Debeka-Vorstand Weber im Interview: „Nach dem IT-Umbau ist vor dem IT-Umbau“
Die Debeka will ein neues Kernsystem für die Krankenversicherung aufbauen. Dafür wird der Versicherer aus Koblenz künftig mit dem IT-Dienstleister msg Health Factory aus München zusammenarbeiten. VWheute sprach exklusiv mit IT-Vorstand Roland Weber über die Hintergründe der künftigen Pläne.
VWheute: Herr Weber, Sie haben mit „msg nexinsure“ einen Vertrag zur IT-Erneuerung der KV geschlossen. Was unterscheidet diesen Umbau von dem in der Lebensversicherung?
Roland Weber: Wir werden in den nächsten Jahren unsere gesamten Backend-Systeme modernisieren. Grundsätzlich prüfen wir dabei für jede Sparte die Alternativen „buy“, „buy and make“ oder „make“. In der Lebensversicherung haben wir uns für „buy and make“ entschieden. Wir haben von adesso den Rechenkern des PS-Life-Systems gekauft und entwickeln die Geschäftsprozesse selbst. In der Krankenversicherung hingegen haben wir uns dazu entschieden, ein Standardprodukt zu kaufen und durch den Hersteller entsprechend der Anforderungen der Debeka anpassen zu lassen. Beide Systeme werden in die IT-Landschaft der Debeka integriert.
VWheute: Vor dem „msg“-Abschluss haben Sie eine „Machbarkeitsstudie“ vorgenommen. Was kann sich der Leser darunter vorstellen, wie lautete das Ergebnis und warum mündet die Partnerwahl schließlich bei „msg“?
Roland Weber: In der Machbarkeitsstudie haben wir die IT-Landschaft der Krankenversicherung im Hinblick auf mögliche Systemerneuerungen auf Herz und Nieren überprüft. Das System konnten wir im Zuge eines Erfahrungsaustauschs bei einem Referenzkunden analysieren und den notwendigen Anpassungsbedarf für die Debeka bewerten. So konnten wir die Funktionalität dieses Systems für unsere Prozesse/Anforderungen nachweisen.
VWheute: Sie wollen eine Effizienzsteigerung erreichen, anhand welcher Kriterien machen Sie das fest?
Roland Weber: Wir messen das an den Kriterien Service und Kosteneffizienz. Wir werden den Automatisierungsgrad erhöhen, um Kosten zu sparen und um die Belange unserer Mitglieder schneller und besser bedienen zu können. Die Steigerung der Effizienz reduziert die Bürokratie und ermöglicht unseren Mitarbeitern, den Menschen noch stärker in den Mittelpunkt des Handelns zu rücken.
VWheute: „Wir machen unsere Krankenversicherung durch die Rationalisierung damit fit für die Zukunft“, sagen Sie. Wie sieht die aus?
Roland Weber: Rationalisierung bedeutet die Steigerung der Effizienz eines Unternehmens oder einer Verwaltung, indem durch Technisierung, Automatisierung, Änderung der Arbeitsabläufe oder ähnliche Maßnahmen Kosten und Aufwände gesenkt werden. Daher wollen wir unsere Ressourcen noch zielgerichteter einsetzen, um dem Kunden eine noch höhere Servicequalität bieten zu können. Vor allem aber können an die neuen Systeme Self-Services besser angedockt werden, die den Kunden durch Ende-zu-Ende-Prozesse Service-Erlebnisse just in time bieten.
VWheute: Die Haftpflichtkasse wurde ein Opfer von Hackern, Kundendaten wurden gestohlen. Sie sind größer und haben als Krankenversicherer heiklere Kundendaten. Wie sehr beunruhigt sie Cyberkriminalität und wie begegnen sie der Hackerrealität?
Roland Weber: Selbstverständlich beobachten wir solche Entwicklungen sehr aufmerksam. Die Debeka Krankenversicherung gilt aufgrund ihrer Größe als kritische Infrastruktur. Dies verpflichtet uns zur Einhaltung höchster Sicherheitsstandards, die auch regelmäßig unabhängig überprüft werden. Die Debeka verfügt über einen eigenen Bereich, in dem sich Spezialisten ausschließlich mit der Sicherheit unserer IT beschäftigen. Dazu kommen noch erhebliche Ressourcen, die die Sicherheit aus der operativen IT heraus unterstützen. Auch ist die Debeka in das IT-Krisenreaktionszentrum der Versicherungswirtschaft eingebunden und darüber eng mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik vernetzt. Eine hundertprozentige Sicherheit lässt sich zwar nie gewährleisten, aber der Schutz der Daten, die uns unsere Mitglieder und Kunden anvertrauen, hat für die Debeka höchste Priorität.
VWheute: Der IT-KV-Umbau soll 2026 beendet sein, die Migration der Lebensversicherung hat bereits im Jahr 2020 begonnen und soll langfristig im Jahr 2028 beendet sein. Wie lange wollen Sie danach das Wort IT nicht mehr hören?
Roland Weber: Nach dem IT-Umbau ist vor dem IT-Umbau. Auch wenn wir dann eine arbeitsintensive und ereignisreiche Zeit hinter uns haben werden, müssen wir ständig an der Verbesserung und Effizienzsteigerung unserer Prozesse und damit unserer IT-Systeme arbeiten. Das erwarten unsere Kunden.
Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.
Ein aufschlussreiches Interview. Und wieder wird zu Lasten der Prämieneinnahmen der Versicherten ein 3-stelliger Millionenbetrag für ein Standardprodukt (Anm.: mir fehlt jegliche Phantasie, dass es Standard bleiben wird) ausgegeben, um ein existierendes, seit Jahrzehnten gute Dienste tuendes Bestands- und Leistungssystem zu ersetzen. Projektbeispiele für das Scheitern solcher Projekte am deutschen Verischerungsmarkt sind zahlreich, bergen solche Projekte Risiken wie Parallelentwicklung alt/neu (wg. z.B. Regulatorik, fachl. Anforderungen), wie Moving Target (Bürgerversicherung versus PKV etc.). Alternative: Schrittweise Modernisierung des bestehenden Systems durch Nutzung des vorhandenen Wissens, einfaches Testen alt/neu und keine teure Migration. Ich wünsche dem Vorhaben trotzdem viel Erfolg.