Kein Zugang zu Fahrzeugdaten: Versicherer verzweifeln an Autolobby
Die mehrfach angekündigte europäische Regelung für einen freien Zugang zu Fahrzeugdaten könnte scheitern. „Der zuständige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Thierry Breton, führt das Gesetzgebungsverfahren offenbar nicht fort – mit der Gefahr, dass das Datenmonopol der Autohersteller auch in dieser EU-Legislaturperiode nicht beendet werden kann“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat eine ganz andere Sicht auf die Dinge und spielt gleichzeitig auf Zeit und Sieg.
Der Streit um die Nutzung der Fahrzeugdaten ist jahrealt. Die Versicherer wollen Zugriff, um ihre Produkte kundennaher zu gestalten, die Automobilbranche hat daran wenig Interesse. Das Argument der Autobauer ist nachvollziehbar und lautet verkürzt: Der (Daten-)Erschaffer entscheidet. Etwas netter hat der Autoverband es in einem kurzen Animationsfilm zusammengefasst, indem auch Bedenken hinsichtlich Daten- und Hackersicherheit zur Sprache kommen.
Kritiker wie der Versichererverband GDV kritisieren, dass die Autohersteller aktuell „sämtliche Daten vernetzter Autos kontrollieren“. Nur die Hersteller wissen, welche Daten die Fahrzeuge zu welchen Zwecken senden; eine Weiterleitung etwa von Unfall- oder Pannenmeldungen an Dritte sei oft selbst dann nicht möglich, wenn der Autofahrer das möchte. Versicherer, Werkstätten, Automobilclubs und andere Mobilitätsdienstleister „fordern seit Jahren“ ein Ende dieses Datenmonopols, schreibt der GDV. Aus Sicht der Versicherer verhindert das Monopol einen freien und fairen Wettbewerb und benachteiligt Verbraucher.
Keinen Zugang zum Milliardenmarkt
Der Automobilverband begegnet der Kritik mit dem ADAXO-Konzept. Die dargestellten Hauptpunkte sind Datensouveränität und ein gemeinsamer Markt. Zudem wird von einer „fairen Nutzung entlang der Wertschöpfungskette“ gesprochen.
Eher unwahrscheinlich, dass damit die Versicherer gemeint sind, die im 36-seitigen Konzept nicht auftauchen. Es wird nicht verbalisiert, doch die Automobilbranche will ihren mit Milliarden geschaffenen Datenschutz lieber teuer verkaufen, anstatt ihn zu festen Preisen oder – im schlimmsten Fall – frei abzugeben. Im Sprech der Branche lautet das: „Das Engagement der Automobilindustrie zur Förderung von Innovation und datengetriebenen Geschäftsmodellen spiegelt sich durch die Investitionen im Bereich von mehreren Milliarden Euro wider, […]. Diese Investitionen stellen die fundamentale Basis für alle Geschäftsmodelle dar, die auf Fahrzeugdaten beruhen.“
Ein Patt der Mächtigen
In der Regel weiß sich die Finanzlobby sich in politischen Diskussionen durchaus Gehör zu verschaffen, doch diesmal steht ihr mit der Autolobby ein ebenbürtiger Kombattant gegenüber. Derzeit kontrollieren die Autobauer die Daten und spielen auf Zeit, was den GDV frustriert. Die EU-Kommission habe das Problem erkannt, bislang aber „keine Regelung zur Überwindung des Datenmonopols verabschiedet“, kritisiert der GDV. „Angesichts der erneuten Verzögerungen fordern wir die EU-Kommission auf, den Gesetzgebungsprozess nicht zu verzögern.“ Auch die Bundesregierung sollte ihr politisches Gewicht für eine rasche Fortsetzung einsetzen, um das Datenmonopol noch in dieser EU-Legislaturperiode zu beenden, fordert Asmussen.
Der VDA sieht dagegen keinen Grund zur Eile. „Es ist das Verständnis aller im VDA vertretenen Unternehmen, dass eine etwaige Regulierung des Datenmarktes für alle Beteiligten faire Spielregeln enthält“, ist im Konzept zu lesen. Über die Definition von „fair“ herrschen zwischen GDV und VDA gewisse Abstimmungsprobleme. Am Ende wird es wohl die EU entscheiden; nur wann?
Autor: Maximilian Volz