Alles im Griff? Wie Versicherer das Risiko Krankenhaus meistern

Quelle: Bild von Sasin Tipchai auf Pixabay

Wegen der Coronakrise ist das Rampenlicht derzeit auf die Krankenhäuser gerichtet. Zurecht: Was Pflegekräfte und Ärzte seit Monaten leisten, ist heldenhaft. Die Versicherer müssen dennoch einen nüchternen Blick bewahren und das Risiko Krankenhaus auch in diesen Zeiten nach objektiven Maßstäben bewerten.

Das ist nicht einfach, denn die Gefahren steigen auch jenseits der Pandemie an und werden zunehmend unberechenbarer. Trotz neuer oder zunehmender Gefahren wie Corona, multiresistenter Keime und Hackerattacken ist der Fehlerfaktor Mensch weiter die entscheidende Größe. „Die größte spezifische Gefahr in Krankenhäusern ist das Risiko, wegen einer vermeintlichen oder tatsächlich fehlerhaften Behandlung in Anspruch genommen zu werden“, erklärt Franz-Michael Petry, Geschäftsführer der Ecclesia Versicherungsdienst- und Ecclesia Mildenberger Hospital GmbH.

Grundsätzlich gehen die Anspruchsstellungen je 1.000 Behandlungsfälle leicht zurück, doch wegen der steigenden Anzahl der Behandlungsfälle falle das nicht auf, erklärt Petry. Der Rückgang habe für die Haftpflichtversicherer auch deswegen keine positive Wirkung, da der Schadenaufwand für die gemeldeten Schäden zunehme. Nach Analysen um etwa „fünf Prozent pro Jahr“. Nach wie vor prägen seltene, aber sehr teure Schadenfälle das Geschäft, ergänzt Burkhard Krüger, Abteilungsleiter Haftpflicht Firmenkunden bei der R+V Versicherung.

Die Entschädigungen müssen oft jahrzehntelang gezahlt werden. Weniger als fünf Prozent der Personenschäden mit einem Aufwand von mehr als einer Million Euro verursachen mehr als 60 Prozent des Schadenaufwands, erklärt er. Hinzu komme, dass durch steigende Pflegekosten auch Personenschäden „immer teurer werden“. Neben den kaum auszumerzenden menschlichen Fehlern ist in den Krankenhäusern die Gefahr multiresistenter Keime hinzugekommen. Als resistente Erreger werden Keime bezeichnet, die eine Widerstandsfähigkeit gegen die zur Behandlung der Infektion eingesetzten Medikamente entwickelt haben.

Die Pandemie ist im Krankenhaus bestens aufgehoben

Überraschend entspannt gehen sowohl die Risikoträger wie auch der Großmakler mit der Corona-Gefahr um. „Aus heutiger Sicht hat Covid-19 keine Auswirkung auf die Versicherungssituation der Krankenhäuser“, sagt Petry. Die Behandlung von Patienten gehöre zum Kerngeschäft, insofern seien Auswirkungen „nicht zu erwarten“. Wegen Corona wurden in Krankenhäusern Eingriffe verschoben, um Kapazitäten wie Intensivbetten freizuhalten. Ob sich aus der Streichung oder Verschiebung von geplanten Eingriffen Anspruchsstellungen ergeben werden, „wird erst die Zukunft zeigen“, analysiert der Ecclesia-Experte. Der Versicherungsschutz bleibe davon unberührt.

Die R+V sieht bei medizinischen Einrichtungen wegen Corona derzeit einen hohen Informationsbedarf. Maßnahmen wie die „behördlich angeordnete Umwandlung von Rehakliniken in teils akutstationäre Einrichtungen zur Behandlung von Covid-19-Patienten“ werfe „viele Fragen auf“. Das Unternehmen könne Lösungen bieten, weil es auch „Akutrisiken
zeichnen kann“.

Weitere Ausschlüsse über die derzeitigen Bedingungen hinaus sind bei den Wiesbadenern nicht geplant. Trotz Pandemie sieht es auch die Allianz „unverändert als gesellschaftspolitischen Auftrag“ an, einen passenden
Versicherungsschutz anzubieten. Eine Verschärfung der Situation sehen die Münchener durch die Pandemie ebenfalls nicht. Corona habe im Bereich der Krankenhaushaftpflichtversicherung „keine Veränderungen“ bedeutet, erklärt Carsten Wiesenthal, Leiter Haftpflicht MidCorp bei der Allianz Versicherungs-AG.

Ganz ohne Auswirkungen bleibt Covid-19 aber nicht, denn die fehlenden Operationen belasten die auch schon zuvor am Limit kalkulierenden Krankenhäuser. „Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser ist von einem weiteren Konsolidierungsprozess auszugehen. Ob dieser Trend durch die Covid-19-Pandemie verstärkt wird, bleibt abzuwarten“, erklärt Petry. Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass Politik und Krankenkassen die Ausfälle von Behandlungen und den erheblichen Mehraufwand für die Behandlung von Covid-19-Patienten „angemessen finanzieren“.

Der Kampf um den Kunden Krankenhaus hat trotz der neuen Gefahren für die Risikoträger nicht abgenommen. Es herrsche weiterhin ein starker Wettbewerb, insbesondere um Häuser, „die in den vergangenen Jahren erfolgreich in ihr Risikomanagement investiert haben“, analysiert Krüger. Die Allianz sieht dieselben, aber auch gegensätzliche Tendenzen. „Wir haben gesehen, dass in den Jahren zwischen 2012 und 2018 einige Versicherer aus dem exponierten Risikosegment ‚Krankenhausversicherung‘ zum Teil kurzfristig ausgestiegen sind.“ Das führte zu einer „deutlichen Verknappung“ der Marktkapazitäten und bedeutet für betroffene Krankenhäuser einen zum Teil „massiven Deckungsnotstand“.

Nach einer Reduzierung der Wettbewerber von 2012 an, beobachten die Münchener seit 2018 einen „Zuwachs an Anbietern“ und „Marktkapazitäten“. Das wird begrüßt, es sei wichtig, dass diese Entwicklung „mittel- und langfristig anhält“, um wieder allen betroffenen Krankenhäusern „bezahlbaren Versicherungsschutz bei auskömmlichem Beitragsniveau auf dem deutschen Versicherungsmarkt zur Verfügung zu stellen“. Die Gefahr zu weniger Offerten sieht wiederum die Ecclesia nicht. Es gäbe in „allen Sparten“ ein „ausreichendes Angebot“.

Die Pandemie hat den Krankenhausbereich kräftig geschüttelt. Die eingesprenkelte Hacker-Gefahr mit der Beimischung von menschlichen Fehlern in Verbindung mit der finanziellen Situation der Krankenhäuser ergeben eine brisante Melange für die Versicherer. Abstand von der Nische wollen und werden die Unternehmen nicht nehmen, ganz so schlimm scheint die Situation also alles in allem nicht zu sein.

Autor: Maximilian Volz

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Februar-Ausgabe des E-Vertriebsmagazins Der Vermittler.

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