Wie Altsysteme die Versicherungswirtschaft in der Digitalisierung lähmen

Bislang gibt es keinen praktischen Nutzen von Quantencomputern, aber das soll sich bald ändern. (Quelle: Schäferle auf Pixabay)

Der Innovationsdruck in der Versicherungswirtschaft bleibt ungebrochen hoch. Die Digitalisierung bewegt die Versicherungsbranche mit einer unterschwelligen Kraft, über die zwar alle reden, die aber tatsächlich immer noch wenig spürbar ist. Wie bei einem Vulkan, der erst jahrzehntelang brodelt und dann ganz plötzlich ausbricht. Genau das macht es für viele etablierte Akteure so gefährlich. Der Versicherungsmarkt verändert sich gerade in verschiedenen Bereichen zur selben Zeit und auf elementare Art. Ein Gastbeitrag von Pierre Dubosq, Gründer von tech11 und Dominik Lohle, Investment Manager beim High-Tech Gründerfonds.

Neue technologiegetriebene Marktteilnehmer bergen großes Wachstumspotenzial

Da sind zum einen die „jungen Wilden“. In Deutschland sind in den vergangenen Jahren einige erstklassige Insurtechs mit eigener BaFin-Lizenz an den Start gegangen. Darunter fallen etwa Coya, Neodigital oder Wefox, die reichlich Investorengelder eingesammelt haben, deren Prämieneinnahmen aber noch vergleichsweise gering sind. Doch diese Start-ups dürften deutlich wachsen, gerade auch weil sie sehr stark technologiegetrieben agieren.

Sich änderndes Kundenverhalten erfordert hohe Flexibilität und Geschwindigkeit

Zum anderen verändern sich mit der fortschreitenden Digitalisierung die Kundenerwartungen. Im Privatkundengeschäft wollen insbesondere die jüngeren Generationen, dass es unkompliziert, 100 % online und flexibel abläuft. Versicherungen so einfach wie ein Netflix-Abonnement. Sprich: verständliche Leistungen, die situativ per Smartphone abgeschlossen und gemanagt werden können. In diesem Lebensabschnitt reicht oftmals eine Haftpflicht- und vielleicht noch eine Hausrat- oder Fahrradversicherung. Genau diese Produkte bieten die erwähnten Start-ups an und das können sie wesentlich schneller und schlanker als die traditionellen Versicherer. Mit einer Time-to-Market von wenigen Wochen. Im Vergleich dazu kann es bei einem etablierten Versicherer durchaus bis zu 18 Monate dauern, bevor er ein neues Produkt initial vermarkten kann. Das liegt mehrheitlich an den unflexiblen Altsystemen und den siloartigen Organisationsstrukturen.

Auch Gewerbekunden befinden sich mit ihren Industrien mitten in der digitalen Transformation und suchen nach Lösungen, um völlig neuartige Risiken in ihren Branchen zu versichern. Sie erwarten damit verbundene Dienstleistungen von ihrem Versicherer, die diese aktuell nicht oder nur sehr eingeschränkt liefern können.

Integration in Ökosysteme durch offene Schnittstellen

Die dritte zentrale Veränderung betrifft die viel diskutierten Ökosysteme. Viele Versicherer glaubten zunächst, eigene Ökosysteme aufbauen zu können. Die großen Ökosysteme werden jedoch weiterhin vor allem von den Big Techs aufgebaut und orchestriert. Deshalb geht es aus Sicht der Versicherer vor allem um Integrationsfähigkeit. Die Integration in neue Vertriebskanäle. Es gilt, die eigenen Versicherungsprodukte schnell und kostengünstig dort hinzubringen, wo der Endkunde ist.

Technologie als Enabler

Um auf diese Strömungen reagieren zu können und Wachstumspotenziale zu nutzen, ist Technologie der zentrale Erfolgsfaktor. Technologie als Mittel zum Zweck. Wenn man über den richtigen technologischen Schlüssel verfüge, ist man auch in der Lage die genannten Herausforderungen zu entsperren. Denn parallel zu den neuen Anforderungen der Digitalisierung existieren die Probleme der „alten Welt“ unvermindert weiter, wie etwa Regulierung oder Compliance.

Zukunftsfähige Unternehmen müssen sich auch als Technologieunternehmen begreifen. Und das völlig branchenunabhängig. Ein Blick nach China zeigt, wohin der Weg führen kann. Ping An ist der größte Versicherer der Welt mit rund 20.000 hauseigenen Softwareentwicklern.

Kernsysteme als zentrales Vehikel für die digitale Transformation

In diesem Umfeld bestimmt die Leistungsfähigkeit der Kernversicherungssysteme die Performance und Zukunftsfähigkeit eines jeden Versicherers maßgeblich. Moderne Core-Insurance-Plattformen ermöglichen es Versicherern neue Produkte schnell zu entwickeln und diese über offene Schnittstellen (APIs) mühelos in jeden Distributionskanal zu integrieren. Gleichzeitig zeichnen sich moderne Lösungen durch eine hohe Flexibilität in der Prozesskonfiguration aus und decken alle notwendigen Umsysteme eines ganzheitlichen Kernversicherungssystems ab, wie beispielsweise Provision oder Dokumentenmanagement. Und ganz grundsätzlich müssen Versicherungsverträge zuverlässig und sicher verwaltet und Schäden effizient gemanagt werden. So dunkel, digital und kundennah wie möglich.

Wer diese vielfältigen, fachlich komplexen Herausforderungen auf Basis einer zeitgemäßen technologischen Plattform realisiert, wird als Gewinner aus der digitalen Transformation hervorgehen.

Autoren: Pierre Dubosq ist ein Gründer von tech11, einer Insurance Plattform. Das Unternehmen versteht sich als „enger und verlässlicher Technologie-Partner der Versicherungswirtschaft“. Dominik Lohle, ist Investment Manager beim High-Tech Gründerfonds. Der HTGF ist ein Venture Capital Investor für „innovative Technologien und Geschäftsmodelle“.