Kreditversicherer über hohes „verstecktes“ Insolvenzrisiko: Warenkreditschutz wird teurer

Quelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Die Warenkreditversicherung wird teurer, denn das Risiko steigt für die Kreditversicherer. „Viele Unternehmen in Deutschland sind ein regelrechtes Pulverfass. Über ihnen schwebt das Damoklesschwert einer Insolvenz“, warnt die Volkswirtin Christiane von Berg vom Kreditversicherer Coface aus Mainz. Echte Zahlungssicherheit gibt es für Lieferanten kaum noch.

Die Assekuranz hat das Risiko „versteckter“ Insolvenzen durch staatliche Corona-Maßnahmen ermittelt. Es liegt für Deutschland bei 21 Prozent. Eigentlich hätten die Insolvenzen 2020 im Vergleich zu 2019 um rund sechs Prozent steigen sollen. Das geht aus der Coface-Modellanalyse anhand von Umsatzzahlen hervor. Von Berg: „In der Regel bedeutet ein Rückgang der Wirtschaftsaktivität einen Anstieg der Unternehmenspleiten.“ Doch das Gegenteil ist eingetreten. In Deutschland sank 2020 die Zahl der Pleiten um 15 Prozent. Daher gibt es für 2021 ein gefährliches Potenzial an „versteckten“ Insolvenzen, die durch staatliche Maßnahmen bisher verhindert wurden.

Fast 4.000 „versteckte“ Pleiten

Für Deutschland errechnet Coface insgesamt eine Zahl von 3.950 ausgebliebenen Insolvenzen. Viele dürften nur aufgeschoben sein. Daher steht ein erheblicher Anstieg der Insolvenzen bevor, befürchtet der Kreditversicherer. Nach der Modellrechnung liegt der Anteil der „versteckten“ Pleiten für das Gastgewerbe bei immerhin 43 Prozent und für das Transportgewerbe immer noch bei rund 38 Prozent. Doch auch das Baugewerbe ist mit 21 Prozent betroffen. Beim verarbeitenden Gewerbe sieht Coface im Worst Case eine Zunahme von 18 Prozent der Insolvenzen und beim Einzelhandel von 16 Prozent. Das letzte Segment dürfte davon profitieren, dass der Lebensmittelhandel in der Corona-Krise in vollem Umfang funktionstüchtig geblieben ist.

Für Krisenbranchen wird es immer enger

Mit seiner pessimistischen Einschätzung ist Coface nicht allein. Auch der Kreditversicherer Atradius aus Köln erwartet für 2021 einen zweistelligen Anstieg der Insolvenzen. So würden bei den Unternehmen aus den Bereichen öffentlicher Transport, Tourismus, Veranstaltungen und Gastronomie immer größere Liquiditätsengpässe entstehen. Schon jetzt stellt Atradius eine erhöhte Zahl von Nichtzahlungsmeldungen fest.

„Während die Einnahmen ausbleiben und oft nur unzureichend durch staatliche Hilfen kompensiert werden, laufen die Fixkosten wie Mieten, Löhne und Gehälter sowie andere vertragliche Verpflichtungen weiter“, sagt Frank Liebold, Deutschland-Chef bei Atradius. „Wenn die staatlichen Hilfsgelder zurückgefahren werden und die Lockerung der Insolvenzantragspflicht endet, dürften die bereits erheblichen Unsicherheiten noch weiter zunehmen.“

Noch ist unklar, wie viele Pleiten tatsächlich eintreten werden, da staatliche Maßnahmen wie beispielsweise Subventionen für einzelne Branchen in das Jahr 2021 hineinreichen und die aktuellen Auszahlungsregelungen zur Kurzarbeit noch bis Ende 2021 gelten. „Das Risiko, Geschäfte mit Unternehmen zu machen, die eigentlich nicht mehr zahlungsfähig sind, hat mit der Pandemie erheblich zugenommen und steigt mit jedem Tag weiter an, an dem der Lockdown anhält“, stellt auch Thomas Langen, Atradius Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa fest. Das höhere Risiko macht sich dann auch bei den Prämien bemerkbar.

„Es hat kein Prämienanstieg auf breiter Front stattgefunden, vielmehr ein risikoadäquates Repricing“, sagt Steffen Giebler, Coface-Vertriebsleiter Nordeuropa. Das gelte für Branchen, die stark von der Pandemie betroffen sind oder schon vor der Krise schwächelten. Dazu zählten beispielsweise der Automotive- und der Maschinenbausektor. Atradius bestätigt ebenfalls eine „moderate“ Prämienerhöhung. „Zu beachten ist aber, dass wir auch in der Corona-Pandemie die Preise bei jedem Kunden weiterhin individuell auf Grundlage des zu versichernden Risikos kalkulieren“, erläutert Atradius-Manager Langen

Versichern oder Vorkasse

Echte Zahlungssicherheit gibt es für Lieferanten kaum noch. Das gilt in verstärktem Maße, wenn sie für Krisenbranchen tätig werden. „Versichern oder Vorkasse sind die beiden Alternativen, wenn es um größere Aufträge geht“, sagt Expertin van Berg. Versicherungsschutz gibt es über die Warenkreditversicherung. Sie springt bei Forderungsausfällen für den Zeitraum von Lieferung und Dienstleistungen bis zur vollständigen Bezahlung ein. Da die Versicherung die Bonität der Kunden prüft, können Unternehmer schon vorher erkennen, wann ein Zahlungsausfall zu erwarten ist und sie gar nicht erst das Geschäft eingehen sollten.

Staatlicher Schutzschirm endet Anfang Juli

Derzeit wird die Arbeit der Kreditversicherer durch eine Garantie der Bundesregierung in Höhe von 30 Mrd. Euro stabilisiert. Der sogenannte Schutzschirm für Warenkreditversicherungen gilt aber nur noch bis zum 30. Juni 2021. Mit ihm können die Kreditversicherer ihren Kunden – trotz pandemiebedingt gestiegener Risiken – weiterhin im gewohnten Umfang Kreditgarantien zur Verfügung stellen, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bestätigt.

Der Schutzschirm sei aber kein Freibrief für riskante Geschäfte mit Abnehmern, deren wirtschaftliche Stabilität schon vor der Corona-Pandemie infrage stand. Am Schutzschirm nehmen die Kreditversicherer Atradius, Coface, Euler-Hermes, R+V und Zurich über bilaterale Verträge mit dem Staat teil.

Autor: Uwe Schmidt-Kasparek

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