„Branchenvertrauter“ Florian Toncar hofft auf FDP-Comeback im Finanzministerium

Florian Toncar (mit Mikrofon) sprach im März auf der Jubiläumsfeier des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft anlässlich seines 125-jährigen Bestehens. In der Mitte sitzt GDV-Präsident Norbert Rollinger. Bildquelle: Michael Fahrig

Wenn es demnächst zu Neuwahlen im Bund kommt, hätte die Union mit Abstand die besten Karten – zumindest aus Sicht der hiesigen Versicherungsvermittler. Laut der Sonntagsfrage des Vermittlerverbandes AfW kämen CDU/CSU auf 43 Prozent, gefolgt von der FDP mit 20 Prozent. In Führung liegen die Liberalen bei der Frage, welcher der im Bundestag vertretenen Parteien am ehesten das Thema Altersvorsorge lösen könnte. Entsprechend groß ist das Bedauern in der Branche, dass Christian Lindners Staatssekretär Florian Toncar nun ebenfalls den Dienst quittiert hat – doch dieser deutet bereits ein Comeback an. Ob Riester-Reform und Altersvorsorgedepot noch eine Zukunft haben, wird der FDP-Politiker womöglich auf einer Versicherungstagung am Mittwoch in Berlin darlegen.

„CDU/CSU ist Favorit unter den Vermittlern“, betitelte der AfW Bundesverband Finanzdienstleitung am Freitag seine Pressemitteilung – das ist insofern bemerkenswert, als dass zu Beginn der Legislaturperiode 2021 noch die FDP mit 55 Prozent der Stimmen in der Gunst der Versicherungsvermittler ganz oben stand – nie zuvor hatten die Liberalen im sogenannten AfW-Vermittlerbarometer, an dem sich Jahr für Jahr mehr als 1.000 Makler, Vertreter und Finanzanlagenvermittler beteiligen, ein besseres Ergebnis erzielt. Doch die Querelen in der Ampel haben diesen Höhenflug jäh beendet und das Rekordergebnis der FDP von vor drei Jahren um mehr als die Hälfte einbrechen lassen. Auf die Frage „Wen würden Sie wählen, wenn heute Bundestagswahl wäre?“, machten jüngst nur noch 20 Prozent der Vermittler ihr Kreuz bei den Liberalen (siehe erste Grafik). Die Umfrage wurde laut AfW Ende Oktober 2024, und somit kurz vor dem Bruch der Ampelkoalition am 6. November 2024, durchgeführt.

Obwohl sich die FDP „sowohl in Berlin als auch in Europa für die unabhängige Beratung und gegen ein Provisionsverbot eingesetzt hat“, wie AfW-Vorstand Frank Rottenbacher kommentierte, habe die Partei seit 2021 viele Stimmen in der Vermittlerschaft verloren. „Trotz ihres Engagements für die Branche scheint es der Partei nicht gelungen zu sein, die volle Unterstützung der Vermittlerschaft zu halten“, konstatiert Rottenbacher.

Die Umfrage ergab, dass die CDU/CSU mit 43 Prozent die bevorzugte Partei der Vermittlerschaft wäre. Damit wäre also eine Koalition aus Union und FDP das favorisierte Bündnis unter den Befragten. Auf Platz drei folgt die AfD mit 18 Prozent. Die Grünen erreichen acht Prozent, das BSW drei, die SPD nur noch zwei Prozent.

Quelle: AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung

Erstmals wurde im Vermittlerbarometer auch gefragt, welcher der im Bundestag vertretenen Partei es am ehesten zuzutrauen sei, das Thema Altersvorsorge zu lösen. Hier liegt die FDP mit 38 Prozent in Führung, gefolgt von der Union mit 33 Prozent und der AfD mit 15 Prozent (siehe zweite Grafik).

Dies verdeutliche, dass die Vermittlerschaft der FDP immer noch eine besondere Kompetenz bei der Altersvorsorge zutraue, sagt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. Allerdings habe es die Partei nicht geschafft, „die ihr zugeschriebene hohe Kompetenz beim Thema Altersvorsorge in Zustimmung innerhalb der Vermittlerschaft umzusetzen“. Diese erwarte von den Parteien „auch eine konkrete und erfolgreiche Umsetzung der politischen Ziele“, betont der AfW-Vorstand. Doch daraus wird auf absehbare Zeit nichts: Durch das Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition liegen viele Vorhaben der Bundesregierung auf Eis. Besonders für die Assekuranz ist die Reform der staatlich geförderten Altersvorsorge relevant.

Quelle: AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung

Jüngst versprach Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im FDP-geführten Bundesfinanzministerium, auf einer Fachtagung, dass die Reform noch in dieser Legislaturperiode kommen würde. Im Kern geht es um die Riester-Rente, die abgelöst werden soll sowie um die Schaffung eines sogenannten Altersvorsorgedepots, dass die Bundesbürger dabei unterstützen soll, in Aktien, Fonds oder ETFs zu investieren. Als Grundlage der neuen Reformvorschläge diente der Bericht der Fokusgruppe, die ihre Empfehlungen im Sommer überreicht hatte.

Ein entsprechender Gesetzentwurf sollte nach übereinstimmenden Medienberichten in den nächsten Tagen im Kabinett verabschiedet werden. Doch die Turbulenzen der vergangenen Tage, die am Mittwochabend im Platzen der Koalition gipfelten, haben den Plan vom Tisch gefegt. Zwar kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend an, bis Weihnachten alle Gesetze zur Abstimmung ins Parlament einbringen zu wollen, die keinen Aufschub duldeten – etwa, wenn es um die Renten-Reform geht. Ob dies auch für Altersvorsorgedepot und Co. gilt? Wohl kaum.

GDV-Hauptgeschäftsführer Asmussen erwartet keine Reform mehr in dieser Legislatur

Beim Versichererverband GDV ist man entsprechend skeptisch: „Ich gehe davon aus, dass die Reform der privaten Altersvorsorge in dieser Legislatur nicht mehr erfolgen wird. Dabei ist eine Reform seit Jahren überfällig. Ich bedauere, dass sie nun erneut aufgeschoben wird“, teilte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen mit.

Dass dieses „Aufschieben“ viel Zeit kosten wird, legen die Äußerungen von Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Vermittlerbandes Votum nahe: „Für Gesetzgebungsverfahren in Deutschland gilt das Prinzip der Diskontinuität. Jedes nicht abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren muss daher in einer neuen Legislaturperiode wieder neu begonnen werden.“ Daraus folgt aus Kleins Sicht, dass es selbst dann zu einem langwierigen Gesetzgebungsprozess kommen würde, „wenn eine neue Regierung bereit wäre, die Ergebnisse der Fokusgruppe Private Altersvorsorge zu berücksichtigen“. Denn ein solches Gesetzgebungsverfahren würde „erst nach dem Abschluss von, sicher nicht einfachen, Koalitionsverhandlungen gestartet werden können“.

Für die Überlebenschance von Riester-Reform und Co. wäre es also am günstigsten, wenn die FDP auch in einer neuen Bundesregierung das Finanzministerium übernehmen würde – Christian Linder tat bereits kund, dass er nach seiner Entlassung durch Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch einmal Finanzminister werden wolle. „Das ist mein Ziel, denn ich trete jetzt für den nächsten Deutschen Bundestag an“, erklärte er im ZDF. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz scheint dem Ansinnen des FDP-Chefs gar nicht mal abgeneigt zu sein, sofern es zu einer unionsgeführten Regierung unter Beteiligung der Liberalen käme. „Das ist dann realistisch, wenn die FDP so stark ist, dass sie wieder Regierungsfraktion wird“, sagte Merz. Dies liege allerdings „allein in der Hand der FDP und nicht in unserer“.

GDV-Präsident Rollinger (li.) und der parlamentarische Staatssekretär Toncar (FDP) im März auf der Jahrestagung des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft. Bildquelle: Michael Fahrig

Dass auch Florian Toncar gerne rasch zurückkehren würde ins Finanzministerium machte er am Donnerstag auf dem Netzwerkportal Linkedin deutlich. Mit der Entlassung seines Chefs endet auch die Amtszeit des Böblinger Bundestagsabgeordneten als Parlamentarischer Staatssekretär – ein politisches Comeback will Toncar aber offenbar nicht ausschließen. „Heute war mein vorläufig letzter Arbeitstag im Bundesministerium der Finanzen“, schreibt der FDP-Politiker – und landet einen Seitenhieb an Kanzler Scholz: Allzu häufig sei das Ministerium „ein Hort der Vernunft und des finanzpolitischen Realismus. Gerade deswegen steht es oft im Kreuzfeuer“.

Damit spielt Toncar darauf an, dass Scholz den Finanzminister ultimativ aufgefordert haben soll, „deutlich höhere Schulden zu machen“, wie Toncar in einem vorherigen Post schreibt. „Dafür hätte die Schuldenbremse unserer Verfassung in unzulässiger Weise ausgesetzt werden sollen“, schimpft der FDP-Mann. „Bei dem Vorschlag ging es vor allem darum, Haushaltslöcher zu stopfen. Dem konnten wir Freie Demokraten nicht zustimmen“, so Toncar weiter, der damit seine Treue zu Christian Lindner unter Beweis gestellt haben dürfte.

Seinen Abschieds-Post beendete der Finanzfachmann jedenfalls in fast schon beschwingtem Optimismus: „Auf ein baldiges Wiedersehen!“

Die Branche steht loyal zu Toncar

Wenn es dazu käme, dürften viele Entscheider aus der Versicherungs- und Vermittlerbranche die Faust ballen: „Danke für Ihre Arbeit, lieber Herr Dr. Florian Toncar! Sehr starke Performance! Ihr Sachverstand wird fehlen“, bedauert AfW-Vorstand Norman Wirth den zumindest mal vorläufigen Abschied des FDP-Politikers. Helge Lach, der im Vorstand des Finanzvertriebs Deutsche Vermögensberatung (DVAG) für den Bereich „Markt und Regulierung“ zuständig ist, schreibt dort: „Mit Ihnen geht wohl auch die Chance auf eine überfällige Reform der privaten Altersvorsorge, von der viele Millionen Bürgerinnen und Bürger profitiert hätten. Die Organisation und Koordinierung der Fokusgruppe mit den höchst unterschiedlichen Interessen aller Beteiligter war ein Meisterstück. Hätte die Koalition in allen Bereichen so gearbeitet, wäre sie durchweg erfolgreich geworden.“

Norbert Rollinger fasst sich etwas kürzer: „Alles Gute und auf ein Wiedersehen! Herzliche Grüße“, schreibt der GDV-Präsident auf der Plattform.

Ein Wiedersehen mit Toncar wird es voraussichtlich schon am Mittwoch auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Betriebliche Altersversorgung 2024“ geben. Dort sollte der Politiker in seiner Funktion als Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums eine Keynote-Rede halten und einer Diskussionsrunde beiwohnen.

Dass Toncar trotz seiner Demission an der Fachtagung teilnehmen wird, bestätigten die Organisatoren am Freitag gegenüber VWheute. Sollte es dazu kommen, dürfte der FDP-Mann und Bundestagsabgeordnete bereits in den Wahlkampfmodus geschaltet haben – und dafür werben, dass von seinem vermeintlichen „Meisterstück“ Altersvorsorge-Reform möglichst viel gerettet wird. Dafür müsste die FDP aber zunächst das „Meisterstück“ vollbringen, bei der auf zwischen Januar und März vorgezogenen Bundestagswahl die 5-Prozent-Hürde zu nehmen. Die Unterstützung der Branche dürfte ihr gewiss sein – zumindest zu 20 Prozent, wenn man dem aktuellen Vermittlerbarometer folgen will.

Autor: Lorenz Klein

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