Die bAV und das Comeback der beitragsorientierten Leistungszusage

Gordon Diehr ist COO der Liechtenstein Life. Quelle: Liechtnstein Life

Die bAV ist wahrscheinlich das dynamischste Altersvorsorgeprodukt. Sie unterliegt stetigem Wandel, dem die Anbieter vorhersehen und Rechnung tragen müssen. Künftig wichtiger wird die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ), sagt Gordon Diehr, COO der Liechtenstein Life, in seinem Gastbeitrag. Die Methode wird gebraucht, um Potenziale der bAV zu hebeln; damit können neue Marktanteile erschlossen werden.

Im August 2021 betrug die Teuerungsrate in Deutschland 3,9 Prozent, im Oktober bereits 4,6 Prozent und im November erreichte sie mit 5,2 Prozent einen neuen Höchstwert. Währenddessen steigt die Inflationsrate in Deutschland rapide und mit ihr die Angst, im Alter nicht genug vorgesorgt zu haben. Der Bedarf an Vorsorgeprodukten ist entsprechend hoch.

Das Drei-Schichten-Modell, bestehend aus der Basisvorsorge (gesetzliche Rentenversicherung und Basisrente), der staatlich geförderten Zusatzvorsorge (betriebliche Altersvorsorge und Riester-Rente) und der privaten Vorsorge (private Renten- und Lebensversicherungen), bietet die zuverlässigste Vorsorge. Dies betonte auch noch einmal die neue Regierung im Koalitionsvertrag. Darin heißt es: “Neben der gesetzlichen Rente bleiben die betriebliche wie private Altersvorsorge wichtig für ein gutes Leben im Alter.” Im Spannungsfeld von steigender Inflation bei gleichzeitig anhaltender Niedrigzinsphase ergeben sich 2022 unter anderem in der betrieblichen Altersvorsorge für Vermittler neue Chancen mit großem Potenzial. 

Chancen und Potenziale der bAV

Tatsache ist, dass mit dem sinkenden Niveau der gesetzlichen Rente die betriebliche Altersvorsorge in erster Linie für Arbeitnehmer an Bedeutung gewinnt, da sie auch Geringverdienern den Aufbau einer Altersvorsorge ermöglicht. Aus Sicht der Arbeitgeber wird ein gutes Betriebsrenten-Modell immer wichtiger, um als attraktiver Arbeitgeber für Fachkräfte wahrgenommen zu werden und bestehende Mitarbeiter zu binden.

Im Rentenversicherungsbericht 2020 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurden ca. 21 Millionen aktive Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung (bAV) erfasst. Das entspricht zwar jedem zweiten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, zeigt aber auch, dass 50 Prozent aller Arbeitnehmer, die Anspruch auf eine Betriebsrente haben, diese nicht nutzen. Um die betriebliche Altersvorsorge weiterzuverbreiten, hat die Regierung 2017 mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz ein Reformpaket auf den Weg gebracht, das verschiedene Anreize für beide Seiten enthält.

Arbeitnehmer profitieren unter anderem von der Zuschusspflicht für Arbeitgeber in Höhe von 15 Prozent auf den Umwandlungsbetrag. Diese gilt seit 2018 für reine Beitragszusagen, seit 2019 für sonstige Neuzusagen und ab 01. Januar 2022 für alle bestehenden Entgeltumwandlungszusagen. Für Arbeitgeber hingegen ist unter anderem ausschlaggebend, dass sie nicht mehr für die Höhe der späteren Betriebsrente haften, sondern nur noch für den Zuschuss von mindestens 15 Prozent.

Auch steuerliche Ersparnisse sowie staatliche Zuschüsse machen die bAV für Unternehmen und Angestellte immer attraktiver. Das schlägt sich auch in den Abschlüssen nieder. Der Bestand an Verträgen der betrieblichen Altersversorgung stieg von 8,1 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 16,38 Millionen Euro im Jahr 2020. Durch die anhaltende Niedrigzinsphase und die Senkung des Höchstrechnungszinses am 01.01.2022 drängt sich die Frage auf, welche Zusageart unter diesen Umständen für beide Seiten am vorteilhaftesten und renditestärksten ist.

Von BZML zu BOLZ: Entwicklungen innerhalb der bAV

Angesichts der langanhaltenden Niedrigzinsphase stehen bAV-Versicherer unter enormem Druck, eine 100-Prozent-Rückzahlungsgarantie gewährleisten zu können. Zur Sicherstellung dieser Garantie ist der Versicherer in irgendeiner Form auf festverzinsliche Anlagen angewiesen. Bei sinkenden Zinsen steigt der Beitragsteil, der für das Erreichen der Garantie benötigt wird. In der aktuellen Zinslage, in der auch der Höchstrechnungszins im Sicherungsvermögen des Versicherers schon bald auf 0,25 Prozent limitiert ist, ist eine Garantie von 100 Prozent der Beiträge selbst bei sehr kostengünstigen Produkten mit üblicher Produktkalkulation nicht mehr abbildbar – selbst ohne Ansatz von Abschlusskosten und Vertriebskosten.

Über viele Jahre erfolgte die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung in der Direktversicherung in Form der sogenannten Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML). Auf diesem Weg wurden überwiegend fondsgebundene Rentenversicherungen im Zuge der Entgeltumwandlung vereinbart. In der aktuellen Zinslage hat diese Art der Zusage ihre Berechtigung verloren. An ihre Stelle tritt die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ), die für Versicherer und Vermittler neue Chancen bietet. Vor allem, wenn man bedenkt, dass auch die neue Regierung die bAV erneut stärken möchte. Dieses Mal unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen.

Herausforderungen der bAV

Damit die Renditechance auch realisiert werden kann, muss der Versicherer über das nötige Know-how im Investmentbereich verfügen. Die Breite und Tiefe der im Vertrag angebotenen Fonds- und Investmentauswahl werden zukünftig – genauso wie die Gestaltung und Höhe des Garantieniveaus – entscheidende Qualitätsmerkmale darstellen.

Im Vertrieb wird es nicht allein genügen, die Direktversicherung mit BOLZ als Vertriebschance wahrzunehmen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Komplexität der bAV bei gleichzeitig steigendem Beratungsbedarf, müssen Berater sich verstärkt in diesem Geschäftsfeld weiter qualifizieren. Außerdem gilt es neue Zugangswege zum Kunden zu finden – das schließt Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ein. Vor allem kleinere Unternehmen haben das Potenzial der BOLZ bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Nicht zu unterschätzen ist auch das Abschlusspotenzial, das sich aus einem genügend großen Direktversicherungsbestand durch Arbeitgeberwechsel oder Aufstockungen ergibt. 

bAV als Zukunftsmarkt

Vor diesem Hintergrund bietet die bAV eine erhebliche Zukunftssicherheit, denn sie bleibt ein beratungsintensives Geschäft, das qualifizierte Berater benötigt. Versicherer können 2022 mit einer Kombination aus guter Produktqualität und Vertriebsunterstützung die Chance nutzen, in einem ansonsten schwierigen Umfeld, Potenziale der bAV zu hebeln und damit neue Marktanteile zu erschließen. Es steht uns allen somit ein spannendes bAV-Jahr bevor.

Autor: Gordon Diehr ist COO der Liechtenstein Life. Der Manager blickt auf über 20 Jahre Erfahrung in verschiedenen Positionen im Finanz- und Versicherungssektor zurück. Diehr gehört zum Gründungsteam der Liechtenstein Life und baute dort zunächst die Bereiche Operation und Vertriebssteuerung auf. Er lehrt als Dozent in Zürich an der Fachhochschule für Versicherungswirtschaft.

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