AGV-Geschäftsführer Hopfner: „Ich wünsche mir einen Verhandlungspartner, der mit realistischen Vorstellungen in die Verhandlungen geht“

Sebastian Hopfner, stellvertretender AGV-Hauptgeschäftsführer. Quelle: AGV

Der Arbeitgeberverband der Versicherer (AGV) und die Gewerkschaften hatten sich bereits Ende 2019 auf einen Tarifvertrag für die Branche geeinigt, der bis 2022 gültig ist. VWheute sprach exklusiv mit dem stellvertretenden AGV-Hauptgeschäftsführer Sebastian Hopfner über das aktuelle Vertragswerk und seine Wünsche für künftige Verhandlungen.

VWheute: Die Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft decken rund 95 Prozent der Arbeitsverhältnisse in der Versicherungswirtschaft. Ist das eine Erschwerung oder Vereinfachung bei den Verhandlungen?

Sebastian Hopfner: Der hohe Grad der Tarifanwendung erleichtert uns auf der Arbeitgeberseite tendenziell die Arbeit. Denn wir können so überzeugend darlegen, dass wir als Sozialpartner gut beraten sind, den Tarifvertrag als das auszugestalten, was er von Gesetzes wegen sein soll: Die Definition der Mindest-Arbeitsbedingungen und nicht die Definition der Regel-Arbeitsbedingungen.

VWheute: Sehen Sie durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen eine Veränderung für kommende Verhandlungen, beispielsweise beim Schutz der Mitarbeiter oder der Arbeitszeitgestaltung?

Sebastian Hopfner: Unser Tarifwerk ist sehr flexibel angelegt, sodass es auf unterschiedlichste Formen der Arbeitsorganisation passt. Es passt insbesondere auch auf einen höheren Grad an mobiler Arbeit, wie wir ihn auch mittel- und langfristig erleben werden. Daher besteht durch die Corona-Krise kein erhöhter Anpassungsbedarf, ganz im Gegenteil: Der Tarif muss sich weiterhin auf seine Kernaufgabe beschränken, den Rahmen vorzugeben ohne die Praxis zu stark einzuengen. Nur so findet er eine hohe Akzeptanz.

VWheute: Wenn Sie auf die von Ihnen betreute Tarifgeschichte in der Branche zurückblicken, was waren die High- und Lowlights?

Sebastian Hopfner: Ein absolutes „Lowlight“ waren die Schreckensszenarien, die die Gewerkschaften beginnend ab 2014 zu den Auswirkungen der Digitalisierung an die Wand gemalt haben. Vor allem die Instrumente, wie hierauf tariflich reagiert werden sollte, waren total altbacken und deshalb „low“. Da wurden Dinge aus der Mottenkiste der 70er-Jahre hervorgekramt. Deshalb haben wir das auch alles verhindert.

Die dunklen Szenarien sind dennoch ausgeblieben. Highlights gab es zum Glück viele: Jeder Abschluss ist ein Highlight, weil es in jeder Runde Situationen gibt, die eine Lösung ausweglos erscheinen lassen. Wenn dann dennoch oftmals spät in der Nacht noch ein Kompromiss gefunden wird, dann ist das immer wieder ein schönes Erlebnis.

VWheute: Gibt es Momente, auf die Sie zurückblicken und sagen, das hätten wir als AGV anders regeln können oder müssen?

Sebastian Hopfner: Ich denke, dass wir rückblickend bei der Einführung der beschäftigungswirksamen Lohngruppen A und B in der Tarifrunde 2007 etwas zu brutal vorgegangen sind. Diese Tarifrunde hat seinerzeit zu einem tiefen Bruch in der Tarifkommission von ver.di geführt. Unser Ziel, auf um sich greifendes Outsourcing tariflich zu reagieren, war freilich absolut richtig. Es wäre auch heute richtig, dies zu tun.

Wir haben jedoch die Sprengkraft des Themas auf Gewerkschaftsseite unterschätzt. Folge war eine jahrelange Blockadehaltung der Gewerkschaften bei nahezu allen Themen. Es hat Jahre gedauert, hier wieder Vertrauen aufzubauen. Heute stehen wir an einem anderen Punkt und haben zu einer guten Gesprächsbasis zurückgefunden. Tarifverträge sind eben auch Ausdruck der gegenseitigen Rücksichtnahme der Sozialpartner.

VWheute: Das erste Sozialpartnermodell ist in den Büchern. Wie beurteilen Sie das als Arbeitgebervertreter der Branche und nehmen Sie vielleicht etwas davon mit in die Zukunft?

Sebastian Hopfner: Aufgrund des hohen Verbreitungsgrades der bAV in unserer Branche und der widerstreitenden Interessen unserer Mitgliedsunternehmen als Marktteilnehmer wird das Sozialpartnermodell bei uns kein Thema des Flächentarifvertrages. Es ist aber ein ideales Modell für bAV-schwache Branchen. Ich denke da zum Beispiel an die Systemgastronomie. Entscheidend bleibt natürlich die Finanzierungsfrage. Hier sind die Gewerkschaften in der Pflicht. Sie müssen bereit sein, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass es in einer Tarifrunde auch mal etwas weniger „cash“ gibt, dafür aber eben eine Zusatzabsicherung für das Alter.

VWheute: Was wünschen Sie sich für die kommenden Verhandlungen und woran arbeiten die beiden Parteien aktuell?

Sebastian Hopfner: Ich wünsche mir einen Verhandlungspartner, der mit realistischen Vorstellungen in die Verhandlungen geht. Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Corona-Krise wird zeitverzögert auch die Branche erreichen. Wenn wir Beschäftigung trotz widriger Umstände langfristig sichern wollen, müssen wir Maß halten. Gegenwärtig arbeiten wir an dem Thema der Umwandlung von Entgeltansprüchen in zusätzliche Freizeit, ein Herzensanliegen von ver.di. Hier gibt es eine Verhandlungsverpflichtung, die wir natürlich einlösen.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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