Freiheit für Versicherungsdaten: Wie PEPP die Anforderungen an die Branche verändert

Mit Pepp wird der Datenaustausch entscheidend. Bild von Pete Linforth auf Pixabay.

Im nächsten Jahr kommt das Pan-European Personal Pension Product (PEPP). Damit steigt nicht nur die Produktkonkurrenz, sondern auch die Anforderungen an die Versicherer bei Daten- und Schnittstellentechnik. Die Frage ist: Will die Branche Open Insurance aktiv mitgestalten oder den regulatorischen Anforderungen hinterherlaufen? Ein Gastbeitrag von Sebastian Langrehr, Axel Kirchhoff und Til Klein.

Ohne standardisierten Datenaustausch und offene Schnittstellen langfristig keine Versicherung? Zugegeben, die These mag zunächst provokant klingen. Das Beispiel Europarente aus der Altersvorsorge zeigt jedoch, dass sie wesentlich näher und gar nicht so abwegig ist, wie zunächst vielleicht vermutet.

Bereits die Corona-Pandemie hat an vielen Stellen den zu geringen Digitalisierungsgrad der deutschen Versicherungsbranche offengelegt – im Vertrieb, aber auch bei den Gesellschaften selbst. Während sich der Digitalisierungsdruck rings herum vor allem auch durch neu entstehende Plattformökonomien deutlich erhöht hat, war in der Versicherungswelt von echten Disruptionen bisher wenig zu spüren. Das dürfte sich jedoch schon im kommenden Jahr ändern. Dann nämlich schon fällt der Startschuss für das von der Europäischen Union konzipierte Pan-European Personal Pension Product, kurz PEPP oder Europarente, mit dem erstmals ein europäischer Binnenmarkt für Altersvorsorge geschaffen wird.

Ab März 2022 können Anbieter – sowohl Versicherer als auch Banken und Vermögensverwalter – die Zulassung für die Europarente beantragen und zugelassene PEPP bereits ab Mitte des Jahres europaweit vertreiben. Die PEPP-Regulierung definiert Mindestanforderungen an Transparenz, grenzüberschreitende Übertragbarkeit und Wechselmöglichkeiten. Außerdem sind alle Anbieter verpflichtet, ein Standardprodukt, das sogenannte Basis-PEPP, anzubieten. Für dieses Standardprodukt sind die Anforderungen wie beispielsweise Beratungspflicht und Kapitalsicherung definiert und die Kosten auf ein Prozent des Volumens begrenzt.

Kein Datenaustausch, kein PEPP

Und genau mit dieser dezidierten Regulatorik bringt die EU die bisher gut abgeschotteten Datensilos der deutschen Versicherungswirtschaft ins Wanken.

Beispiel 1: die Beratungspflicht

Mit der Europarente wird es eine ganzheitliche Beratungspflicht über alle Säulen der Altersvorsorge hinweg geben. Das heißt für Vermittlerinnen und Vermittler: Vor dem Abschluss müssen die individuelle Rentenlücke sowie der Bedarf ermittelt werden. In Kombination mit dem Kostendeckel für das Standardprodukt ist das fast nur in Form digitaler Beratung möglich – und dafür müssen alle Informationen standardisiert und elektronisch verfügbar sein. Das ist in vielen anderen europäischen Ländern bereits die Norm, in Deutschland sind wir jedoch weit davon entfernt.

Beispiel 2: das Recht auf Anbieterwechsel

Kundinnen und Kunden können mit der Europarente alle fünf Jahre den Anbieter und/oder die Anlageform wechseln. Den Prozess dahinter dürfen die Anbieter nicht vollständig abgeben, was zwangsläufig zu standardisierten Schnittstellen führen muss – egal, ob nun ein PEPP-Vertrag abgegeben oder angenommen wird.

Beispiel 3: die grenzüberschreitende Übertragbarkeit

Kundinnen und Kunden können bei Wohnsitzwechsel innerhalb der EU aufwandsneutral ihre einmal abgeschlossene Europarente „mitnehmen“. Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass ein solcher Übertrag schon ohne einen Anbieterwechsel komplex ist. Wird dabei gleichzeitig noch der Anbieter gewechselt, vielleicht, weil es nicht anders möglich ist, ist ein solcher Prozess ohne einheitliche Datensätze und Schnittstellen ökonomisch kaum darstellbar.

Beispiel 3: die Transparenzanforderungen an Kosten und Gebühren

Dahinter verbirgt sich konkret die Pflicht, dass bei einem Übertrag an einen Anbieter sämtliche Daten zu den bisherigen Kosten und Gebühren ebenfalls übermittelt werden müssen. Hier gilt es nicht nur die Frage nach standardisierten Datensätzen bei den Versicherern zu beantworten. Spätestens bei der Darstellung der Gebühren werden auch Vertriebspartner in den Prozess integriert werden müssen.

Gestalten oder gestaltet werden?

Genau diese Frage muss sich die Branche nun stellen, denn dass sich die Anforderungen erhöhen, ist bereits spürbar und wurde in vielen anderen Branchen auch bereits vollzogen. Allerdings steckt hier natürlich auch eine Chance, wie wir mit der Initiative Free Insurance Data, FRIDA, immer wieder unterstreichen. FRIDA setzt sich für einen branchenweiten, offenen Schnittstellenstandard im Versicherungsbereich ein, um den Austausch versicherungsrelevanter Daten schneller, effizienter und kostengünstiger zu machen bei maximaler Datensicherheit. Neben AAA Auctor Actor Advisor und Friendsurance engagieren sich weitere Unternehmen im eingetragenen Verein FRIDA e.V. Voraussetzung dafür, dass eine solche Veränderung gelingt, ist ein hoher Digitalisierungsgrad – und zwingend offene und standardisierte Schnittstellen. Beides gilt es in der Versicherungsbranche jetzt zu schaffen.

Die Chance besteht mit Blick auf die Altersvorsorge beispielsweise darin, dass es mit einer Plattform für alle Verträge auch eine maximale Transparenz geben kann, auf deren Basis wiederum fundierte Entscheidungen getroffen werden können. Und nur so kann die immense Rentenlücke, die wir hierzulande haben, langfristig und nachhaltig geschlossen werden.

Mit der Einführung des PEPP unterstreicht die EU ihren Anspruch, die Zukunft der Altersvorsorge substanziell mitgestalten zu wollen und über den regulatorischen Rahmen hinaus bestehende Handlungsräume zu modernisieren; dies betrifft mit der Standardisierung der Produkte sowie der Homogenisierung innerhalb der EU sowohl das System an sich als auch die Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit. Wenn im Ergebnis Degressionseffekte auf der Kostenseite bei Altersvorsorgeanbietern entstehen, dient dies dem Wohle der Kundinnen und Kunden. Die vonseiten der EU obligatorische Ganzheitlichkeit in der Beratung ist ein überfällig sachlogischer Schritt in die richtige Richtung. 

Die Frage, die sich die Versicherungsbranche nun nur noch stellen muss, ist folgende: Will sie die Open Insurance aktiv mitgestalten oder den regulatorischen Anforderungen hinterherlaufen?

Die Autoren:

  • Sebastian Langrehr ist CSO bei Friendsurance und Co-Initiator der FRIDA Initiative.
  • Axel Kirchhoff ist Mitglied der Geschäftsleitung der AAA Auctor Actor Advisor und ebenfalls Mitglied bei FRIDA.
  • Til Klein ist Gründer des Altersvorsorge-Start-up Vantik und Mitglied im PEPP Expertenrat bei der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA.

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