AGCS-CEO Müller: Branche muss sich hörbar machen

Joachim Müller, CEO-AGCS. Quelle: Allianz

Dieses Jahrzehnt hätte nach Einschätzung von Joachim Müller eigentlich das der Assekuranz werden müssen. „Wir haben das Know-how und die Instrumente für die wichtigen gesellschaftlichen Probleme“, sagte der CEO der Allianz Global Corporate & Speciality SE beim digitalen Aon Marktforum 2021.

Dort ging es in weiten Teilen um die Probleme des Klimawandels, die der Digitalisierung, den Folgen aus der Pandemie – und der strategischen Ausrichtung der Branche. Für Müller liegt es in der DNA der Branche, dass sie nicht mehr Verantwortung übernimmt und sich im Sinne der Kunden und der Gesellschaft „hörbar macht“. Die Branche müsse schneller werden und vor allem an ihrer Kultur arbeiten. Kritik übte er auch an der eigenen Aufstellung, die viel zu lokal ausgerichtet sei für globale Kunden.

R+V-Chef Norbert Rollinger, der im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft den Komposit-Ausschuss leitet, erinnerte daran, dass man mit „der Installation von Jörg Asmussen als Hauptgeschäftsführer ein Signal gesetzt“ habe. Dieser werde viel offensiver und politischer agieren. Kombiniert mit dem Fachwissen der Branche werde dies guttun. Gleichwohl sei auch zu bedenken, dass der Gegenwind für die Branche sehr rau wehe. Punkte bei der Politik hätten weniger die Betriebsschließungsversicherung als vielmehr Riester und Restschuld gekostet.

Müller, CEO der AGCS Allianz Global, kündigte an, dass die Allianz stärker in die Beschäftigung mit den ESG-Risiken investieren werde. ESG sei Teil der Geschäftsstrategie. Um politisch mehr Gehör zu finden, will die Allianz ein ESG-Kompetenzzentrum gründen. Ziel seien nicht nur Pricing-, sondern vor allem Forecast-Tools. „Negative Überraschungen zu vermeiden, geht nur, wenn wir wissen, was wir tun“, so Müller. Dieses Wissen werde mit Brokern und Firmenkunden geteilt und soll auch bei der Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten helfen.

Die AGCS werde ihre Kunden beim energetischen Umbau partnerschaftlich unterstützen. Bei Öl und Ölsandabbau wolle man sich allerdings deutlich schneller zurückziehen. Die ESG-Risiken würden additiv zu den bisherigen Underwriting-Prinzipien gefügt. Bei den Kapitalanlagen habe man ein neues Zwischenziel: Bis 2024 sollen die Emissionen börsennotierter Aktien und Unternehmensanleihen um ein Viertel sinken. Die Social-Kompente sei für die Allianz ein „schwieriges Thema“ räumte der AGCS-Chef ein. Denn die Gruppe ist auch in Ländern aktiv, die gegen die Menschenrechte verstößt.

Jean-Jacques Henchoz, Chef der Hannover Rück SE, berichtete unter anderem, dass man gemeinschaftlich mit den Kunden an der Umsetzung der ESG-Kriterien arbeite. „Kohle schließen wir nicht im Alleingang aus“, so Henchoz. In der fakultativen Rückversicherung nehme man aber inzwischen eine restriktive Haltung ein – neue Kohlerisiken gehe man aber nicht mehr ein. Natürlich berücksichtigt alle Tätigkeiten der Firma auch den CO2-Footprint, wobei bei einem Rückversicherer mehr als 95 Prozent der Emissionen aus der Reisetätigkeit stammten.

Für Torsten Jeworrek, Vorstand der Munich Re, stellt sich die Frage, ob die Branche mittel- und langfristig noch relevant bleibt angesichts der Geschwindigkeit, mit der in den letzten 20 Jahren die Marktkapitalisierung von materiellen zu immateriellen Assets gewandert ist – sprich: Internetfirmen sind heute sehr viel mehr wert als klassische Industriebetriebe. Als eine Antwort auf die tiefgreifenden Änderungen bei den Kunden sieht er entsprechende interne Veränderungen bei den Versicherern. Dazu benötige man aber auch eine andere, flexiblere Dateninfrastruktur. Gefragt seien Data Science und Experten für Algorithmen, die aber eine gemeinsame Sprache mit den klassischen Aktuaren und Versicherungskaufleute sprechen müssten.

Die Einschätzung des Rückversicherungsmaklers Aon, dass der Cyber-Markt bis 2025 auf rund 20 Mrd. US-Dollar Prämie wächst, wurde von fast allen Referenten zustimmend aufgegriffen. Jeworrek führte die Position seines Hauses aus, dass die „Mehrzahl der Risiken und auch der Kumule matchbar und managebar“ seien. Ausgeschlossen würden nur Risiken, die die gesamte Cyberinfrastruktur beträfen, aber sei beim Risiko „Verfügbarkeit von Strom“ auch nicht anders. Das eigene Exposure bezifferte er auf über eine Milliarde US-Dollar und stamme zu Hälfte von Erstversichern.

„Vielleicht haben wir Glück gehabt, aber die Profitabilität ist zurzeit hervorragend“, so Jeworrek. Wichtig sei die Aktualität der Daten und eine Modellierung, die die Risiken von heute messen. Den Kunden sei an der Deckungen vor allem der Service und die technische Unterstützung wichtig. Noch lassen sich die Cyber-Risiken laut Henchoz diversifizieren. Bei einem Volumen von 20 Mrd. US-Dollar sieht er aber die Grenze der Versicherbarkeit. Damit dieser Markt langfristig Perspektive habe, müsse nun global das Gespräch mit den Regierungen gesucht werden. „Wir müssen einen Rahmen haben“, fordert er.

Autorin: Monika Lier

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