Kreditversicherer: Welle von Zombi-Unternehmen belastet Vertrauen

Thomas Langen, Vorsitzender der Kommission Kreditversicherung im GDV. Quelle: mvb

Für die Kreditversicherer war 2020 nur auf den ersten Blick ein gutes Jahr. Denn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige (bis 30. September) und überschuldeter Firmen (bis 31. Dezember) verzerrt die Zahlen: So sinkt die auf Basis der ersten Quartale hochgerechnete Schaden- und Kostenquote 2020 auf 76 Prozent (2019: 88 Prozent).

„Die deutsche Wirtschaft schiebt seit Monaten eine Welle von Insolvenzen vor sich her“, warnt Thomas Langen, Vorsitzender der Kommission Kreditversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), vor der Presse. „Erst wenn ab Januar sowohl überschuldete als auch zahlungsunfähige Unternehmen wieder einen Insolvenzantrag stellen müssen, werden wir erkennen, wie groß dieser Anstieg ist und welche wirtschaftlichen Verwerfungen die Corona-Pandemie tatsächlich angerichtet hat.“

So richtig die staatlichen Maßnahmen bisher gewesen seien, könne nun die Phase erreicht sein, dass die Hilfen mehr schadeten als nützten, so Langen. Denn im Markt wachse die Furcht vor „Zombiunternehmen“. Daher befürworteten die Kreditversicherer die für Januar vorgesehene Rückkehr zu grundlegenden marktwirtschaftlichen Prinzipien. Bei dem für Anfang 2021 geplanten neuen Sanierungs- und Insolvenzrecht fürchtet er, dass dies Auffangnetz für bereits insolvenzreife Unternehmen werden könnte. „Die Krise ist noch nicht vorbei, ab der zweiten Jahreshälfte 2021 ist aber mit Entspannung zu rechnen“, prognostizierte Langen, der sich ansonsten mit Voraussagen wegen der vielen Unwägbarkeiten der Pandemie zurückhielt.

„Die deutsche Wirtschaft schiebt seit Monaten eine Welle von Insolvenzen vor sich her. Erst wenn ab Januar sowohl überschuldete als auch zahlungsunfähige Unternehmen wieder einen Insolvenzantrag stellen müssen, werden wir erkennen, wie groß dieser Anstieg ist und welche wirtschaftlichen Verwerfungen die Corona-Pandemie tatsächlich angerichtet hat.“

Thomas Langen, Vorsitzender der Kommission Kreditversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)

Bis zur Jahresmitte 2021 wurde unlängst der Schutzschirm für die Lieferketten der deutschen Wirtschaft verlängert. Um das Vertrauen in die Wirtschaft trotz Krise zu stärken, hatten Bund und Kreditversicherung diesen Schutzschirm mit einer Garantie des Bundes von 30 Mrd. Euro aufgespannt. Damit halten die Kreditversicherer trotz der pandemiebedingt gestiegenen Risiken ihre Deckungszusagen von über 400 Mrd. Euro aufrecht. Sie beteiligen sie sich mit zehn Prozent an den Schadenzahlungen im Rahmen des Schutzschirms und führen rund 60 Prozent ihrer Prämieneinnahmen an den Bund ab.

Das bedeute nicht, dass nicht einzelne Limite gekürzt oder gestrichen werden könnten, so Langen. Es sei kein „Freifahrtsschein für riskante Geschäfte“. Der Schutzschirm deckt bis zum 30. Juni 2021 ausgestellte Rechnungen. Über den Schutzschirm hinaus seien die Kreditversicherer unter anderem mit verlängerten Meldefristen, angepassten Vertragsbedingungen und teils auch pragmatischen Ansätzen bei der Bonitätsbeurteilung von Abnehmern entgegengekommen, so Langen. Krisenbedingt hätten die üblicherweise eingeforderten Bilanzen des Vorjahres nur noch wenig Aussagekraft gehabt.

Dabei habe man festgestellt, dass viele Unternehmen aus der Finanzmarktkrise gelernt hätten: Sie stellten sich bei ihrer Liquiditätsplanung „auf mehrere Füße“. Die Einsichten zur Krise seien aber noch nicht überall angekommen, so Langen. Andernfalls wäre die Nachfrage nach Warenkreditversicherungen sicherlich höher. Da die Nachfrage üblicherweise mit dem Anstieg der Insolvenzen steige, „wird es 2021 eine größere Nachfrage nach Kreditversicherung geben.“

Der Verbands-Hochrechnung zufolge decken die deutschen Kreditversicherer 2020 rund 474 Mrd. Euro Ausfallrisiken (minus 2,5 Prozent). Zum Deckungsvolumen der Warenkreditversicherung von 411 Mrd. Euro (minus drei Prozent) kommen weitere 63 Mrd. Euro aus der Kautionsversicherung, die voraussichtlich um 0,5 Prozent zulegen wird. Nach der Hochrechnung müssen die Warenkreditversicherer 2020 für Zahlungsausfälle von 436 Mio. Euro geradestehen, das wären nur 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Verträge der drei Sparten Delkredere, Kaution und Vertrauensschaden erhöht sich um 4,5 Prozent auf 545.000 Policen. Die Beitragseinnahmen sinken leicht um ein Prozent auf 1,79 Mrd. Euro – und damit weniger als die Deckungssumme.

Autorin: Monika Lier

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