kritischen Hundert-Prozent-Grenze. Den bisherigen AGCS-Chef Chris Fischer Hirs hat dies bereits den Kopf gekostet.

Und Konzernchef Bäte: Dieser setzt seinen Kurs der Modernisierung unbeirrt fort – mit dem Rückenwind des Aufsichtsrates und notfalls auch gegen den Willen der eigenen Mitarbeiter. Denn: „Wenn man digital sein will, dann muss man die Altlasten wegräumen und vereinfachen. Unser Traum ist, dass die Leute eines Tages genauso zufrieden mit der Allianz sind wie mit Zalando“.

Dass große Versprechungen und finanzieller Erfolg nicht immer bei den Aktionären und Analysten ankommt, beweist aktuell die Talanx. So peilt der niedersächsische Versicherungskonzern für 2019 und 2020 neue Rekordgewinne in Serie an. Die Anleger und Analysten zeigten sich jedoch über die jüngsten Quartalszahlen nur mäßig begeistert. Dabei konnten die angepeilten Jahresgewinne in einer Größenordnung zwischen 900 und 950 Mio. Euro die Erwartungshaltung nicht erfüllen.

Generali sorgt weiter für „Missmut“

Immer für eine Schlagzeile gut ist natürlich auch die Generali: Ein wesentliches Thema ist dabei noch immer der Verkauf der deutschen Lebensparte an die Frankfurter Viridium-Gruppe. Doch scheint sich das Geschäft durchaus auszuzahlen: So trieb der Run-off der deutschen Lebentochter den Überschuss des Konzerns um fast 17 Prozent auf knapp 2,2 Mrd. Euro nach oben.

Dass BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein der Generali gar „Unzuverlässigkeit, Untreue und Flatterhaftigkeit“ vorwarf, perlte an der Unternehmensfassade ab wie Wasser. Vielmehr will Deutschlandchef Giovanni Liverani gar eine „Renaissance des Humanismus“ erkannt haben und so umfassend wie der Begriff, wollen sich die Italiener ebenso als Lifetime-Partner ihrer Kunden verstehen, auch wenn es im Rahmen des Run-offs der Lebensparte an Viridium in der Vergangenheit durchaus auch andere Signale gab.

Dafür sei aber nicht nur ein neues Selbstverständnis innerhalb der Branche notwendig, sondern auch eine Kulturveränderung im Denken aller Beteiligten. Dabei spricht Liverani auch von „der Schönheit der Versicherung“, wenn man als Unternehmen eben nicht nur im Schadenfall aktiv werde, sondern Schutz für jeden Lebensmoment anbiete.

Ob Liverani ähnliche Lobpudeleien auch einmal für die „Arte Generali“ finden wird, bleibt jedoch noch abzuwarten. Mit viel medialem und vermeintlich künstlerischem Tam-Tam hat der Kunstversicherer im November 2019 seinen Betrieb aufgenommen. Die Ziele sind jedenfalls ehrgeizig: In den kommenden fünf Jahren soll „Arte Generali“ ein Top-drei-Player im Kunstsegment werden.

Rückversicherer trotzen den Naturgewalten

Immerhin: Ohne Rückversicherung hätte auch die Versicherungsbranche ein erhebliches Problem. Es sind Player mit dem markanten Re am Namensende, die unerwartete Katastrophenereignisse kalkulieren, abdecken und ihre Kunden – die Versicherer – so vor dem Aus schützen. Zwei von ihnen tun das besonders gut – und liefern sich im Verdrängungswettbewerb Reinsurance ein zähes Kopf-an-Kopf-Rennen um Wachstum und Leadership.

Dabei hat die Munich Re derzeit leicht die Nase vorn. Satte 75 Prozent Gewinnplus verzeichneten die Münchener allein im dritten Quartal 2019. Grund genug, um unbeirrt am angepeilten Gewinnziel von 2,5 Mrd. Euro fest. Ähnlich gute Zahlen präsentierte auch der große Konkurrent aus der Schweiz. Oft täuscht dies nicht über die Tatsache hinweg, dass sich die Folgen des Klimawandels in den kommenden Jahren immer stärker auf die Schadenbilanz auswirken werden – verbunden mit der nimmer endenden Hoffnung höhere Prämien.

Provisionsdeckel: Wird die „spinnerte Idee“ 2020 zur Realität?

Bleibt noch die Endlos-Debatte um den Provisionsdeckel, der – was auch nicht anders zu erwarten war – in der Branche auf so gar keine Gegenliebe stößt. Immerhin scheint sich der wie immer streitbare BVK-Präsident Michael H. Heinz sicher zu sein, dass sich diese „spinnerte Idee aus dem Finanzministerium“ im politischen Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen werde. Erste Vorschläge zu einer Entschärfung gibt es ja bereits.

2020 wird jedenfalls erweisen, ob der Deckel letztlich als Meilenstein in die Versicherungsgeschichte eingehen oder als Rohrkrepierer im Berliner Tagesgeschäft auf dem Müllhaufen der Geschichte landen wird.

Autor: Tobias Daniel

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