Run-Off: „Jetzt gibt es die Chancen, die Reputation zu stärken“
Die Run-Off-Plattformen haben es nach Auffassung von Lutz Golsch erfolgreich geschafft, Vertrauen aufzubauen. „Die Kunden haben Eigentümer- und Markenwechsel bisher relativ gelassen begleitet. Das Grundvertrauen ist intakt“, sagte der Leiter der Strategischen Kommunikation bei der deutschen Niederlassung der FTI Consulting.
„Dafür, dass es beim Marktstart 2013/14 Sturmwarnung gab, schlagen die Wellen nicht sehr hoch“, so Golsch auf der SZ-Fachkonferenz „Run-Off 2021“. Er mahnte die Lebensversicherungsbranche vorsichtig mit dem Erreichten umzugehen, weil externe Bestandsverwaltungen künftig sicherlich noch gebraucht würden. Heinz-Peter Roß, Chef der Viridium Gruppe, zeigte sich überzeugt, dass dieses Segment wachsen wird: „Unser Haus ist für weitere Transaktionen genug kapitalisiert.“
Golsch kritisierte, dass sich Teile der Branche „eilig und kritisch von diesem Geschäftsmodell distanziert“ hätten. Es sei der Eindruck entstanden, dass es zwei Klassen von Lebensversicherungskunden gebe. Formulierungen wie Abwickler, Verwerter oder Auffanggesellschaft seien negativ, prägten sich ein und beeinflussten die Wahrnehmung. Man dürfe die emotionale Seite der Run-Offs nicht unterschätzen. „Bisher ist sehr viel gut gelaufen. Jetzt gibt es die Chancen, die Reputation zu stärken“, so Golsch, der allerdings auch durchblicken ließ, sich bei Viridium besonders gut auszukennen.
Run-Offs würden vor allem branchenintern diskutiert. In den Leitmedien sei Run-Off kein Thema. Von 18.000 Berichten über die Lebensversicherung (seit 2013) handelten nur drei Prozent über Run-Offs. In 10.000 Fachartikeln liege der Anteil bei fünf Prozent. Die Studienergebnisse der Assekurata zur Entwicklung der internen und externen Abwicklungen von Lebensversicherungsergebnissen wurden am Vormittag mehrfach von Befürwortern wie Kritikern zitiert. Beide Seiten sahen darin ihre Auffassungen hinsichtlich Storni, der Beteiligung der Versicherten an Effizienzgewinnen und Erträgen oder auch Solvabilität jeweils belegt.
Axel Kleinlein warf den Plattformen Mängel bei Transparenz, Service und Kommunikation vor. Er plädiert für ein „faires“ neues Kundenrecht. Beim Aufkauf solle der Versicherungsnehmer darüber entscheiden dürfen, ob er seinen Vertrag weiterführen wolle oder nicht. Ausscheidende Kunden sollten dann nicht nur den Rückkaufswert erhalten, sondern auch an den Bewertungsreserven, der freien RfB und ähnlichen Töpfen, die er auf 100 Milliarden Euro veranschlagt, beteiligt werden. Er fürchtet, dass der Bedarf nach Abwicklung kommen wird. „Die Lebensversicherung ist im Absturz. Das wird sie zur Abwicklung bringen. Für die 100 Milliarden gibt viele gierige Investoren.“
Martin Setzer, CIO der Viridium Gruppe, berichtete, dass die erste Tranche des Proxalto-Bestandes von rund einem Viertel aller Verträge (zuvor Generali) planmäßig zum 25. Januar migriert worden sei. Damit habe man das Fundament für die bisher größte Bestandsmigration gelegt. Die zweite Tranche werde Anfang 2022 folgen und die dritte dann im Jahresverlauf.
Autorin: Monika Lier