Eiopa: Worst Case Szenario gefährdet die Betriebsrenten

Gabriel Bernadino, EIOPA-Chef. Quelle: Eiopa

Deutliche Warnsignale für die Pensionskassen in Europa! Der jüngste Stresstest der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa), dessen Ergebnisse gestern Abend bekannt gegeben wurden, zeigt mehr Risiken und Schwachstellen auf als erwartet.

Nach Worten von Eiopa-Chairman Gabriel Bernadino hätten unerwartete, widrige Marktszenarien, wie sie im Test konkret nachgestellt wurden, „substanzielle Auswirkungen“ auf die Finanzausstattung der Pensionskassen. Hohe Wertverluste der Kapitalanlagen würden dann größere finanzielle Hilfeleistungen der Träger erforderlich machen. Etwa ein Viertel der Vermögenswerte würden zunichtegemacht.

Der Verlust läge bei 270 Mrd. Euro. Aber auch ohne dieses Szenario fehlten den Einrichtungen schon Ende 2018 etwa 41 Mrd. Euro zur Abdeckung ihrer Verpflichtungen. Aufgrund des andauernden Niedrigzinses ist nicht mit einer Besserung, sondern mit einer weiteren Belastung der Pensionskassen und ihrer Träger zu rechnen.

Für ihren mittlerweile dritten Stresstest auf Basis der Bilanzaufstellungen zum Jahresende 2018 legte die Behörde diesmal folgendes Szenario zugrunde: Eine plötzliche Neubewertung von Risikoprämien, ein Zinsschock bei Papieren mit kurzen Fälligkeiten und ein daraus resultierender, erweiterter Zinsaufschlag. Die Auswirkungen für die untersuchten 176 Pensionskassen aus 19 europäischen Ländern wären kurzfristig gravierend und würden die Länder nach Berechnungen der Aufseher etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten. Dies alles würde für die Kassen ein Loch von insgesamt 173 Mrd. Euro verursachen und Ausgleichszahlungen der Träger in Höhe von 49 Mrd. Euro erforderlich machen.

Zwar wären die Pensionskassen zumeist in der Lage, binnen eines Jahres die Folgen wieder ausgleichen, so Bernadino. Sie könnten durch ihre langlaufenden Anleihen und ihren langfristigen Anlagehorizont kurzzeitige Marktabschwünge besser bewältigen als andere Finanzinstitute. Langfristig brächten die Ereignisse allerdings über Jahrzehnte hinweg die Betriebsrenten in Gefahr falls, das kurzfristige Krisenszenario sich zum permanenten Zustand entwickeln würde.

Erstmals bezog die Eiopa bei der Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie in ihre Untersuchung auch die Investitionsentscheidungen der Pensionskassen zu nachhaltigen Anlagen im Bereich Umwelt, Soziales und Governance (ESG) mit ein. Die meisten Pensionskassen haben mittlerweile die Themen Nachhaltigkeit und ESG in ihre Investitionsentscheidungen aufgenommen.

Der Stresstest zeigte aber, dass nur etwa 30 Prozent der Marktteilnehmer ihre ESG-Risiken aktiv managen und lediglich 19 Prozent die Auswirkung von ESG-Faktoren auf ihre Investments bewerten. Nach wie vor sind haben die Kapitalinvestitionen mehrheitlich eine Ausrichtung auf kohlenstoffreiche Unternehmen in Bezug auf die EU-Wirtschaft. Doch das dürfte sich im Rahmen der öffentlichen Diskussion über den Klimawandel in näherer Zukunft ändern. Die Vermeidung von Treibhausgasen wie CO2 dürfte bei den Anlageentscheidungen daher zunehmend eine Rolle spielen.

Das sieht auch Bernadino so: Langfristige Verpflichtungen und Anlagehorizonte würden an die Pensionskassen die Anforderung stellen, ESG-Kriterien verstärkt in den Blick zu nehmen. Für die Aufsichtsbehörde gelte es dann, für die Auswirkungen von Übergangsszenarien in Richtung auf eine von Politik und Gesellschaft geforderte, kohlenstoffarme Wirtschaft und den „carbon footprint“ neue Methoden künftiger Stresstests zu entwickeln.

Autor: Mathias von Bredow

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

1 × 3 =