Generationenvielfalt in der Versicherungs-IT: Beispiele erfolgreicher Projekte durch integrative Teams
Bis 2025 wird die IT-Belegschaft aus fünf Generationen (Babyboomer, Generation X, die Millennials, Generation Z und Generation Alpha) bestehen – auch in der Versicherungsbranche. Diese Vielfalt bringt Herausforderungen und Chancen für das IT-Projektmanagement mit sich. Die unterschiedlichen Lebensphasen der Mitarbeiter führen zu einer komplizierten Dynamik und beeinflussen die traditionell konservative IT-Projektarbeit. Daraus ergeben sich Hürden, aber auch ungenutztes Potenzial, das es zu realisieren gilt. Ein Gastbeitrag.
Diese demografische Entwicklung bringt unterschiedliche Arbeitsstile, Arbeitspräferenzen, Erfahrungen, Werte und technologische Affinitäten in den Unternehmen beziehungsweise IT-Projekt-Teams mit sich.
Jüngere Generationen wie die Millennials und Generation Z sind mit digitalen Technologien aufgewachsen und bringen oft frische Perspektiven und innovative Ansätze in Projekte ein. Laut einer Umfrage von Deloitte (Deloitte Millennial Survey 2023 | Deloitte Deutschland) fühlen sich 77 Prozent der Millennials und 85 Prozent der Generation Z sehr wohl im Umgang mit neuen Technologien.
Ältere Generationen wie die Babyboomer und Generation X verfügen oft über tiefergehende Erfahrungen und ein umfassenderes Verständnis langfristiger Geschäftsstrategien. Eine Studie von PwC (PwC 2024 Global Workforce Hopes & Fears Survey | PwC) zeigt, dass 68 Prozent der Führungskräfte der Meinung sind, dass die Erfahrung älterer Mitarbeiter entscheidend für den Erfolg von IT-Projekten ist.
Eine Umfrage von FlexJobs (FlexJobs Survey Finds Remote Work Remains In Demand) ergab, dass 80 Prozent der Generation X und Babyboomer flexible Arbeitsregelungen bevorzugen, während 70 Prozent der Millennials und Generation Z die Möglichkeit zur Fernarbeit als entscheidend für ihre Jobwahl betrachten.
Laut derselben Umfrage bevorzugen Generation Alpha und Generation Z agile Vorgehensweisen, schnelle Veränderungen und kürzere Projekteinsatzzeiten. Generation X und die Babyboomer sind mit Wasserfallmodellen vertraut und somit Spezialisten in der langfristigen Planung, Organisation, Verwaltung sowie dem Management von Großprojekten. Auch Millennials sind mit Wasserfallmodellen aufgewachsen und haben durch die Agilität der schnellen Veränderungen gelernt, dass auch andere Ansätze möglich sind.
Strategien für die Einbindung von Fachleuten in IT-Projekten
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die zu besetzenden Rollen in IT-Projekten einerseits und die individuelle Förderung von Versicherungsmitarbeitern andererseits? Je nach Karrierestufe sind folgende Strategien und Maßnahmen empfehlenswert:
Frühe Karrierestufe: Wachstum und Innovation kultivieren
Mentoring-Programme, bei denen jungen Fachkräften erfahrene Mentoren zur Seite gestellt werden, können ihre Entwicklung fördern und den Austausch von Wissen und bewährten Vorgehensweisen ermöglichen. Kompetenzentwicklung durch Zugang zu Schulungen, Workshops und Zertifizierungen im Bereich neuer Technologien und Methoden fördern eine Kultur des kontinuierlichen Lernens. Innovationsherausforderungen wie Hackathons oder Innovationswettbewerbe innerhalb des Unternehmens können neue Perspektiven aufzeigen und das Engagement sowie die Kreativität der jungen Fachkräfte steigern.
Mittlere Karrierestufe: Nutzung von Erfahrungen und Förderung von Führungsqualitäten
Die Leitung von Projekten bietet Fachleuten mit ca. 7 bis 15 Jahren Berufserfahrung die Möglichkeit, eine Führungsposition zu übernehmen, die ihrem Fachwissen und ihren Karrierewünschen entspricht. Work-Life-Balance-Initiativen wie flexible Arbeitszeitmodelle, Fernarbeitsoptionen und Projektmanagement-Tools erleichtern die Kombination von Beruf und Privatleben und berücksichtigen somit familiäre und persönliche Verpflichtungen. Funktionsübergreifende Zusammenarbeit durch das Einbeziehen der Mitarbeiter in abteilungsübergreifende Projekte erweitert das Verständnis für das Unternehmen und fördert die Vernetzung mit anderen Fachleuten sowie Zusammenarbeit und Innovation.
Späte Karrierestufe: Wertschätzung von Weisheit und strategischer Einsicht
Strategische Beratungsfunktionen ermöglichen Fachleuten im fortgeschrittenen Stadium ihrer Karriere die Weiterentwicklung, wobei sie strategische Aufsicht, Risikomanagement und Steuerung von IT-Projekten übernehmen und dabei ihren reichen Erfahrungsschatz nutzen können. Wissenstransfer-Initiativen bieten Plattformen für die Weitergabe von Wissen, beispielsweise durch interne Workshops, Vorträge und Referenzen. Durch kontinuierliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter mit Fortbildungskursen, Konferenzen und Seminaren, die ihren Interessen und den strategischen Anforderungen des Unternehmens gerecht werden, werden sie zum lebenslangen Lernen ermutigt.
Über alle Stufen hinweg: Schaffung eines integrativen und anpassungsfähigen Umfelds
Vielfältige und integrative Teams, die Fachleute aus verschiedenen Lebensphasen umfassen, fördern den gegenseitigen Respekt und die Wertschätzung. Feedback-Schleifen durch regelmäßige Feedback-Meetings ermöglichen es den Teammitgliedern ihre Ideen, Bedenken und Vorschläge zu äußern, um sicherzustellen, dass das Arbeitsumfeld den Bedürfnissen aller Lebensphasen gerecht wird. Karrierewege, die klar und flexibel sind, berücksichtigen die sich ändernden Wünsche und Lebensumstände der Mitarbeiter zur Sicherung von langfristigem Engagement und Loyalität.
Fallstudien aus der Versicherungsbranche: Erfolg durch generationsübergreifende Zusammenarbeit
Wie lassen sich diese Strategien in IT-Projekten praktisch umsetzen? Dies verdeutlichen zwei Fallbeispiele:
Fallbeispiel 1: Implementierung von IoT-basierten Versicherungsprodukten
Ein Versicherungsunternehmen wollte innovative Versicherungsprodukte auf Basis des Internets der Dinge (IoT) einführen, um personalisierte Prämien anzubieten, die auf den Nutzungsdaten der Kunden basieren (zum Beispiel Fahrverhalten bei Kfz-Versicherungen). Das Projektteam wurde strategisch zusammengestellt, um die Stärken der verschiedenen Generationen zu nutzen.
Die Babyboomer verantworteten die strategische Ausrichtung und die Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen. Ihre langjährige Erfahrung im Umgang mit strategischen und regulatorischen Anforderungen war entscheidend für die erfolgreiche Einführung des neuen Produkts. Die Generation X koordinierte die Integration der IoT-Technologie in die bestehenden Versicherungssysteme. Ihre umfassende Erfahrung in Systemintegration und Projektmanagement stellte sicher, dass die neuen Produkte nahtlos in die Unternehmensprozesse eingebunden wurden. Die Millennials entwickelten die technischen Lösungen und Algorithmen für die Datenerfassung und -analyse. Ihre technologische Expertise ermöglichte die präzise Erfassung und Verarbeitung der IoT-Daten. Die Generation Z unterstützte bei der Entwicklung von mobilen Apps und Benutzeroberflächen. Ihre Kenntnisse in modernen Designprinzipien und ihre Benutzererfahrung halfen dabei, eine attraktive und benutzerfreundliche App zu erstellen.
Die Einführung der IoT-basierten Produkte führte zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit um 30 Prozent und einer Reduzierung der Schadenfälle um 15 Prozent. Die personalisierten Prämienmodelle erhöhten zudem die Kundenbindung und Attraktivität der Produkte.
Fallbeispiel 2: Einsatz von maschinellem Lernen zur Betrugserkennung
Ein Versicherungsunternehmen sah sich mit zunehmenden Betrugsfällen konfrontiert, die zu erheblichen finanziellen Verlusten führten. Ziel war die Entwicklung eines Systems, das maschinelles Lernen (ML) nutzt, um Betrugsmuster frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Das Projektteam nutzte die Stärken der verschiedenen Generationen. Die Babyboomer übernahmen die strategische Planung und das Risikomanagement. Ihre Erfahrung und Weisheit halfen dabei, die Schwachstellen im Betrugsmanagement zu identifizieren und zu adressieren. Die Generation X koordinierte die Implementierung des Machine-Learning-Systems und stellte sicher, dass die neuen Technologien nahtlos in die bestehenden Prozesse integriert wurden. Die Millennials entwickelten die Machine-Learning-Algorithmen und trainierten die Modelle mit historischen Daten. Ihre technologische Expertise und Innovationskraft waren entscheidend für die Entwicklung effektiver Betrugserkennungsmodelle. Die Generation Z unterstützte bei der Datenaufbereitung und Visualisierung. Ihre Fähigkeiten im Umgang mit großen Datenmengen und modernen Analysetools halfen dabei, die Modelle zu optimieren und die Ergebnisse verständlich zu präsentieren.
Das Machine-Learning-basierte Betrugserkennungssystem reduzierte die Anzahl der Betrugsfälle um 50 Prozent und die damit verbundenen finanziellen Verluste um 40 Prozent. Die frühzeitige Erkennung von Betrugsmustern ermöglichte es dem Unternehmen, proaktiver zu handeln und die betroffenen Prozesse zu optimieren.
Diese Fallstudien aus der Versicherungsbranche zeigen, wie die Zusammenarbeit von Fachkräften aus verschiedenen Generationen zu erfolgreichen Projektergebnissen führen kann. Durch die Nutzung der spezifischen Stärken und Perspektiven jeder Generation können innovative Lösungen entwickelt und implementiert werden, die nicht nur die Effizienz und Kundenzufriedenheit steigern, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessern.
Fazit
Die IT-Branche steht an der Schwelle zu einem bedeutenden demografischen Wandel. Durch die Anerkennung und Wertschätzung der einzigartigen Beiträge von Fachkräften in verschiedenen Lebensphasen können IT-Projekte von einem weiten Spektrum an Fähigkeiten, Perspektiven und Erfahrungen profitieren. Die Anpassung der Einbindungsstrategien an diese Lebensphasen steigert nicht nur den Projekterfolg, sondern trägt auch zu einem dynamischen, integrativen und erfüllenden Arbeitsplatz bei. Die beschriebenen Strategien und Fallbeispiele sollen als Inspiration und Leitfaden für Unternehmen dienen. Eine Förderung der Vielfalt und Unterstützung der Integration können dazu beitragen, dass Teams und Projekte „aufblühen“.
Autorin: Arabela Stanescu, Senior Consultant Project Lead bei Adesso